Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

SCHWETZINGEN/ Festspiele: LEUCIPPO von Johann Adolph Hasse

27.05.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernrarität bei den Schwetzinger Festspielen: „Leucippo“ von Johann Adolph Hasse (Vorstellung: 27. 5. 2014)

1586675784-56891525_526-jkGBJ1Ok5Ja95sMn09
Das spielfreudige Sängerensemble mit dem Chor in einer Gruppenszene (Foto: Hans Jörg Michel)

 Wieder einmal warteten die Schwetzinger Festspiele im schmucken Rokokotheater des Schlosses – diesmal in Koproduktion mit der Oper Köln – mit einer Opernrarität auf: „Leucippo“ von Johann Adolph Hasse. Das Werk wurde 1747 in Dresden uraufgeführt, kam aber bereits im Jahr 1757 in einer überarbeiteten Fassung erstmals in Schwetzingen zur Aufführung.

 Johann Adolph Hasse (1699 – 1783), der Sohn einer norddeutschen Musikerfamilie und Schüler von Alessandro Scarlatti, wurde von seinen Zeitgenossen neben Bach, Händel und Vivaldi gestellt. Er arbeitete mit Pietro Metastaso, dem damals bedeutendsten Librettisten, eng zusammen, war mit dem Gesangsstar Farinelli befreundet und mit der berühmten Sängerin Faustina Bordoni verheiratet, die seine affektgeladenen Rache-, Eifersuchts- und Liebesarien liebte. Hasse schuf insgesamt 42 Opern, die aber heutzutage nur selten auf den Bühnen zur Aufführung gelangen.

 Die mit dem toskanischen Librettisten Giovanni Claudio Pasquini ausgearbeitete Favola Pastorale „Leucippo“ ist ein musikalisches Schäferspiel, das im Traumland Arkadien spielt und in dem es um die Liebe des Jünglings Leucippo zu der schönen Dafne geht. Der Titelheld, der im Knabenalter entführt wurde, trifft auf den Oberpriester Narete, der in Wirklichkeit sein leiblicher Vater ist und auf seine Bestrafung pocht, da er der zur ewigen Keuschheit verpflichteten Priesterin der Diana verfallen ist. Dieser klassische Konflikt zwischen Pflicht und Liebe endet schließlich – wie bei Barockopern üblich – mit einem Happy End. 

 Zu Arkadien findet sich im Programmheft eine ausführliche Information. Daraus ein Zitat: „Das poetische Traumland Arkadien ist ein irdisches Paradies, ein idyllischer Ort, an dem Hirten in ursprünglicher Einfachheit im Einklang mit der Natur, fernab von der hektischen Umtriebigkeit der Stadt leben. Diese Welt des Glücks existiert zuallererst auf Papier, denn Arkadien ist eine literarische Fiktion, eine Erfindung der antiken Dichter Theokrit (3. Jh. v. Chr.) und Vergil (70 – 19 v. Chr.). Sie erdachten das liebliche Erscheinungsbild, die Stimmen und Stimmungen der idealen Landschaft, die schon damals nichts mit der geografischen Realität des peloponnesischen Landstrichs gemein hatten, in den sie projiziert wurden.“

 Von einem lieblichen Erscheinungsbild war allerdings in der Inszenierung von Tatjana Gürbaca nicht einmal ansatzweise etwas zu sehen. Sie ließ die Oper in einem kahlen Raum, der wie ein Gefängnis wirkte, ohne Requisiten spielen (Bühnengestaltung: Henrik Ahr). In diesem Raum tummelte sich eine Gruppe Jugendlicher, die leicht und schrill bekleidet (Kostüme: Barbara Drosihn) eine Art Party feierten, wobei es hin und wieder recht ausgelassen zuging. Dass die Männer Röckchen trugen, war eine der Merkwürdigkeiten, von denen es im Laufe der drei Akte noch mehr geben sollte. Die Regisseurin bot in ihrer Inszenierung viele erotisch-humorvolle Szenen, die aber fast immer in billigen Klamauk verfielen. Dass es dennoch einige Lacher im Publikum gab, lag zum Großteil am ambitionierten Spiel des Ensembles. In der Pause gab es beim Publikum angeregte Diskussionen zur Inszenierung, über die ein mir persönlich gut bekannter Opernliebhaber aus Frankfurt am Main mit den Worten „eine Regie aus der untersten Schublade“ recht bissig urteilte.   

 Die musikalische Qualität des Sängerensembles und des Orchesters versöhnte allerdings das Publikum mit dieser Produktion. Die Titelrolle sang der russische Countertenor  Vasily Koroshev mit extrem hoher Stimme, darstellerisch wirkte er ein wenig zu statisch. Die nach der Premiere stimmlich indisponierte Dafne-Sängerin Franziska Gottwald agierte zwar auf der Bühne – und das mimisch recht ansprechend –, gesanglich übernahm die Rolle die finnische Mezzosopranistin Virpi Räisänen, die im Orchestergraben stand. Sie begeisterte durch die große Bandbreite ihrer ausdrucksstarken Stimme und bekam des Öfteren Szenenapplaus.

 Der spanische Tenor Francisco Fernández-Rueda als Priester Narete konnte schauspielerisch mehr überzeugen als stimmlich, da er oft zu stark outrierte. In der Rolle des Delio bot die quirlige Sopranistin Claudia Rohrbach sowohl darstellerisch wie stimmlich eine herausragende Leistung, die das Publikum begeisterte und zu Bravorufen schon während der Vorstellung animierte. Das zweite Liebespaar der Oper – Climene und Nunte – wurde von der Sopranistin Netta Or und vom Bariton Holger Falk dargestellt, die ihre große Liebesszene köstlich komödiantisch spielten.  

 Das Ensemble Barock vokal Mainz – einstudiert von Christian Rohrbach – spielte die Rollen der Jugendlichen überaus ambitioniert, übertrieb aber zu oft in Gestik und Darstellung.

Das Barockorchester Concerto Köln  brachte die abwechslungsreiche und klangvolle Partitur des Komponisten unter der einfühlsamen Leitung von Konrad Junghänel eindrucksvoll zum Erklingen. 

 Jenes Publikum, das bis zum Schluss blieb (einige Damen und Herren verließen zur Pause das Theater), belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall, wobei es für die „Einspringerin“ Virpi Räisänen und für Claudia Rohrbach verdiente Bravorufe gab.

 Udo Pacolt

 

 

Diese Seite drucken