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Peter EDELMANN: Auf der Bühne zu stehen, ist einfach das Größte!

30.01.2014 | Allgemein, INTERVIEWS, Sänger

Peter Edelmann – „Auf der Bühne zu stehen, ist einfach das Größte!“

(von Renate Publig)

 Unbenannt

Natürlich ging es im Gespräch mit Peter Edelmann zunächst um die persönliche Laufbahn des Baritons; Ein weiterer Fokus lag auf der Frage, was sich für Sänger im Laufe der Zeit verändert hat, ein Thema, in das Edelman einerseits als Sohn eines berühmten Opernsängers, auf der anderen Seite als Gesangsprofessor an der Musikuniversität einen besonderen Einblick hat.

 Herr Edelmann, Sie sind durch Ihren Vater, den berühmten Bass Otto Edelmann sehr früh mit Oper in Berührung gekommen?

P.E.: Als Teenager hörte ich natürlich auch gerne die Beatles oder Elton John, habe mich jedoch bald der Klassik zugewandt. Mein Vater ließ mich als 17Jähriger ein paar Töne singen, um die Qualität der Stimme zu überprüfen, er hat mir zunächst das Singen beigebracht. In dieser harmonischen Zusammenarbeit habe ich einen sehr sorgsamen, disziplinierten Umgang mit der Stimme gelernt.

 Wie ging es danach weiter?

P.E.: 1985 fing ich in Coblenz an, einem kleinen Theater, wo eine Produktion rund 20mal gespielt wurde, was einem einen guten Einblick in das Werk, in die Partie gibt. Heute studiert man eine Rolle, dann gibt es vier bis fünf Vorstellungen, das ist natürlich zu wenig, um eine Rolle wirklich zu lernen.

 Sie haben dann 1989 den Belvedere-Wettbewerb gewonnen.

P.E.: Eigentlich wollte mein Vater gar nicht, dass ich teilnehme, damals waren Wettbewerbe für das berufliche Weiterkommen nicht notwendig. Das hat sich geändert, in der heutigen Generation kommt man ohne Erfolg bei Wettbewerben fast nicht zu einem Engagement!

 Viele Teilnehmer erzählen vom Stress bei Wettbewerben?

P.E.: Nun, auf Stress sollte man während der Ausbildung an der Uni vorbereitet werden, denn der Stress beginnt ja bereits mit dem Vorsingen bei den Aufnahmeprüfungen, wenn von 300 KandidatInnen nur zwölf aufgenommen werden.

 Nach dem Wettbewerb erhielten Sie 1990 von Götz Friedrich eine Ensemblestelle an der Deutschen Oper Berlin. In wieweit hatten Sie als Ensemblemitglied Mitspracherecht bei der Rollenauswahl?

In Coblenz habe ich jedes Jahr fünf Premieren gesungen, also bin ich mit 25 Partien, die gut geprobten waren, nach Berlin gekommen. Ich konnte durchaus anregen, eine neue Partie auszuprobieren, interessanterweise kamen die Angebote jedoch von der Seite der Direktion! Öfters musste ich eine Partie ablehnen, weil sie noch zu schwierig war.

 Ist es ein Vorteil, in einem Ensemble immer wieder mit den gleichen KollegInnen zu arbeiten?

P.E.: Es ist ein großer Vorteil, den Grundstock des Ensembles zu kennen. Zu meiner Zeit waren Peter Seiffert, Eva Johansson oder Clemens Bieber im Berliner Ensemble, Barry McDaniel sang jahrzehntelang den Papageno. Bei der Neuproduktion erhielt ich diese Rolle, worauf er beschloss, den Priester zu singen, das fand ich sehr nett. McDaniel sang in der Wiener Staatsoper den Harlekin in Ariadne, jene Produktion, in der Edita Gruberova ihren Durchbruch als Zerbinetta hatte. Und er erzählte: „Damals wurde mir das Sacher noch bezahlt!“ Das waren andere Zeiten. In Italien muss man sich die Reisen mittlerweile selbst zahlen, die Wohnung sowieso. Als mein Vater an der MET auftrat, ist die ganze Familie Erster Klasse geflogen.

 Hatten die Opernhäuser früher mehr Geld?

P.E.: Nein, nicht unbedingt, aber die Sänger wurden mehr hofiert. Heute ist das alles mehr „Business“. Mein Vater hatte seine erste Fahrt nach Amerika noch mit dem Schiff gemacht, nach einer Woche kam er ausgeruhtest in den Staaten an. Ich bin einmal um acht Uhr in Tokyo angekommen und hatte um zehn Uhr Orchesterprobe. Natürlich hätte ich ablehnen können, aber dann verdiene ich nichts.

 2001 sind Sie als freischaffender Künstler nach Wien zurückgekommen. Welche Vor- und Nachteile hat es, Ensemblemitglied bzw. freischaffender Künstler zu sein?

