Schwetzingen: POLIFEMO von N.A.Porpora 5.1.2013
In der Poliphem-Oper über die bakannte Epsode aus Odysseus‘ Irrfahrten verband der neapolitanische Komponist Nicola Antonia Porpora und sein Librettist P.A. Rolli lose zwei unabhängig voneinander existierende Geschichten. Einmal wie Ulisse mit seinen Gefährten im Machtbereich des Zyklopen Poliphem gefangen genommen wird und ihnen durch die List und Hilfe der Zauberin Calipso die Flucht ermöglicht wird. Die andere Begenheit spinnt sich um Acis und Galatea, in der Acis von dem eifersüchtigen Poliphem durch einen Felsbrocken erschlagen wird, durch die Bitten von Galatea aber Unsterblichkeit erzielt. Der Grund für die Verknüpfung beider Erzählungen ist, daß dadurch mit Acis und Ulisse zwei männliche Hauptpersonen mit 2 Kastratenstars der damaligen Zeit von Porpora besetzt werden konnten: nämlich mit Farinelli (Acis) und Senesino (Ulisse). Das trug viel zum großen Erfolg der 1735 im Haymarket Theatre in London uraufgeführten Oper bei, die damals in Konkurrenz zu Händels Opernunternehmen „Covent Garden“ stand, die ebenfalls 1735 mit ‚Ariodante und ‚Alcina‘ herauskam. Porpora galt als Neurerer der barocken neapolitanischen Oper, was besonders die Melodik anlangt, und ging nach dem Ruin seines Londoner Unternehmens wieder nach Italien zurück, später noch erfolgreich nach Wien und Dresden. Den Triumph des Polifemo konnte er aber nicht mehr übertreffen.
Im Rokkokotheater Schwetzingen kommt eine brillante Aufführung durch Heidelberger Oper zustande. Die Philharmoniker, verstärkt durch Laute und Cembalo, spielen unter der ambitionierten Leitung von Wolfgang Katschner ein erfrischendes ariengespicktes Barockspektakel. Bezeichnend ist, dass man kaum mehr den Unterschied merkt, ob ein Spezialensemble oder ein normales Orchester musiziert, soweit ist die Spielweise angepaßt und die Angleichung an historische Spielweisen fortgeschritten. Eine erfreuliche Entwicklung!
Die Regisseurin Clara Kalus hat einen Hang zu experimentellem Musiktheater und Performance. Bei Polifemo kommen ihr gute Einfälle zustatten, z.B.Schäfchenwolken vom Schnürboden herab, auf einer sitzt Galatea, sie wird hochgezogen und in einem anderen Raum hinter der flexiblen Bühnenwand wiedre harabgelassen. Acis schickt ihr Briefe via ‚Wolkenpost‘.
Verschränkte selbst fahrende Wände sollen mythische Atmosphären schaffen/ Bühnenbild u.Kostüme: Sebastian Hannak. Der Revier-Platzhirsch Polifemo wird eigentlich als guter Junge, zwar schwarz und mit ‚Eraserhead‘ und nach seiner Blendung mit rotem Augenverband gezeichnet. Ulisse und Kalypso gehen gehen mit Hand-Lanzen (große Pappmachèhände an langen Stielen) auf Poliphem los. Die HeldInnen tragen alle gediegene Roben und Reiseanzüge.
Die Nerea der Irene Simmes hat nicht viel zu singen, nach ihrer ‚Konstanze ‚ kann sie hier etwas entspannen und sich auf Abenteuerfahrten vorbereiten. Tijana Grujic kommt als Mezzo gesanglich sehr gut herüber, hat viel markanten Schmelz in der Stimme. Bei ihrem Zugriff auf Ulisse wirkt sie vielleicht etwas zu unentschlossen. Diesen singt Jakob Huppmann sehr distinguiert und mit sehr sanftem, aber gut artikuliertem Countertenor. Haris Andrianos bringt als Polifemo einen kräftigen Bariton mit und ist dabei auch koloratursicher. Die Galatea Rinnat Moriah kann auf ihrem süß klingenden Sopran bauen, wenn dieser auch etwas eng geführt anmutet und die Tendenz zu leichtem Flackern hat. Dabei wirkt sie hingebungsvoll mädchenhaft. Als weiterer Countertenor kann Terry Wey/Acis voll überzeugen und prunkt in seiner großen Dank-Arie an Jupiter mit mit bester Phrasierung und edel timbrierter Ausgestaltung.
Friedeon Rosén