Interview mit Roberto Paternostro, dem Dirigenten des ColónRing am Teatro Colón, Buenos Aires, nach der Premiere am 28.11.2012
Nach der Götterdämmerung beim Schlussapplaus: Roberto Paternostro
Nach der Premiere des ColónRing am 27. November am Teatro Colón konnte ich den am Vorabend gefeierten Dirigenten der Erstaufführung der von Cord Garben konzipierten Kurzfassung von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in seinem Hotel in Buenos Aires interviewen.
Wie kam er in die Produktion?
Paternostro war in Berlin bei der Echo-Verleihung. Er bekam den Echo für die ARS-Aufnahme des von ihm geleiteten Orchesterkonzerts mit dem Israel Chamber Orchestra am 26. Juli 2011 im Rahmen der Bayreuther Festspiele (im Merker rezensiert). Es erreichte ihn ein last minute call, ob er die musikalische Leitung des ColónRing übernehmen würde. In Tel Aviv kurz darauf sagte er zu. „Für Wagner würde ich wohl zum Mond fliegen!“ kommentiert er mit Begeisterung die Gelegenheit, am legendären Teatro Colón an dem Pult zu stehen, von dem aus Erich Kleiber, Otto Klemperer, Felix Weingartner („Ring“-EA am Colón 1922) einst dirigiert hatten. Er war beeindruckt, das er bei der ersten Probe gleich am 25. Oktober die erforderlichen Instrumente und auch die SängerInnen zur Verfügung hatte. Er fand gute Bedingungen für die musikalische Arbeit vor. Es gab auch gleich ein Gespräch mit Valentina Carrasco über das Regiekonzept. Sie kam nur ein paar Stunden nach ihm an. Die von Cord Garben gekürzte Partitur bekam Paternostro in Buenos Aires zum ersten Mal zu Gesicht. Daraufhin sprach er mit Carrasco über einige Striche, und als wesentliche Änderung kam heraus, dass „Das Rheingold“ wieder vor die „Walküre“ gestellt wurde und auch mit dem Vorspiel beginnt. Weitere Änderungen konnte man auch allein schon aufgrund der damit nötig werdenden Arbeit des Umschreibens der Einzel-Partituren für die Musiker gar nicht durchführen.
Wie sieht er das Orchesta Estable des Colón?
Das Orchester hat bekanntlich seit vielen Jahren keinen gesamten „Ring“ mehr gespielt. Das letzte Mal war eine „Walküre“ unter Charles Dutoit 2005. Mittlerweile sind sehr viele junge Musiker hinzugekommen. „Angesichts dieser Tatsachen ist das Orchester des Colón am Tag der Premiere über sich hinaus gewachsen.“ Die wenigen Hornschmisse waren auch dadurch bedingt, dass der 1. Hornist durch Striche nicht die normalerweise zu Verfügung stehende Erholungszeit hatte. Sicher ein wesentlicher Aspekt, den man bei einer zu erwartenden Überarbeitung der Striche bedenken muss (Anm. d. Verf.). Gerade auf die Hörner, Tuben und Posaunen kommt viel zu bei Wagner, und es sind alles junge Argentinier, die sie hier sehr gut blasen.
Wie kam er als erfahrener „Ring“-Dirigent mit den Strichen in der Partitur zurecht?
Aus Gewohnheit hat er an gewissen Stellen, an denen ein Strich gesetzt war, zu Beginn der Arbeit weiterdirigiert, aber das wurde recht schnell besser. Einige Stellen, an denen Striche gemacht wurden, funktionieren auch sehr gut, andere weniger oder gar nicht. Ob Paternostro das noch einmal so spielen würde, kann er heute nicht sagen. Ihn hat besonders auch das Teatro Colón bei diesem Engagement gereizt, und er glaubt, dass dieser ColónRing für das Haus eine der wichtigsten Produktionen seit langem war.
Wie findet er das Regie-Konzept?
Er fand das Bühnenbild vor, als er kam und konnte sich schnell damit anfreunden. Das Konzept von Valentina Carrasco mit seinem Bezug auf die jüngere argentinische Geschichte hält er für eine gute Idee. Besonders schöne Momente gab es im „Siegfried“ mit dem lebenden Wald, und auch die Lichtregie von Peter van Praet findet er ausgezeichnet. Die Sängerbesetzung hält Roberto Paternostro für sehr niveauvoll.
Und wie hat er sich konditionell für ein Dirigat von fast 9 Sunden fit gehalten?
In den Pausen gab es Bananen, ein bekanntes US-amerikanisches Erfrischungsgetränk, und Wasser, leichte Entspannung ein wenig Reflektieren mit einem Assistenten, aber den Blick fest auf das nächste Stück gerichtet – kein Schlaf. „Je länger man es machte, umso mehr entwickelte sich eine Eigendynamik.“ Es hat Roberto Paternostro offensichtlich sehr gefreut, dass er bei seinem Colón-Debut mit dem Orchester so bejubelt wurde. Das war für ihn wohl ein ganz bedeutender Abend in seiner Karriere.
Klaus Billand
Roberto Paternostro beim Schlussapplaus im Teatro Colón. Foto: Klaus Billand