Schwerin / Mecklenburgisches Staatstheater: „RUSALKA“ – 17.10.2014 Premiere
Marta Kosztolanyi. Foto: Silke Winkler
Schwerin ist immer eine Reise wert, schon wegen des schönen, der italienischen Renaissance nachempfundenen Theaters, wo sich Richard Wagner als Kapellmeister bewarb, die Stelle auch von Johannes Brahms in Erwägung gezogen wurde und Friedrich von Flotow 7 Jahre Kapellmeister war. Es gibt dort immer wieder interessante Opernaufführungen, wie kürzlich die Premiere von Antonín Dvoráks Oper „Rusalka“.
In der Inszenierung von Hendrik Müller steht bzw. sitzt der Opernbesucher zunächst einige Zeit im Dunkeln, bis es sehr allmählich heller wird und drei, nicht allzu große, Bilder an der Wand eines bürgerlichen Schlafzimmers mit „goldenem“ Eisenbett aus den 20er Jahren sichtbar werden. Man erkennt ein impressionistisches Bild und zwei von Caspar David Friedrich, von denen das eine „Frau Friedrich am Fenster“ zeigt, die dem Betrachter den Rücken zuwendet. In gleicher Pose steht Rusalka, in schwarz gekleidet, am (Schlafzimmer )Fenster, anstatt – wie ursprünglich im Opernlibretto von Jaroslav Kvápil – als Nixe bei ihresgleichen im See zu schwimmen. Man tappt weiterhin im Dunkeln, denn drei Elfen (Katrin Hübner, Stamatia Gerothanasi, die auch die Haushälterin angemessen sang, und Sophia Maeno) dringen ins Schlafzimmer als altmodisch gekleidete Mädchen ein, singen aber gut. Der Prinz erscheint als Maler und porträtiert Rusalka. Der Wassermann versucht, durchs Fenster einzudringen und wird, obwohl er eigentlich der wohlwollende, väterliche „Vorgesetzte“ mit viel Verständnis für Rusalka ist, von ihr brüsk abgewiesen. Sie ist genervt.
Man sitzt nicht etwa in der falschen Oper, es soll eine Rückblende sein. Dvoráks lyrische Märchenoper voller Poesie und Naturschönheit, die eigentlich genügend Kontraste und Parabeln auf das menschliche Sein enthält, wurde hier psychodramatisch und komplementär gedeutet, und vor allem von der sexuell-erotischen Seite in vielen Varianten betrachtet, d. h. auf Gedeih und Verderb in ein Psychodrama projiziert und mit jeder Menge theaterwirksamen Verfremdungseffekten versehen, die sich durch die gesamte Inszenierung hinziehen. Wenn die Handlung im See spielt, erscheint eine sehr irdische Durchschnittswohnung. Dafür hat das eigentlich sehr irdische Schloss des Prinzen einen Touch von Unterwasser-Atmosphäre wie die Behausung eines unter Wasser herrschenden Fabelwesens (Bühne und Kostüme: Alexandre Corazzola). Manches aufsehenerregende Regiedetail, das aus ethischen Gründen wohl selten so auf einer Bühne gezeigt wird, entspricht durchaus dem Weiterdenken der Handlung, wirkt aber dennoch befremdlich.
Martá Koszolányi gibt der Gestalt der Rusalka ihre romantische Seele zurück. Mitunter hält sie sich stimmlich etwas zurück, singt aber mit sehr viel Seele und dem berühmten „Schmelz“ in der Stimme. Sehr feinsinnig sang sie auch den heimlichen Höhepunkt der Oper, das „Lied an den Mond“ mit dieser tiefen, geheimnisvollen Sehnsucht nach den Menschen und ihrem Geliebten, bei dem schon so mancher als Jugendlicher seine Liebe zur Oper entdeckt hat. Ihr sah man später sogar das Schweigen an. Sie war nicht einfach stumm, sondern konnte sich nur nicht äußern. Es war ein „beredtes Schweigen“, bis sich ihre wohlklingende Stimmer wieder entfalten konnte.
Steffen Schantz, erschien als Prinz im altmodischen Sportanzug, wie für eine Safari gekleidet, und mit Gewehr eher für eine Wagner-Oper vorgesehen und sang mit kraftvoller Stimme auch wie ein solcher Held. Katrin Abel als fremde Fürstin, Igor Storozhenko mit rauer Stimme als Wassermann, Itziar Lesaka, die als Hexe Jezibaba hier wie Rusalkas Ebenbild als psychische Verquickung erscheint, Markus Vollberg als Pfarrer (mit einigen Problemen in der Tiefe) und Remo Tobiaz als Jäger sangen und agierten in ihren Rollen durchaus überzeugend. Obwohl deutsch gesungen wurde, war es zweckmäßig, die deutschen Übertitel einzublenden, denn es war selten ein Wort zu verstehen.
Die musikalische Leitung lag in den Händen von Daniel Huppert. Er spürte den Intentionen der Musik Dvoráks nach, so dass die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin unter seiner Leitung (bis auf einige, zu verschmerzende Unstimmigkeiten bei den Hörnern) die Aufführung trug. Es gab sehr schöne musikalische Momente, lyrisch, romantisch, gefühlvoll und mit böhmischer Mentalität, bis zum Schluss wagnerische Dramatik anklang, ähnlich „Tristan und Isolde“. Schließlich hat Rusalkas Entsagung vieles gemeinsam mit Isoldes Liebestod. Die Musik, die immer wieder gefangen nimmt, brach sich auch hier Bahn, und die Musiker ließen sie wirken. Ähnliches gilt auch für den Chor aus Opernchor des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin und Damen des Extrachores, die in der Einstudierung von Ulrich Barthel der Oper in schöner Weise gerecht wurden und zusammen mit den Herren der Statisterie auf der Bühne agierten.
Ingrid Gerk