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RETZ/ Festival Adolph Hasse DIE PILGER als Kirchenoper

Ein veropertes Oratorium vermag musikalisch zu überzeugen

13.07.2018 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Die Pilger und die „gefesselte“ Bernarda Bobro Foto C Claudia Prieler

Festival Retz/Stadtpfarrkirche St. Stephan: DIE PILGER von J.A. Hasse

12.7.2018         Von Manfred A. Schmid

Ein veropertes Oratorium vermag musikalisch zu überzeugen

Das Genre der „Kirchenoper“ ist relativ jung und eigentlich erst im 20. Jahrhundert – u. a. von Benjamin Britten („The Prodigal Son“ ) – begründet worden. Da aber der Carinthische Sommer seit 1974 immer wieder Aufträge für Kirchenopern vergibt, die dort zur Aufführung gebracht werden, gibt es inzwischen schon eine respektable Liste einschlägiger Werke. In den letzten Jahren hat sich mit Retz ein weiterer „Hotspot“ für die Pflege dieses Genres entwickelt. So konnte im Vorjahr mit der Uraufführung von Christoph Ehrenfellners „Judas“ ein veritabler Erfolg erzielt werden.

Wenn es darum geht, in der Vergangenheit Vorläufer dieser Gattung ausfindig zu machen, landet man unweigerlich bei der ehrwürdigen Tradition der Oratorien. Dominierend dabei natürlich die Barockzeit, aber auch die italienischen Oratorien von Haydn („Il ritorno di Tobias“) und Mozart („Betulia liberata“) wurden – anlässlich einer Ausstrahlung im Schweizer Radio SFR beispielsweise – schon als „Kirchenopern“ tituliert, allerdings mit einem Fragezeichen versehen. Wenn es freilich um die Frage nach einem Handlungsablauf geht, der die Bezeichnung „Oper“ erst so richtig sinnvoll machen würde, eignen sich viele Oratorien nur bedingt oder gar nicht für eine szenische Umsetzung.

Und das ist auch das Problem beim diesjährigen Retzer Versuch, aus Johann Adolph Hasses Oratorium „I Pellegrini al Sepolcro di Nostro Signore“ eine Kirchenoper namens „Die Pilger“ zu machen. Im Original geht es um Pilger, die sich in Jerusalem auf dem Weg nach Golgotha (und damit zur Grabeskirche) machen und dabei in Betrachtungen und erbaulichen Reflexionen am Leidensweg Jesu teilnehmen. Szenisch gibt das nicht viel mehr her als eine Steh- und Geh-Geschichte, auch wenn die vom musikalischen Leiter des Festival Retz, Andreas Schüller, gemeinsam mit Monika Steiner erstellte Spielfassung versucht, die fünf Solisten biographisch in der Gegenwart zu verorten und sie in zwischenmenschliche Begegnungen bis hin zu Konflikten tätlicher Natur zu versetzen. Das wirkt zum Teil zu konstruiert, insgesamt aber wohl doch zu unergiebig und bleibt daher redundant. Pilgern in der Via Dolorosa ist eben keine „Viaggio a Reims“. Da war die für die Regie verantwortliche Monika Steiner von Vornherein auf verlorenem Posten.

Dass das Dargebotene dennoch nicht fad wird, sondern zu fesseln vermag, liegt einzig und allein an der Musik des „divino Sasso“ Hasse und an der überzeugenden Umsetzung durch das bewundernswerte Gesamtensemble. Hasses Partitur wurde von Schüller mit Chören aus anderen Werken aus dessen Feder erweitert. Das ist im Sinne der Tradition im Barock durchaus legitim. Ob das dadurch entstandene „Pasticcio“ damit den Anspruch einer “Retzer Fassung“ erfüllt, wie im Programmheft zu lesen ist, bleibe dahingestellt.

Die fünf Solisten– Bernarda Bobro (ihre aus New York stammende Eugenia, Sopran, sucht in Jerusalem nach ihren jüdischen Wurzeln), Manuela Leonhartsberger (als Eugenias Brieffreund Albino ein palästinensischer Christ aus Ostjerusalem, Mezzosporan), Ursula Langmeyer (als Ordenschwester Agapita, Sopran), Nicholas Spanos (als griechischer Theologiestudent, der auf hoher See knapp einer Katastrophe entronnen ist, Countertenor) und Stefan Zenkl (als Abt Guida der spirituelle Führer auf dem Pilgerweg, Bariton) – leisten ganze Arbeit und wurden vom Publikum zu Recht gefeiert. Gut auch der Chor, das TERPSICHOREvocalensemble und das Orchester Ensemble Continuum. Dirigent Andreas Schüller weiß die akustisch idealen Gegebenheiten des Retzer Kirchenraums optimal auszunützen und sorgt umsichtig und einfühlsam für ein Hörerlebnis erster Güte. Und das ist eine Reise nach Retz allemal wert.

Manfred A. Schmid – OnlineMERKER

Weitere Vorstellungen am 14., 20., und 22. Juli.

 

 

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