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SALZBURG Osterfestspiele : Giuseppe Verdi OTELLO Premiere

20.03.2016 | Allgemein, KRITIKEN, Oper
Sofia Pintzou als der Todesengel Azrael

Sofia Pintzou als der Todesengel Azrael, mit José Cura

Osterfestspiele Salzburg 2016
GroßesFestspielhaus
GiuseppeVerdi    OTELLO
Premiere 19.März 2016

 

 

Der kalte Glanz der Eifersucht

1
Keine Frage, was sich da über Zypern zusammen gebraut hat, war nicht nur ein gewaltiges, meteorologisches Tief, das der in voller Breite angetretene Chor in oratorienhafter Wucht besang, es legt sich auch ein seelisches Tief wie kalte Schwärze über die Figuren dieser Tragödie, mit der Vincent Boussard seine Sicht dieser Oper ausstattete.

2
Unterstützt wurde Boussard dabei in dieser Gemeinschaftsproduktion mit der Semperoper Dresden von seinem Bühnenbildner Vincente Lemaire, ein schon eingearbeitetes Team also, das auf nebeldurchwaberte leere Räume, auf sparsam durch Öffnungen, Ausschnitte und Spiegelungen durchbrochene Hintergründe und minimalste Bemöbelung setzt, so dass für Desdemona das sattsam bekannte Sterbebett weggelassen wurde und Otello sie letztlich im Stehen umzubringen hatte.

3
Zusätzliche Wirkungen kommen von Projektionen, wehenden Tüchern, welche wohl das Fazzoletto Desdemonas darstellen sollen, von einem langen, mit einer Unmenge Kerzen vollgestellten Tisch und letztlich vom Lichtgestalter Guido Levi und seinen raffinierten Ausleuchtungen, denn auch diese Effekte wirken letztlich alle sparsam und ergeben stets eine Sphäre implodierenden Dunkels.

Die Kostüme von Christian Lacroix reichen von stilisierter Renaissance bis hin in die Zeiten Verdis, wobei das gutbürgerliche Outfit Jagos mit pelzverbrämtem Gehrock ins Auge fällt, wohl dem kalten mitleidlosen Anwalt der Hinterhältigkeit als angemessen zugedacht. Den roten Kostümen der Damen kann die größte Wirksamkeit nachgesagt werden, den uneinheitlichen Gewändern der Herren nicht dieselbe Wirkung.

José Cura und Dorothea Röschmann

José Cura und Dorothea Röschmann

4
Wer in diesem Stück nur einen Gang des Titelhelden in Mord und Selbstötung, mit mitleidlosem Blick und unausweichlichem Trieb sehen will, der ist mit dieser Bebilderung des Dramas tatsächlich gut bedient, wer auch die “hellen” Stellen in Verdis Musik visualisiert sehen möchte, wer erahnen möchte, wie Zypern als ein mediterranes Inselreich auch mit in die Partitur eingeflossen ist – und da gäbe es einige Stellen – wäre auf besseres Wetter zu vertrösten.
Zumindest hören kann man auch die sonnige Seite der Partitur, der Sächsischen Staatskapelle Dresden und vor allem den Chören der Semperoper unter Jörn H. Andresen gelingt unter der übersichtlichen und stets wachen Stabführung von Christian Thielemann jene prägnante Wiedergabe, die man sich von diesem Dirigenten und diesen Klangkörpern erwartet hat.

5
Einer neuen Gestalt begegnen wir in diesem Otello Boussards, über deren Wirken schweigt sich das Programmheft jedoch aus. Nur ganz lakonisch als un angelo im Personenregister ausgewiesen, begleitet der, vor allem aus dem arabischen Raum und mehr durch den Volksglauben bekannte Todesengel Azrael die Handlung des Abends, um zuletzt Desdemona nach ihrer Tötung persönlich ins Totenreich zu geleiten. Dargestellt wir dieser geheimnisvolle Engel mit den riesigen schwarzen Schwingen von der aus Athen gebürtigen und attraktiven Tänzerin Sofia Pintzou.

6
Was macht einen guten Otello aus? Wie kann ein Tenor im italienischen Fach den absoluten Gipfel erobern? Ein Streitthema unter Opernfreundinnen und Freunden, erst Recht in einem Forum.
Eine richtige Heldentenorstimme mit Höhenglanz aber auch mit lyrischen Feinheiten, eine Gabe zur Selbstentäußerung bis hin zum Zusammenbruch, Fähigkeit zur theatralischen Deklamation, etwas Wildes in Aussehen und Handeln: Das wäre etwa eine unvollkommene Umkreisung des Themas.

7
José Cura besitzt tatsächlich von diesen Eigenschaften eines Otellos eine Menge, sein Esultate, (ein Stück, das wie eine komponierte Rache Verdis an allen Tenören klingt) klang noch etwas verhalten und unausgeglichen, sein Tod war aber zuletzt tatsächlich große Klasse, vor allem auch mit Sprachdeutlichkeit vorgetragen. Dazwischen ein langsames Eintauchen in die Partie, gepaart mit entsprechender guter Klangtheatralik, ob in den Ariosi, den Duetten oder dem Zusammenbruch im Dritten Akt. Und natürlich sein Spiel, das lauernd Eruptive, seine zärtlichen Momente, das ekstatische Loslegen. Er besitzt ohne jeden Zweifel jene figürliche Authentizität, die ein Otello benötigt um in der ersten Reihe zu stehen.

8
Seine Partnerin, Dorothea Röschmann glich sich in Spiel und Gesang mit ihren Möglichkeiten dem Bühnengatten an, sie leistete energischen Widerspruch (wie starrte doch Otello sie ungläubig und fassungslos an, als er sie mit seinem A terra auf die Knie zwingen wollte, sie jedoch erst im letzten Moment widerstrebend das Knie beugte), aber auch ihr Gebet im 4.Akt war nicht von jenen Engelstönen begleitet, die, wie wir immer glauben, eine Desdemona für uns bereit zu halten hätte. Statt himmlischer Piani ein “negatives Forte”, wie es Friedrich Herzfeld einmal so bezeichnete.
Der Anwalt des Bösen, der stets verbindliche Jago mit den kriminellen Ansätzen war Carlos Àlvarez, stimmlich überzeugend, aber nicht dämonisch überzeichnend. Neben Georg Zeppenfeld als Lodovico und der Emilia der Christa Meyer war vor allem Benjamin Bernheim ein ausgezeichneter Cassio.

Der Todesengel reicht Otello das Schwert

Der Todesengel reicht Otello das Schwert

9
Es gab rund zwölf Minuten herzlichen Applaus, vereinzelte Buhs bei Röschmann und Cura, aber vor allem lag etwas deutlicher die Ablehnung beim Regieteam.

 

Peter Skorepa
MerkerOnline
Alle Fotos : Osterfestspiele – FORSTER

 

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