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ROM: MANON LESCAUT mit dem Rollendebüt von Anna Netrebko

20.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

ROM/Teatro dell´Opera: MANON LESCAUT – NI am 4.3.2014

 Rollendebut von Anna Netrebko als Puccinis Manon

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Anna Netrebko und Yusif Eyvazov. Copyright: Römische Oper/ Silvia Lelli

 Wenn das Teatro dell´Opera di Roma eine „Manon Lescaut“ von G. Puccini mit Anna Netrebko in der Titelrolle und Riccardo Muti am Pult, hier Ehrendirigent auf Lebenszeit, spielt, tritt es zu Recht aus dem Schatten der Scala di Milano und des Teatro San Carlo di Napoli heraus. Dabei braucht es, was die prunkvolle und dennoch dezente Schönheit seines großen Saales angeht, diese Konkurrenz wahrlich nicht zu fürchten. Vor einigen Jahren sah der Rezensent hier zudem ein äußerst phantasievolles „Rheingold“ mit einem exzellenten dramaturgischen Lichtkonzept. Der Plan, Wagners ganzen „Ring des Nibelungen“, ja sogar seinen gesamten Bayreuther Kanon hier aufzuführen, zerschlug sich später leider an der Kulturpolitik der damaligen Landesregierung. Immerhin gab es noch eine sehr geschmackvolle Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“. Was sich aber an der Tür vor diesem zweiten Abend der „Manon Lescaut“ mit Anna Netrebko abspielte, ist sonst wohl nur selten zu erleben. Selbst die Schwarzhändler trauten sich kaum, ihre Forderungen ungeniert auszudrücken. Von Geld soll man – wenn nicht unbedingt erforderlich – nicht reden, also sei auch hier keine Zahl genannt. Bayreuth würde sich derzeit um ein solches Gerangel um Eintrittskarten sicher freuen…

 Aber es ist in der Tat auch etwas Besonderes, wenn die Netrebko in der immerhin schon 25. Inszenierung an der römischen Oper seit 1894 und damit 120 Jahre nach der Erstaufführung in Rom auftritt, nach Raina Kabaivanska 1988 wohl die erste wirklich prominente Besetzung der Manon von Puccini an diesem Haus. Für die Regie dieser Neuinszenierung zeichnete Riccardo Mutis Tochter Chiara Muti verantwortlich. Sie nahm es weitgehend wörtlich mit Puccinis Regieanweisungen und ließ das Stück in den zeitweilig doch etwas überladen antiquiert und im 2. Akt allzu plüschig anmutenden Bühnenbildern von Carlo Centolavigna und den dieser Ästhetik folgenden historischen Kostümen von Alessandro Lai spielen. Dreispitze und die bekannten langen Umhänge des 19. Jahrhunderts sind Trumpf. Graue bis grausschwarze Töne herrschen in den Bildern vor, die von Vincent Longuemare nicht immer vorteilhaft ausgelichtet werden. Die Wüste des 4. Aktes ist das ganze Stück über zu sehen, selbst noch durch die bühnenhohen Fester des feudalen Salons des Geronte de Ravoir, in dem sich servile Bedienstete um Manons Langeweile bzw. deren Abbau kümmern. Chiara Muti und Carlo Centolavigna wollten damit die trotz aller vordergründigen Opulenz herrschende moralische und gefühlsmäßige Wüste andeuten, die das Stück im allgemeinen und seine Charaktere im Besonderen druchzieht. An sich keine uninteressante Idee, die sich aber optisch nicht zwingend erschloss. Eine akzentuiertere Personenregie hätte möglicherweise das Ihre dazu beitragen können, aber da geriet doch einiges zu stereotyp, war auch häufig Rampensingen angesagt.

 So warteten alle und alles auf  i h r e n  Auftritt. Und da stand sie nach ein paar Minuten des kurzweiligen Vorgeplänkels um Edmondo und seine Freunde in einem Scheinwerfer-Flash grell beleuchtet auf der Bühne – und alles wurde anders, erhielt eine ganz neue Dimension mit diesem Rollendebut der Anna Netrebko. Mit ihrem wunderbar warmen, herrlich leuchtend timbrierten und bestens intonierenden Sopran sorgt sie auf der Bühne für die vokale Entsprechung der unter der ruhigen und bestimmten Hand von Riccardo Muti so wunderbar ertönenden Puccinischen Klänge aus dem Graben. Das war musikalische Vollendung pur. Klar ist zu hören, dass die Netrebko mit ihrer eindeutig schwerer gewordenen Stimme mit dem Weg zu Verdi und nun zu Puccini auf dem richtigen Weg ist. In Salzburg sagte sie ja letzten Sommer, dass auch die Elsa schon fest steht. Man kann sich darüber nur freuen. Zur stimmlichen Brillianz kommt ihr ganz natürliches und in jeder Phase authentisch wirkendes Spiel hinzu. Glaubhaft zeigt Netrebko die Ambivalenz des einerseits an Schmuck und sonstigen Gegenständlichkeiten hängenden und andererseits die unwiderstehliche Liebe zu Des Grieux empfindenden Glamourgirls. Die Duette mit ihm sind auch von immer stärker werdender Leidenschaft gekennzeichnet, hier kommen nun ihre dramatischen stimmlichen Qualitäten eindrucksvoll zum Tragen.

 Der Aserbaidschaner Yusif Eyvazov, der am Konservatorium in Moskau studierte, hat als Annas Liebhaber stimmlich nicht allzu viel entgegenzusetzen. Das Fehlen von Italianità kann man ihm sicher nicht vorwerfen, aber die Stimme verfügt einfach nicht über die Klangschönheit, um mit der Netrebko harmonieren zu können. Sein Spiel ist zudem von allzu starker Stereotypie geprägt, so dass die Liebesbeziehung nie überzeugen konnte. Allein Giorgio Caoduro als ihr Bruder Lescaut hat mit seinem gut geführten und wohlklingenden Bariton das Zeug zu vokaler Begegnung auf Augenhöhe und legt seine Darstellung der Rolle auch sehr geschickt an. Man glaubte ohnehin, dass das, was die SängerInnen auf der Bühne machen, vor allem ihrer eigenen Initiative entsprang. Carlo Lepore ist ein nachdrücklicher, etwas polternder Geronte de Ravoir, Alessandro Libertadore ein gefällig singender, agiler Edmondo. Die weiteren Nebenrollen blieben insignifikant. Der Chor des Teatro dell´Opera war von Roberto Gabbiani gut einstudiert und auch ansprechend choreographiert.

Nach der wenige Tage zuvor an der Staatsoper unter den Linden in Berlin gehörten „Tosca“ war diese „Manon Lescaut“ unter der versierten Stabführung von Riccardo Muti und in diesem italienischen Ambiente musikalisch nahezu ein Offenbarung. Gefühlvoll leitete er die Musiker des Orchestra del Teatro dell’ Opera durch das Stück, ließ ihnen den nötigen Atem, um die ganze Süße der relevanten Szenen auszudrücken, setzte aber auch dramatische Akzente wie bei der Tragik im 4. Akt. Das Vorspiel zum 3. Akt gehört mit zum Besten, was der Rezensent je in Sachen Puccini live hören konnte. Das sich langsam aufbauende Crescendo bis zum musikalische Gipfelpunkt und das allmähliche Verebben bis in die Unhörbarkeit war Musik aus einer anderen Welt – nein, das war emotionale Vollendung musikalischen Ausdrucks!                                                              

(Fotos in der Bildergalerie)

 Klaus Billand                                                                                                           

                                                     

 

 

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