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REGENSBURG: TRISTAN UND ISOLDE – Neuinszenierung

23.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

REGENSBURG: TRISTAN UND ISOLDE – Neuinszenierung am 3.10.2014

Unbenannt
Dara Hobbs als Isolde mit Vera Egorova als Brangäne, 1. Aufzug, Foto: Jochen Quast

 Auch wenn Richard Wagner mit seiner „Handlung in drei Aufzügen“, wie er sein Musikdrama „Tristan und Isolde“ bescheiden nannte, die Absicht hatte, aufgrund vermeintlich unproblematischer Aufführungsanforderungen (u.a. nur zwei ganz große Sängerpartien) schnell an das damals dringend benötigte Geld zu kommen, stellt eine Inszenierung und Besetzung dieses Stücks auch für ein kleines Mehrsparten-Haus wie das Theater Regensburg eine enorme Herausforderung dar. Es darf sich dabei allerdings in bester Gesellschaft wähnen, denn die für 1863 an der Wiener Hofoper geplante UA wurde bekanntlich wegen vermeintlicher Unaufführbarkeit des Stücks nach 77 Proben abgesetzt. Nun ja, dennoch muss auch ein kleines Haus die stimmlichen Mindestanforderungen, die die großen Partien einfach stellen, im Auge haben. Zumindest die Zweitbesetzung dieser Neuproduktion durch die Holländerin Lotte de Beer und das unorthodoxe Ausstatterteam Clement & Sanôu (Bühne, Kostüme und Lichtdesign) erfüllte diese nicht bzw. nur zu einem unzureichenden Teil.

 Kommen wir aber zunächst zum erfreulichen Aspekt dieser Neuinszenierung, dem Regiekonzept von Lotte de Beer mit dramaturgischer Unterstützung von Christina Schmidt und dem daraus zwingend abgeleiteten Bühnenbildkonzept von Clement & Sanôu. Lotte de Beer war dem Rezensenten bereits 2012 an der Stadsshouwburg in Amsterdam durch eine exzellente Regiearbeit der Auftragsoper „Waiting for Miss Monroe“ der Nederlandse Opera in Koproduktion mit dem Holland-Festival aufgefallen, die von der New York Times das Prädikat „herausragend“ bekam. Damals arbeitete de Beer auch mit Clement & Sanôu zusammen. Diese bebilderten vor wenigen Jahren übrigens Puccinis „La Bohème“ am Theater an der Wien.

 In Regensburg greift das Regieteam Wortbilder aus dem Stück auf und schafft einen Raum, der von Dunkel und Licht lebt. Das Geschehen dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine zentrale Bühnenbox, die sich selbst ebenfalls dreht und deren Innenleben flash-artig Szenen aus der Vorgeschichte zeigt und den aktuellen Handlungsstrang bildlich kommentiert. Da ist beispielsweise die Erschlagung Morolds durch Tristan, der anschließende Empfang seines blutenden Hauptes durch Isolde in Irland zu sehen, die Heilung von Tristans Wunde durch Isolde, der berühmte Blick, aber später auch ein echter „Quickie“ von Tristan mit Isolde im Stehen vor dem Eintreten Markes und Melots, den man so sicher bei in erster Linie sängerisch engagierten KünstlerInnen nicht erleben würde… Immerhin, hier fand der Verrat an Marke auch physisch sichtbar statt. Ständig wechseln in der Box Hell („Sichtbarkeit des Irrealen“) und Dunkel („Zurück zur Realität außerhalb der Box“), wo wie zur Unterstreichung der Bedeutungsschwere dessen, was in der Box passiert und sich auf die Realität auswirkt, die Kostüme durch strenge mittelalterliche Ästhetik protzen. So werden Tristan und Isolde von den optisch Wagners Ideal sicher nahe kommenden Doubles Alexander Benedikt und Michelle Völkl verkörpert. Freilich erinnert die rotierende Bühnenbox stark an jene in Peter Konwitschnys Stuttgarter Inszenierung der „Götterdämmerung“ – immerhin begann Lotte de Beer ihre Karriere als seine Meisterschülerin. Die Idee, die sie mit der Parallel-Handlung in der Box verfolgt, besteht darin, die scheinbaren Gegensätze von Leben und Tod aufzuheben, dabei Text und Regieanweisungen Wagners folgend. Die Geschichte wird so aus einer Retrospektive, aus einer Zwischenzeit zwischen Leben und Tod erzählt, wie es die Dramaturgin im Programmheft formuliert.

 Das gelingt über weite Strecken durchaus eindrucksvoll und schlüssig. Allein, nachdem Tristan sein Leben im 3. Aufzug ausgehaucht hat, wird die Stimmigkeit des Konzepts in seiner letzten Konsequenz fragwürdig. Es wirkt skurril und selbst nach diesem Konzept unverständlich, wenn er sich mit Isolde, denn beide leben hier folgerichtig bis zum Schluss weiter – nach de Beer ist der Gegensatz von Leben und Tod ja aufgehoben – ausgiebig mit der Double-Leiche Tristans befasst… Zum (gleichwohl) symbolischen irdenen Tod tauscht das „ewige“ Liebespaar lediglich das weiße Unschuldsgewand gegen ein aschgraues und „entschwebt“ auf das Dach der Bühnenbox – nun optisch über dem Geschehen stehend bzw. sich final abhebend. Das war, wenn auch gut gemeint, in der dramaturgischen Umsetzung nicht mehr ganz nachvollziehbar, wie so oft bei aller konzeptionell inhärenten Logik auch bei Inszenierungen von Peter Konwitschny. Das trübte die Wirkung der über fast drei Aufzüge interessant gestalteten Doppel-Dramaturgie am Ende doch bedenklich.  

