Opernrarität in Passau: „Il pirata“ von Vincenzo Bellini (Premiere: 30. 11. 2013)
Die weibliche Hauptrolle in Bellinis „Il pirata“ sang die koreanische Sopranistin Hyun-Ju Park (Foto: Peter Litvai)
Am 30. November 2013 fand am Landestheater Niederbayern in Passau mit der Aufführung der sehr selten gespielten Oper „Il pirata“ von Vincenzo Bellini eine besondere Premiere statt (in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln). Die Uraufführung des Werks fand im Jahr 1827 an der Mailänder Scala statt, in Wien wurde es bereits ein Jahr später gezeigt, in Graz 1830 in deutscher Sprache. In Erinnerung ist mir eine Produktion an der Metropolitan Opera in New York im Jahr 2002.
Der Inhalt der Oper, deren Libretto Felice Romani nach dem Stück „Bertram ou Le pirate“ von Raimond verfasste, basiert auf Charles Robert Maturins Tragödie „Bertram or The Castle of Saint Aldobrand“ aus dem Jahr 1816. Die Handlung, die in Sizilien im 13. Jahrhundert spielt, in Kurzfassung: Gegen ihren Willen wird Imogene gezwungen, Ernesto, den Herzog von Caldora, zu heiraten. Allerdings hofft sie, durch diese Verbindung ihren Vater vor dem Tod zu retten. Als ihr Geliebter Gualtiero , der Graf von Montaldo, der in der Fremde zum Seeräuber wurde, zurückkehrt, kommt es zwischen den beiden Männern zum Zweikampf, bei dem Imogenes Gatte getötet wird. Gualtiero wird angeklagt und zum Tod verurteilt, worauf Imogene den Verstand verliert.
Die Inszenierung der Passauer Produktion schuf das Ensemble „Controluce Teatro d’Ombre“, das 1994 in Turin gegründet wurde, als der Maler Jenaro Meléndrez Chas und die Musiker Cora De Maria und Alberto Jona ihre gemeinsame Leidenschaft für das Theater entdeckten. Dazu ein lesenswertes Zitat aus dem Programmheft: „Die ursprüngliche Idee war, die Musik, abstrakte Malerei und das orientalische Schattentheater mit Marionetten in einem künstlerischen Projekt zu verbinden, das sich schnell in zwei Richtungen entwickelte – eine hin zum Figurentheater, das ein erwachsenes Publikum anspricht, eine andere hin zum Musiktheater.“
Die perfekte Zusammenarbeit des Ensembles (Regie: Alberto Jona, Regiemitarbeit: Jenaro Meléndrez Chas, Schattenprofile: Cora De Maria) führte in Passau zu einer atmosphärisch dichten Inszenierung mit spektakulären Bildern, die vor allem auf die Schattenspiele zurückzuführen waren, bei denen auch die Tänzer Bernadette Leitner, Samuel Calas und Alekszandr Szivkov (Choreographie: Eva Simmeth) eine bedeutende Rolle innehatten. Einzige Requisiten auf der Bühne waren große Tücher, die auf raffinierte Art das Meer, einen Sturm, aber auch den Palast symbolisierten.
Der spektakuläre Zweikampf zwischen Ernesto (Michael Mrosek) und Gualtiero (Eric Vivion-Grandi) in Bellinis „Il pirata“ in Passau (Foto: Peter Litvai)
Imogene, die weibliche Hauptrolle, wurde von der koreanischen Sopranistin Hyun-Ju Park dargestellt, die bis auf ihre schrillen Spitzentöne den Belcanto-Stil von Bellini gut traf. Ausgezeichnet sang sie am Schluss die Wahnsinnsarie, wofür sie vom Publikum verdienten Szenenapplaus erhielt. Ihren Ehemann, den Herzog von Caldora, gab der deutsche Bariton Michael Mrosek mit ausdrucksstarker lyrischer Stimme. Auch er bekam immer wieder Szenenbeifall.
Leider schien der Darsteller der Titelrolle, der französische Tenor Eric Vivion-Grandi, von starker Premierennervosität befallen. Obwohl in Italien als Bellini-Interpret erfolgreich, wirkte er als Gualtiero unsicher und in der Höhe gepresst. Man litt mit ihm mit. Nach der Pause konnte er als Anführer der Piraten besser gefallen. Dass er stets nur von der Rampe ins Publikum sang, mag an der Regie gelegen haben. Der koreanische Bariton Young Kwon als sein ehemaliger Erzieher Golfredo wartete hingegen mit prächtiger, dunkel gefärbter Stimme auf. In zwei kleineren Partien bewältigten der argentinische Tenor Oscar Imhoff, ein Urgestein des Landestheaters Niederbayern, als Pirat Itulbo und die amerikanische Sopranistin Kathryn J. Brown als Adele, eine Vertraute Imogenes, ihre Rollen sowohl stimmlich wie schauspielerisch. Stimmkräftig agierte aus dem Hintergrund der Chor des Landestheaters Niederbayern (Einstudierung: Christine Strubel).
Der Niederbayerischen Philharmonie gelang es unter der bewährten Leitung des britischen Dirigenten Basil H. E. Coleman, die farbige Partitur des Komponisten, die schon in der Ouvertüre die Begeisterung des Publikums weckte und starken Beifall erhielt, sehr nuancenreich wiederzugeben.
Lang anhaltender Beifall am Schluss der Vorstellung für alle Mitwirkenden und verdientermaßen auch für das gesamte Regieteam. „Bravi“-Rufe gab es für das Orchester und seinen Dirigenten. Man muss der Intendanz des Landestheaters Niederbayern dankbar sein, dieses schwer aufführbare und nur ganz selten gespielte Werk in den Spielplan aufgenommen zu haben.
Udo Pacolt