P.E.: Nach dem Tod von Götz Friedrich gab es einen Intendantenwechsel, da passte es gut, nach Wien zurückzukehren. Meine Kinder kamen in die Schule, und mein Vater ist 2003 gestorben, so habe ich die letzten drei Jahre mit ihm erlebt.

Finanziell ist der große Vorteil als Ensemblemitglied natürlich das regelmäßige Einkommen. In Österreich ist man als freischaffender Künstler ein Ein -Mann-Betrieb, man muss die Sozialversicherung etc. selbst zahlen. Das Einkommen als Freischaffender wechselt klarerweise, man kann man einen Monat sehr viel verdienen, und dann vielleicht zwei Monate gar nichts, da braucht man vor allem starke Nerven. Man kann es sich auch nicht erlauben, krank zu sein, sonst hat man in der Zeit kein Gehalt.

Künstlerisch ist es fordernder, freischaffend tätig zu sein, denn man muss in jeder Produktion, in der man als Gast singt, perfekt sein!

 Sie haben ein sehr breites Spektrum, das in über 90 Partien von Tschaikowsky über Verdi, Wagner, Strauss, Mozart bis zu Orff und Zemlinsky reicht, außerdem singen Sie Operette, Lied, Wiener Lied – braucht man eine bestimmte Gesangstechnik, um ein derart breites Spektrum abdecken zu können?

P.E.: In Steyr habe ich auch in „My Fair Lady“ den Higgins gespielt, da mischt man natürlich ein bisschen Sprechgesang darunter, man singt die Partie nicht mit voller Kraft, weil man ja mit Mikrofon verstärkt wird. Man singt aber sehr wohl mit voller Stimme. Viele sagen abwertend, dass in Mörbisch Mikrofon eingesetzt werden – das stimmt, aber Mikrofone verstärken lediglich, sie können nicht die Qualität einer Stimme verändern.

Im Disneyfilm „The Beauty and the Beast“ habe ich in der deutschen Synchronfassung den Gaston gesungen. Das Studio hat überlegt, dass ich auch gleich die Dialoge synchronisiere, aber ich habe dem Team dann doch zu wienerisch gesprochen.

Natürlich kann man nicht an einem Tag den Wolfram singen und am nächsten Tag einen Liederabend, da braucht man dazwischen Pausen. Doch hat mir schon mein Vater beigebracht, dass man alles mit „seiner“ Stimme singen muss, dass man nicht künstlich färben darf. Dazu muss man seine Stimme, sein Timbre erst einmal finden!

 Oft kann sich das Publikum oft gar nicht vorstellen, welchen Belastungen ein Sänger ausgesetzt ist.

P.E.: Vor und nach einer Vorstellung, also die Disziplin, das ganze Üben und Lernen, das ist belastend. Man muss immer fit sein, ist oft weg von der Familie. Und dennoch ist es der schönste Beruf der Welt. Wenn man auf der Bühne steht, ist das einfach das Größte!

 Hat man, wenn man als Sänger auf der Bühne steht, die Zeit und den „Kopf“, in diesem Augenblick eine besonders schöne Musik oder einen besonders harmonischen Zusammenklang zweier Stimmen zu genießen?

P.E.: Das kommt nicht oft vor, aber wenn es passiert, dann ist das eigentlich die Erfüllung. Wenn man zum Beispiel als Marcello im dritten Akt in der Bohème quasi Stichworte gibt und es einen „reißt“, weil die Mimi so berührend singt!

 Früher wurden in den Rezensionen die Sänger viel ausführlicher behandelt, heute wird oft viel über die Regie, ein bisschen über den Dirigenten, und relativ wenig über die Sänger berichtet.

P.E.: Dabei ist die Situation in Wien noch vergleichsweise gut, in anderen Ländern werden die Sänger viel weniger beachtet. In Wien werden Sänger noch sehr verehrt, auch die Sänger der früheren Generationen. Die „Freunde der Wiener Staatsoper“ laden auch noch Sänger der letzten und vorletzten Generation zu Gesprächen ein. Die haben ja auch viel zu erzählen!

 Sie unterrichten mittlerweile an der Musikuniversität Wien. Was hat sich in drei Generationen in der Gesangstechnik getan, was hat sich in dieser Zeit für Sänger verändert?

P.E.: Mittlerweile stehen tatsächlich meine ersten Studenten im Engagement!

Die klassische Gesangstechnik an sich ist gleich geblieben, aber es hat sich vor allem in darstellerischer und in körperlicher Hinsicht einiges verändert, was auf Opernbühnen verlangt wird. Als ich Elisabeth Schwarzkopf einmal schilderte, was heute von jungen Sängern gefordert wird, meinte sie: „Ja sagt’s doch, dass ihr das nicht macht!“ Das konnte man sich wahrscheinlich damals erlauben. Heute macht man entweder mit, oder man singt in der Produktion nicht. Das kann man sich aber besonders als junger Sänger nicht leisten.

