Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

PESARO: IL SIGNOR BRUSCHINO

15.08.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

PESARO (Rossini Opera Festival/Teatro Rossini): IL SIGNOR BRUSCHINO (öffentliche Generalprobe)


Foto: Rossini-Festival Pesaro

Einem Vater (Signor Bruschino) wird aufgrund einer Intrige von allen ihn Umgebenden solange weisgemacht, dass ein Wildfremder sein eigentlicher Sohn(Bruschino jr.) sei, dass er kurz davorsteht, dem Wahnsinn zu verfallen (bevor sich natürlich alles aufklärt und die Liebenden, die die Intrige angezettelt haben, zueinander finden).

Das ist in kurzen Worten die Handlung dieses selten gespielten frühen Rossini – Einakters.

Das Rossini Festival in Pesaro hat in einem mutigen Akt die Neuinszenierung dieser Farce der angesagten italienischen Avantgardetheaterperformancetruppe „Teatro Sotteraneo (Unterirdisches Theater)“ anvertraut. Das Regiekollektiv (dass es sowas noch gibt !) siedelte das Stück kurzerhand in einem fiktiven ROSSINILAND an.

Wegweiser führen zu den anderen Attraktionen des imaginären Freizeitparks: Barbiere di Seviglia, GuiglielmoTell, La Gazza Ladra, Cenerentola etc.


Duett. Foto: Rossini-Festival Pesaro.

Und auf einer dieser uns Zuschauern einsichtigen behaupteten Freiluftbühnen wird eben Il Signor Bruschino gegeben, in extrem künstlichen, aber die Entstehungsepoche andeutenden Plastikkostümen und – perücken. Vor staunenden, aber Popcorn fressenden amerikanischen Touristen, gelangweilten Schulklassen und den kulturellen Ausflug zum Schmusen missbrauchenden Liebespaaren.

In diesem stilsicher geschmacklosen Setting jagt ein blöder Regieeinfall einen noch blöderen: Florville pumpt während Arie seiner Liebsten Plastikherzen auf, die vor Überdruck zerplatzen, Gaudenzio kommt auf einem Segway dahergefahren (den er in bewunderungswürdiger Weise beherrscht), der geldgeile Koch schwingt sein blutiges Hackebeilchen und wachelt mit einem blutigen Briefchen, Vater Bruschino hat ein Gipsbein und sagt dauernd „Fa caldo „(„Es ist heiss“, was angesichts der Hitzewelle wie improvisiert wirkte, aber tatsächlich im Text steht), Sofia zersticht eine Voodoo-Puppe von Bruschino sr. mit Nadeln so wie in der bwin-Werbung, ein aufblasbares Sofa droht aufgrund ungleicher Belastung andauernd zu kippen, ein Fremdenführer versucht die Zuschauer zu einer Wilhelm Tell-Aufführung abzuwerben, usw.usf.

Die Sotteraneos pfeifen sich wirklich nix. Und siehe da, was so beschrieben bloss wie eine Folge von Sottisen und überzeichneten Karikaturen wirkt, geht sich auf der Bühne erstaunlicherweise bestens aus. Man haut sich in einem fort ab, zerkugelt sich, bricht fast nieder, und kommt aus dem Lachen von Anfang an eigentlich nicht mehr heraus.

Was an dreierlei Dingen liegt: 1. trifft diese groteske Überzeichnung den farcenhaften Charakter des Werkes sehr gut (schliesslich hat sich ja auch Rossini über das von ihm vorgefunde Genre lustig gemacht) 2. entwickeln die Sotterraneos ihre haasträubenden Gags immer aus dem Geist und vor allem auch dem Rhythmus der Musik heraus und 3. steht ihnen ein grandioses und homogenes Sängerdarstellerinnenenensemble zur Verfügung, das das bösartige Spiel in jedem Moment aus vollem Herzen überzeugt mitmacht.


Finale: Foto: Rossini-Festival Pesaro

Neben den perfekten Althasen-Komikern Carlo Lepore (Gaudenzio) und Roberto de Candia (Vater Bruschino) seien auch die nicht minder überzeugenden romantischen jungen Liebenden David Alegret (Florville) und die entzückende, beseelte in Gestik und Mimik auch den hartgesottensten Vormund betörende Maroa Aleida (Sofia)genannt.

Das alles unter dem Dirigat des aufstrebenden Jungstars Daniele Rustonis, der der verrückten Chose ordentlich Dampf macht.

Ein gelungenes Experiment, bei dem man nur bedauert, das es einaktig ist.

Robert Quitta, Pesaro

 

 

 

 

Diese Seite drucken