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ZÜRICH/ Oper: COSÌ FAN TUTTE

26.10.2019 | Oper

 

Wolfgang Amadeus Mozart: Così fan tutte, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 26.10.2019

 (2. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 20.10.2019)

Vom Aufwärmen. Bei Sängern und bei Regisseuren.

 

Vorab gilt festzuhalten, mit welch grosser Akribie und Bereitschaft den eigenen Körper zu prostituieren die Sänger das unter erschwerten Bedingungen entstandene Regiekonzept Kirill Serebrennikovs (Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme; Mitarbeit Bühne Nikolay Simonov, Mitarbeit Kostüm Tatiana Dolmatovskaya) umsetzen. Serebrennikov konnte bei den Proben in Zürich auf Grund seines Hausarrests nicht anwesend sein und so fungierte – neben seinem Anwalt – sein Vertrauter Evgeny Kulagin (Umsetzung Inszenierung, Choreografie) als Vermittler.

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Ruzan Mantashyan als Fiordiligi und Anna Goryachova. Foto: Monika Rittershaus

Der Vorhang ist bereits vor Beginn der Oper offen und gibt den Blick auf ein zweigeschossiges Fitnessstudio frei, in dem sich in der oberen Etage die Sängerinnen aufwärmen, während in der unteren Etage die Herren ankommen und sich gegenseitig begrüssen. Bald, es sind Männer und da muss das so sein, kommt das Thema auf die Frauen.

Sind mit fortschreitender Ouvertüre die Damen aufgewärmt, stellt man fest, dass auch das Regiekonzept Kirill Serebrennikovs (Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme) weitgehend aus aufgewärmten Ideen besteht. Ideen, die schon in seiner 2016 entstandenen Inszenierung des Barbier von Sevilla (https://onlinemerker.com/basel-theater-il-barbiere-di-siviglia-produktion-der-komischen-oper-berlin/) für die Komische Oper in Berlin auftauchen, Ideen, die teilweise auch in seiner 2019 entstandenen Inszenierung des „Nabucco“ (https://onlinemerker.com/hamburg-staatsoper-nabucco-viel-heisse-luft-um-nichts/) für die Staatsoper Hamburg wieder auftauchen werden. Das Zürcher Programmheft erwähnt eine Video-Botschaft, in der Serebrennikov „ein paar grundlegende Dinge über sein Theaterverständnis“ sagt: „Theater, so seine Überzeugung, muss eine Beziehung zur heutigen Welt haben und Fragen stellen, die mit der Gegenwart zu tun haben – sonst wird es überflüssig.“ Die Beziehung zur heutigen Welt manifestiert sich im exzessiven Gebrauch von Smartphones und sozialen Medien, Doppelgängern einzelner Figuren, Zurschaustellung weiblicher Körper und dem Rauschebart des fanatischen Moslems als allgegenwärtiger kriegerischer Bedrohung. Die Fragen, die mit der Gegenwart zu tun haben, scheinen beliebigen „Meinungsumfragen“ entnommen: die Flüchtlingskrise, die Rolle der Frau und – natürlich die Rolle moderner Kommunikation und sozialer Medien. All das wirkt in allen drei Inszenierungen sehr oberflächlich.


Michael Nagy (Don Alfonso). Foto: Monika Rittershaus)

Der Wunsch, dass die Besucher im Theater nicht nur einen netten Abend haben, sondern auch zum Nachdenken angeregt werden ist fraglos genauso zu begrüssen, wie die Idee die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft zur Diskussion zu stellen. Mit der Umsetzung hapert es leider und der gute Wunsch trägt nicht über dreieinhalb Stunden. Die krude Ansammlung unterschiedlichster Videosequenzen (Video-Design: Ilya Shagalov) – Frauen-Demos, Demos für Abtreibungsrechte, Porno-Filme – und Schlagwort-Plakate („My pussy, my rules“) ist nicht mehr als schlechte Provokation. Das Thema wird im Verlauf des Abends nicht weiter entwickelt. Die gut halbstündige, sich über die beiden Etagen erstreckende Bett-Szene zu Beginn des zweiten Aktes, wirkt nur noch mühsam.


Foto: Monika Rittershaus

Gegen die szenische Ödnis ist auch die im hochgefahrenen Orchestergraben unter Ottavio Dantone grandios aufspielende Philharmonia Zürich machtlos.

Wesentlich zur Langeweile tragen leider die Sänger bei. Ruzan Mantashyan als Fiordiligi und Anna Goryachova als Dorabella quälen sich mit schrillen Stimmen durch den Abend. Sie müssen immer wieder Haut zeigen – fürs Ohr bleibt leider kaum etwas übrig. Konstantin Shushakov als Guglielmo und Alexey Neklyudov als Ferrando bewältigen ihre Partien stimmkräftig mit mehr oder weniger angenehmen Vibrato. Rebeca Olvera als Despina braucht Anlauf um zu gewohnter Form zu finden. Der Applaus nach ihrem ersten Auftritt bleibt aus. Michael Nagy singt einen beliebigen Don Alfonso.

Keine der drei Arbeiten Serebrennikovs („Nabucco“ in Hamburg, „Il Barbiere di Siviglia“ aus Berlin in Basel und „Cosi fan tutte“) vermochte zu überzeugen. Der Hausarrest füllt die Häuser, nicht die Qualität der Arbeit.

Weitere Aufführungen: Mi. 30. Okt, 19.00; Sa. 02. Nov, 19.00; Fr. 08. Nov, 19.30.

 

27.10.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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