Es fällt mir schwer, zu sagen, was sich sängerisch verändert hat. Man kann natürlich Aufnahmen von früher und von heute vergleichen, da muss man jedoch zunächst die Aufnahmetechnik bedenken. Heute kann mit Computer jeder einzelne Ton geschnitten werden, während Enrico Caruso einmal in diesen Trichter gesungen hat, und das ist auf die Wachsplatte aufgenommen werden.

Man kann nicht sagen, ob es besser oder schlechter geworden ist, und in fünfzig Jahren wird man über heute von den „guten alten Zeiten“ sprechen! Der Stil ändert sich, früher hat man zum Beispiel viel mehr auf Konsonanten geachtet. Und da man früher viel weniger gesungen hat, waren die Stimmen vielleicht natürlicher und gesünder.

 Manchmal hört man die Kritik, dass es heutzutage kaum noch Sänger „wie früher“ gibt.

P.E.: Damit meinen die Leute, dass es weniger Sängerpersönlichkeiten gibt. Eine Persönlichkeit kann sich jedoch nur dann zeigen, wenn der Sänger sie ausspielen darf. Regisseure haben meist ein fixes Konzept – oft denkt man als Sänger, man hat die falsche Rolle gelernt! Gute Regisseure hingegen lassen zu, dass sich die Sängerpersönlichkeit entfalten kann. Götz Friedrich meinte zu mir über Wolframs Auftritt im dritten Akt Tannhäuser: „Pass auf, du kommst, dir ist kalt, das Leben ist scheiße, du willst die Elisabeth, aber du kriegst sie nicht.“ Er gab einem mit ein paar präzisen Anweisungen einen Rahmen, in dem man sich entfalten konnte.

 In wieweit ist die Wahl der Rollen für die Entwicklung der Sängerpersönlichkeit maßgeblich?

P.E.: Es gibt natürlich Rollen, die dem eigenen Naturell entgegenkommen. Ich hatte aber stets mehr Spaß an Rollen, die meinem Wesen nicht entsprochen haben. Harald Serafin hat mich zum Beispiel für Mörbisch als seinen ersten Danilo engagiert, mit dieser Figur habe ich nichts gemeinsam, daher musste ich mich sehr mit der Gestaltung der Partie beschäftigen, da wächst man anders hinein! Für den Papageno muss ich mich nicht verstellen. Vielleicht ist man da andererseits wieder lockerer.

Stimmlich ist die Wahl der Rollen natürlich sehr entscheidend. Luciano Pavarotti meinte einmal: „Man macht Karriere mit Nein-sagen!“ Das ist besonders für junge Sänger sehr schwierig, die wollen natürlich auftreten!

 Kann man heutzutage „nur“ mit einer guten Stimme, einer guten Technik Karriere machen?

P.E.: Es gibt Beispiele von Karrieren, bei denen alles passt, die Stimme, das Aussehen, die Musikalität, das Künstlertum. Beim Unterrichten muss ich hören, ob der Student einen schönen, freien Ton produziert hat, der gut schwingt und der Oberklänge, der Körper hat. Aber ob die Stimme dann gefällt, ist Geschmackssache, über Stimmen kann man generell geteilter Meinung sein. Das Geheimnis der Stimme ist, dass sie 51% gefallen muss. Arnold Schwarzenegger sagte einmal: „Wenn 51% der Zuseher der Film gefällt, habe ich gewonnen.“

 2005 haben Sie gemeinsam mit Ihrer Frau die Otto-Edelmann-Society gegründet, in der Sie sich sehr für die künftige Sängergeneration einsetzen.

P.E.: Wir möchten eine Schnittstelle sein, um junge Sänger mit abgeschlossener Ausbildung auf Auditions vorzubereiten. Heutzutage muss das sehr professionell gemacht werden, mit Biografie, Foto, ProbeCD, wir versuchen, Kontakte mit Agenten herzustellen und veranstalten Konzerte. Wir bieten auch Vorträge über Rechte und Steuern an, oder darüber, wie man eine Gage verhandelt. Zusammen mit der Musikuniversität Wien organisieren wir die Otto-Edelmann-Singing Competition, die heuer zum zweiten Mal stattfinden wird. Beim ersten Wettbewerb waren 32 Nationen vertreten! Wir sind sehr froh, dass die Universität uns unterstützt, das große Abschlusskonzert mit Orchester findet im Schlosstheater Schönbrunn statt. Für nächstes Jahr suchen wir übrigens noch Sponsoren für Preise …

Der Nachwuchs braucht Hilfe, und die geben wir gerne. Das ist uns ein großes Anliegen!

(Anm: Nähere Informationen gibt es unter http://www.ottoedelmannsociety.com /)

 Und wo kann man Sie in näherer Zukunft hören?

P.E.: Im Sommer spiele ich in Baden in der „Zirkusprinzessin“, danach komme ich voller Energie zu meinen Studenten zurück! Im Herbst werde ich in Innsbruck den Faninal singen, in der Regie von Heinz Zednik, mit dem ich schon in Mörbisch den Zigeunerbaron gemacht habe, darauf freue ich mich sehr.

 Herr Edelmann, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

 

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