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OSNABRÜCK: VANDA von Antonin Dvorak – eine besondere Rarität

09.05.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Besondere Opernrarität in Osnabrück: „Vanda“ von Antonin Dvořak (Vorstellung: 8. 5. 2014)

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Die Sopranistin Lina Liu in der Titelrolle wurde vom Publikum bejubelt (Foto: Jörg Landsberg)

Eine besondere Opernrarität bot das Theater am Domhof in Osnabrück mit der auch in Tschechien nur selten aufgeführten „Vanda“ von Antonin Dvořak. Es wurde 1876 in Prag uraufgeführt, geriet aber trotz des musikalischen Reichtums des Werks, das an die Grand opéra französischen Stils erinnert, bald in Vergessenheit. Nun erlebte es in Osnabrück seine deutsche szenische Erstaufführung (in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln).

 Die tragische Oper in fünf Akten, deren Libretto von Václav Beneš-Šumavský verfasste, spielt in Polen vor der Christianisierung. König Krak ist gestorben und hinterlässt zwei Töchter: Vanda und Božena, wobei vorgesehen ist, dass Vanda ihrem Vater auf den Königsthron folgen soll. Das Volk möchte an ihrer Seite einen starken König sehen, der das Land gegen Feinde von außen beschützt und verteidigt. Der Hohepriester verkündet, dass Vandas Thronbesteigung dem Willen der Götter und dem Rat der Ältesten entspricht. Doch soll ein Adliger als Gemahl erkoren werden, der vorher drei Prüfungen zu bestehen habe. Die Kandidaten Vitimir, Velislav und Vserad versagen, worauf sich Vandas Jugendfreund Slavoj als Kandidat meldet, obwohl er – wie auch Krak vor seiner Krönung – nicht dem Adelsstand angehöre. Als Slavoj die Prüfungen glanzvoll besteht, jubelt ihm das Volk zu. Der deutsche Fürst Roderich preist sich als Vandas Gemahl an, worauf Slavoj ihn zum Zweikampf fordert, in dem Roderich unterliegt. Auf Vandas Befehl hin lässt Slavoj ihn am Leben. – Zur schwarzen Messe der Priesterin Homena, bei der Vanda die Vision einer hoffnungsvollen Perspektive hat, kommt auch Roderich, um Vanda entführen zu lassen. Slavoj will Roderichs Verrat an Vanda rächen, besiegt ihn, doch Vanda lässt Roderich wieder am Leben, denn sie fürchtet einen Krieg der Deutschen gegen ihr Volk. – Es kommt dennoch zum Krieg. Vanda legt vor den Göttern den Eid ab, für einen Sieg ihr Leben zu opfern – und es gelingt ihr, Roderich im Kampf zu töten.  – Slavoj und ihre Schwester Božena versuchen, Vanda von ihrem Opfertod abzuhalten, doch der Hohepriester besteht auf die Erfüllung ihres Eides. Vanda springt in die Weichsel.

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Vandas Schwester Božena (Susann Vent) ließ der Regisseur in Anspielung auf die Ukraine-Krise als Julia Timoschenko auftreten (Foto: Jörg Landsberg)

 Robert Lehmeier schuf eine packende Inszenierung mit exzellenter Personenführung, die auch den Chor in die dramatische Handlung geschickt mit einbezog. In Tom Musch, der für Bühne (keine störenden Requisiten) und Kostüme (dem mythologischen Thema gut angepasst) zuständig war, hatte er einen kongenialen Partner. Dass der Regisseur die politische Krise in der Ukraine andeutete und Vandas Schwester Božena in Kleidung und Aufmachung Julia Timoschenko (mit blondem Haarkranz auf dem Haupt) ähneln ließ, brachte so manchen Zuschauer zum Schmunzeln. Auch wie sie des Öfteren Vandas Entscheidungen durch abweisende Körperhaltung missbilligt und nach dem Tod ihrer Schwester die freie Krone sehnsüchtig betrachtend aufsetzen will, hatte wohl köstliche Parallelen.

 In der Titelrolle konnte die chinesische Sopranistin Lina Liu vor allem mit dem dramatischen Impetus ihrer durchschlagskräftigen Stimme glänzen. In der Mimik ist von asiatischen Darstellerinnen und Darstellern nur selten Ausdruck zu erwarten. Ganz anders die deutsche Sopranistin Susann Vent als ihre Schwester Božena, die eine imponierende Schauspielleistung bot und als Double für Julia Timoschenko jederzeit zum Einsatz kommen könnte.

 Stimmliche Glanzpunkte setzten zwei Gäste: Der junge schwedische Tenor Per Håkan Precht spielte und sang den Ritter Slavoj eindrucksvoll – mit heldenhaften Posen und metallen klingender Stimme. Ebenso überzeugend der zweite Gast, der russische Bassist Oleg Korotkov als Hohepriester. Vom Regisseur in einen Rollstuhl verbannt, gestaltete er seine Rolle als gnadenloser Priester vor allem mit seiner Furcht einflößenden tiefen Stimme mit Bravour!

 Exzellent auch die attraktive Mezzosopranistin Almerija Delic als Zauberin Homena, die in der Szene der Schwarzen Messe mit einer großartigen Bühnenausstrahlung aufwartete und mit ihrer wandlungsfähigen Stimme brillierte.  Erst vor wenigen Tagen beeindruckte sie in Schwetzingen bei der Uraufführung der Lang-Oper „Re:igen“ in der Rolle der Prostituierten Manuela.

 Den mit blonden Locken auftretenden deutschen Herzog Roderich spielte der koreanische Bariton Daniel Moon ebenfalls recht eindrucksvoll, seinen Boten der koreanische Tenor Jong-Bae Bu. In kleineren Partien sorgten noch der polnische Bass Tadeusz Jedras als Ausrufer und der deutsche Bariton Jan Friedrich Eggers als Sänger Lumir für die starke Ensembleleistung.

Mit enormer Stimmkraft glänzten der Chor und Extrachor des Theaters Osnabrück, die in  „Vanda“ in vielen Szenen verschiedene Rollen (Volk, Krieger) zu spielen und singen hatten. Die dramatische, oft von Volksmusik durchsetzte Partitur dieser mythologischen Oper wurde vom Osnabrücker Symphonieorchester unter der engagierten Leitung von Daniel Inbal, der unter anderem bei Leopold Hager in Wien studierte und einige Jahre an der Wiener Volksoper tätig war, mit allen Facetten wiedergegeben.

 Das begeisterte Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus, wobei es Bravorufe für die beiden Gäste – Per Håkan Precht und Oleg Korotkov – sowie „Jubelgeschrei“ für Lina Liu, der Sängerin der Titelrolle, gab.

 Udo Pacolt

 

 

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