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  Späte Überraschung: Kommentar zu „Welche Oper ist besser, Basel oder Zürich?“

03.11.2019 | Themen Kultur

BASEL/ ZÜRICH:  Späte Überraschung: Kommentar zu „Welche Oper ist besser, Basel oder Zürich?“ (Christian Berzins, NZZ am Sonntag 03.11.2019)

(https://nzzas.nzz.ch/kultur/welche-oper-ist-besser-basel-oder-zuerich-ld.1519049)

In der aktuellen Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag fragt Kollege Christian Berzins, welche Oper besser sei, Basel oder Zürich?

„Das Budget des Opernhauses Zürich ist doppelt so gross wie das des Theaters Basel. Aber ist Zürich doppelt so gut?“

 Ein Vergleich zu Saisonbeginn lässt ihn zweifeln und soll eine böse Überraschung zeigen.

Die Frage ist reizvoll, aber dumm.

Berzins schreibt den Artikel im Bewusstsein der falschen Fragestellung und findet auch noch eine Redaktion, die den Bericht veröffentlicht. Sauer aufgestossen scheint ihm zu sein, dass das Opernhaus Zürich bei den «Oper! Awards» zum «Besten Opernhaus» gekürt wurde.

Die achtköpfige Jury eines Opernheftlis hat das behauptet.

Ist das etwa verletzter Stolz, dass der Kollege nicht in dieser Jury, wohl aber jener der Umfrage der „Opernwelt“ sitzt?

Soll eine Aarauerin also nach Osten fahren?

Anhand der Frage, ob eine Aarauerin, für alle Nicht-Schweizer: eine Bewohnerin von Aarau, Hauptort des zwischen Zürich und Basel gelegenen Kantons Aargau, – ist das political correctness oder spricht er den Männern in globo das Interesse an der Oper ab? – nach Osten, es dürfte Zürich gemeint sein, fahren soll? Bei den nun folgenden Gegenüberstellungen müsste dem Kollegen eigentlich klar werden, dass er Äpfel mit Birnen vergleicht. Böse überrascht ihn die Feststellung, dass in Zürich mittlerweile, im Jahr Sieben nach Pereira, eine andere Regie-Handschrift gepflegt wird, und sich die optische Ausrichtung beider Theater extrem angenähert habe.

Wie spannend war es doch vor 2012, als die Profile klar getrennt waren: Basel provozierte mit Bieito, Marthaler, Castorf und Co. Zürich konterte mit Quantität und Stars.

 Viele Elemente sind sowohl in der einen wie in der anderen Oper zu sehen. Nebenbei: Die Komische Oper ist jenes Haus, das Homoki vor Zürich leitete: Es wird nun von Barrie Kosky geführt, der auch in Zürich inszeniert – und einst in Basel. Basel und Zürich schöpfen aus demselben Eintopf.

Diese Feststellung kommt überraschend spät. Das ist die böse Überraschung, dass sich dieser Kollege der Angleichung erst jetzt bewusst wird und dass er einen so fragwürdigen Artikel schreibt, wo er es doch besser wissen sollte und auch weiss (cf. zweites Zitat).

Aber wo geht nun unsere Aarauerin hin, wenn auf der Bühne dasselbe zu sehen ist?

 Das ist in der Tat eine schwierige Entscheidung, wenn man nicht bereit ist sich banaler Argumente wie günstigeren Karten und bequemeren Sitzen für Basel (wann war Kollege Berzins das letzte Mal in Basel?) zu bedienen. Die Kriterien, nach denen er Sänger in Stars und Entdeckungen einteilt, sind kaum nachvollziehbar. Oder meinte er Cervelat-Stars (Stars, die nur in der Schweiz als solche gelten)? Es ist sicher von Vorteil, dass man in Basel von fast jedem Platz aus gut sieht. Aber das Haus hat nicht mal ansatzweise das Ambiente wie in Zürich.

Statt einem oberflächlichen Artikel über das Theater Basel und das Opernhaus Zürich, hätten sich dem Kollegen doch andere Vergleichsmöglichkeiten angeboten. So ein Vergleich der beiden Arbeiten von Kirill Serebrennikov (Il Barbiere di Siviglia in Basel (https://onlinemerker.com/basel-theater-il-barbiere-di-siviglia-produktion-der-komischen-oper-berlin/) und Cosi fan tutte in Zürich (https://onlinemerker.com/zuerich-oper-cosi-fan-tutte/)). Oder ein Vergleich der beiden aktuell in Bern (https://onlinemerker.com/bern-konzert-theater-il-barbiere-di-siviglia/) und Basel (https://onlinemerker.com/basel-theater-il-barbiere-di-siviglia-produktion-der-komischen-oper-berlin/) zu sehenden Barbiere. Oder, wenn man überlegt, für wen man schreibt und die erwähnte Aarauerin beraten will: Welche Theater, die Oper spielen, sind für sie innerhalb einer Stunde Zugfahrt erreichbar? Da wären neben Basel (37min) und Zürich (24min) das Theater Luzern (52min), Konzert Theater Bern (40min) und Theater Orchester Biel Solothurn (44min bis Biel, 27min bis Solothurn). Diese drei Theater, die bei den nationalen Print-.Medien kaum zu existieren scheinen,  führen aktuell qualitativ hochstehende Produktionen (https://onlinemerker.com/biel-solothurn-la-fille-du-regiment/, https://onlinemerker.com/biel-nebia-biel-giovanna-darco-von-giuseppe-verdi/, https://onlinemerker.com/luzern-theater-maerchen-im-grand-hotel-von-paul-abraham) fernab des vom Kollegen bemängelten Opern-Eintopf auf.

Und wenn man aus Anlass der Zürcher Premiere von „Belshazzar“ nichts zu schreiben weiss, …

02.11.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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