Unbenannt
Adam Kruzel als Kurwenal und Matthias Ziegler als Hirt, 3. Aufzug, Foto: Jochen Quast

Wichtigste Sänger trugen nicht gerade das Ihre dazu bei, diesem optisch wie dramaturgisch bemerkenswerten Regiekonzept das wünschenswerte musikalische Leben einzuhauchen. Der Russe Mikhail Gubsky, geboren in Magnitogorsk und u.a. mit Rollen wie Lenski, Golytsin („Chowantschina“), Vaudemont („Iolanta“), Lykov („Die Zarenbraut“), Riccardo („Ein Maskenball“) und Macduff unterwegs, war als Tristan eine glatte Fehlbesetzung. Mit einem unschönen Timbre ausgestattet, fehlt es an Technik, sauberer Intonation und guter Phrasierung – von einer Legatokultur und Wortdeutlichkeit ganz zu schweigen. Es wird fast immer der gleiche Ton produziert, manchmal nasal oder gequetscht, die Rolle ungewohnt unemphatisch abgesungen. Auch mimisch konnte Gubsky die Partie nicht über die Rampe bringen. Oft glaubte man annehmen zu müssen, er wisse gar nicht, was er gerade singt. So ergab sich eine bisweilen skurril wirkende Dichotomie mit dem mimisch exzellent agierenden und auch allen optischen Ewartungen an den „Helden Tristan“ entsprechenden A. Benedikt als Tristans Double.

 Jane Irwin, die neben Dara Hobbs, die in Minden vor einem Jahr als Isolde glänzte, hier die Zweitbesetzung der Rolle war, ließ sich in England zunächst als Mezzosopranistin ausbilden und wechselte 2009 ins Sopranfach. Was Wagner betrifft, fiel sie bisher eher mit Rollen auf, die nicht unbedingt an die Isolde denken lassen, wie Waltraute in der „Götterdämmerung“ und Brangäne an der San Francisco Opera, der English National Opera und an der DOB, daneben auch die Marie im „Wozzeck“. Dass es mit einem Wechsel vom Mezzo- ins hochdramatische Sopranfach nicht leicht ist, bewies vor kurzem der entsprechende Versuch von Violetta Urmana. Bei Jane Irwin sind die naheliegenden Schwächen klar zu hören. Durch ihren Mezzo-Hintergrund mit einem klangschönen und besonders in der Mittellage warmen und charaktervollen Timbre ausgestattet, gestalten sich die Höhen, die die Isolde nun einmal auch verlangt, immer wieder angestrengt. Die Stimme verliert in den dramatischen Spitzentönen an Klangfülle und Resonanz. Irwin spielt die Rolle jedoch mit großer Empathie und Intensität und wirkt bei diesem Tristan-Partner dabei des Öfteren wie auf verlorenem Posten.

 Vera Egorova beginnt als Brangäne mit ihrem etwas metallischen, hellen Mezzo recht gut und singt auch die beiden Rufe im 2. Aufzug durchaus klangvoll. In diesem Aufzug ist ihr dennoch die Kraftanstrengung der Partie anzumerken. Offenbar liegen ihr die langen Bögen, wie die Rufe, besser als der Dialoggesang mit Isolde. Egorovas Vortrag bekommt im 2. Aufzug immer mehr den Charakter eines Sprechgesangs. Adam Kruzel, wer hätte das gedacht, war die stimmliche Überraschung des Abends! Der Ensemblesänger sang den Kurwenal mit einer Intensität, einer Diktion und einem stets gesanglich exzellent geführten und wohl timbrierten Bariton, wie geschaffen für diese Rolle. So einen Kurwenal sollte sich jedes große Haus wünschen. Er wäre auch ein guter Posa, Jago und Telramund. Gerechterweise bekam Kruzel auch herausragenden Beifall. Mario Klein als Marke war hingegen eine weitere stimmliche Enttäuschung. Er „sang“ den langen Monolog mit einer klanglosen, schlecht geführten, halslastigen sowie höhenunsicheren Stimme und konnte damit die Bedeutung dieses so wichtigen Innehaltens im „Tristan“ nicht vermitteln. Matthias Wölbitsch war ein unauffälliger Melot, Cameron Becker sang die Stimme des jungen Seemanns gefällig, und Matthias Ziegler war ein ansprechender Hirt. Tobias Hänschke gestaltete den kurzen Auftritt des Steuermanns. Der von Alistair Lilley einstudierte Herrenchor des Theaters Regensburg sang seine kurzen Auftritte prägnant und engagiert.

Tetsuro Ban stand am Pult des Philharmonischen Orchesters Regensburg und schaffte einen ansprechenden Wagner-Klang, der angesichts der doch geringen Erfahrung dieses Ensembles mit dem Werk des Bayreuther Meisters für das relativ kleine Haus beeindruckend war. Immerhin saßen nur etwa 60 Musiker im Graben. Dafür war die musikalische Leistung einer der ganz großen Pluspunkte dieser Regensburger „Tristan“-Inszenierung, die sehr gewinnen könnte, wenn Dara Hobbs einen geeigneten Tristan als Partner bekäme…

Weitere Aufführungen im November, Dezember und Januar, und im Dezember-Heft wird dann davon zu lesen sein…                                                                   

Klaus Billand                                                                                                           

                                                                                         

 

 

 

 

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