Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BIEL/ Nebia Biel: GIOVANNA D’ARCO von Giuseppe Verdi

 Koproduktion mit Opéra de Tours

28.10.2019 | Allgemein, Oper

Bildergebnis für theater biel giovanna d'arco
Copyright: Nebia Biel

Giuseppe Verdi: Giovanna d‘Arco, Nebia Biel, Vorstellung: 27.10.2019

 Koproduktion mit Opéra de Tours

 (2. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 25.10.2019)

«Unterworfen, werde ich den bitteren Kelch trinken»

Oper kann eine Beziehung zum Heute haben. Auch ohne Smartphone und soziale Medien. Auch ohne Videoeinblendungen. Sogar ohne aufgewärmte Schlagworte und plump-primitive Provokationen wie Pornofilmchen und graphische Phallus-Darstellung. Wenn man denn sein Handwerk beherrscht.

Dass er sein Handwerk bestens versteht, zeigt Yves Lenoir mit seiner Inszenierung von Verdis Frühwerk «Giovanna d’Arco» für Theater Orchester Biel Solothurn. Lenoir erzählt, so die «Note d’intention» eine Geschichte über Johanna, der weder zu Zeiten der Entstehung des Dramas noch der Oper eine besondere Verehrung zuteil wurde. «Die Geschichte einer einsamen, jungen Frau, die rebelliert und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen will. Einer widerspenstigen jungen Frau  voller Auflehnung und Utopien, im offenen Streit mit ihrem Vater, der ihre politischen Ansichten nicht teilt.

Bruno de Lavenère (Bühnenbild) hat Lenoir dazu den von ihm gewünschten geschützten, privaten Rahmen geschaffen: Giovannas Zimmer mit einem Bett, einem Schrank und einer Leiter. Viel mehr hat in dem hohen Raum mit klassischer Stuckdecke gar nicht Platz. In diesem Raum spielt sich Johannas ganzes Leben ab – die Leiter dient der Erreichbarkeit einer Luke in der Seitenwand – und so nimmt Lenoir den Zuschauer mit auf die Reise in die Seele Giovannas. Brandspuren lassen erahnen, dass ihre Jugend nicht leicht und die Auseinandersetzungen mit dem Vater schwer waren. Wenn Giovanna dann aber die Heirat mit dem König durchsetzt, ist das keine Befreiung von ihrem Vater, der sie, wie später Rigoletto Gilda von der Aussenwelt abschotten wird, in ihrer Zimmer gefangen gehalten und unter Kontrolle hat. Mit der Heirat kann sie die eine Unterwerfung aufgeben, muss aber gleich wieder in eine andere Unterwerfung. Der Kelch wechselt, bitter sind beide. Giovanna ist in der neuen Ehe genauso gefangen wie vorher im Verhältnis zu ihrem Vater. Den einzigen Ausweg sieht sie im Suizid, den ihr Vater, er hat erkannt, dass seine Tochter zu Unrecht verurteilt wurde, gerade noch verhindern kann. Befreien kann auch er sie nicht, aber bietet ihr die Möglichkeit im Kampf für ihre Ideale zu sterben. Die Inszenierung ist plausibel, folgerichtig und steht nie im Widerspruch zum Text. Wer hätte gedacht, dass «Giovanna d’Arco» so spannend, so mitreissend, so emotional fordernd sein könnte?

Bildergebnis für theater biel giovanna d'arco
Foto: Joel Schweizer

Unterstützt wird Lenoirs Regiekonzept durch grossartige Sängerdarsteller. Astrik Khanamiryan als Giovanna d’Arco gelingt die Darstellung der widerspenstigen, jungen Frau in nahezu jeder Hinsicht perfekt. Ihr kräftiger Sopran kann farbenreich leuchten, aber genau so gut lyrisch glimmen. Mit ihrem intensiven Spiel erreicht sie eine beeindruckende Bühnenpräsenz. Michele Govi als Giacomo befindet sich stimmlich in überragender Verfassung und lässt keine Wünsche offen, erinnert eher an grosse Rollenvorgänger. So muss ein Verdi-Bariton klingen! Irakli Murjikneli singt einen strahlenden, stimmgewaltigen Carlo VII. Würde er die Region des Dauerforte einmal verlassen, würde er zu seinen Partnern aufschliessen. Konstantin Nazlamov und Paweł Ślusarz (Studierender der Hochschule der Künste Bern, Schweizer Opernstudio) ergänzen das Ensemble als Delil und Talbot.


Foto: Joel Schweizer

Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter Leitung von Manlio Benzi spielt in Höchstform einen traumhaft-mitreissenden Verdi. Der von Valentin Vassilev vorbereitete Chor von Theater Orchester Biel Solothurn reiht sich in die Reihe der Glanzleistungen ein.

In jeder Hinsicht empfehlenswert! Ein MUSS!

Weitere Aufführungen:

Nebia Biel: Di. 19.11.19, 19:30; Do. 21.11.19, 19:30; Fr. 06.12.19, 19:30; So. 08.12.19, 17:00.
Stadttheater Solothurn: Mi. 06.11.19, 19:30; Fr. 08.11.19, 19:30; Do. 12.12.19, 19:30; Sa. 14.12.19, 19:00; Mi. 08.01.20, 19:30.
Casino Theater Burgdorf: Do., 28.11.19, 19:30.
Stadttheater Olten: Fr., 10.01.20,19:30.

27.10.2019, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken