OPER GRAZ
LE NOZZE DI FIGARO von Wolfgang Amadé Mozart
Premiere 2.11.2017
Als zweite Premiere der Saison an der Oper Graz gab es eine spritzige Hochzeit des Figaro von einem jungen Team rund um Regisseur Maximilian von Mayenburg mit viel Energie, Glanz, Charme und zahlreichen locker-leichten Momenten, die der opera buffa noch zusätzliche komödiantische Elemente hinzufügten und das Publikum immer wieder zum Lachen brachten.
Im Zentrum der Inszenierung Maximilian von Mayenburgs und des Bühnenbildners Stephan Prattes steht ein weißes Schloss, welches mit seinen zahlreichen Wendeltreppen, Türmchen, einer Brücke und vielen verwinkelten Zimmerchen in seiner Ästhetik stark an ein Barbieschloss erinnert. Der Motor der Drehbühne hatte an diesem Abend sehr viel zu arbeiten: Das Schloss wird nahezu bei jeder Szene mal nach links, mal nach rechts gedreht; Hut ab vor der technischen Abteilung, die da den Überblick wahren musste.
Von der Grundidee ein hervorragendes Konzept, da das Bühnenbild der Regie unendlich viele Möglichkeiten bietet, was auch ausgenützt wird: Die Sänger laufen Treppen hinauf und hinunter, jedes Zimmer wird bespielt und verwendet, dadurch entsteht ein lebendiges, fröhlich schnatterndes Bild, welches das Tempo des Stückes noch erhöht. Nach der Pause ist das Schlösschen teilweise auseinandergenommen, da fehlt die Brücke und einzelne Gebäudeteile scheinen zerstört worden zu sein. Die Inszenierung ist schlüssig und hat sich eindeutig zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte zu erzählen und das Publikum mitzureißen.
Aber: Die exzessive Verwendung der Drehbühne und das verwinkelte Schloss bringen ihre Tücken mit sich, da akustisch höchst schwierige Situationen entstehen können, wenn nicht darauf geachtet wird, dass sich die Sänger trotz Drehungen im vorderen Bereich der Bühne aufhalten. So geschah es beim musikalisch anspruchsvollen und die Sänger voll fordernden Finale des zweiten Aktes, dass ein Teil der Sänger vorne stand, der andere wurde vom Bühnenbild verdeckt und noch weiter nach hinten bewegt.
Gerade bei den ausgeklügelten Ensemblenummern ist es wichtig, dass die Sänger untereinander sowie mit dem Dirigenten kommunizieren und einander gut hören können. Ist dies nicht der Fall, dann kann leicht das musikalische Chaos ausbrechen. Im Saal war es daher stellenweise nicht möglich, alle Stimmen gleichermaßen zu hören; dies nimmt sehr viel Effekt von der Musik. Auch war es der Akustik nicht dienlich, dass die Bühne nach hinten offen war, was noch dazu das Bühnenbild unfertig wirken ließ und manchmal wurde der Fokus durch die Beleuchtung dann auf technische Vorrichtungen in der Hinterbühne gerichtet, was leicht seltsam wirkt.
Am Schluss hat sich der Regisseur eine wagemutige Deutung erlaubt: Der letzte Akkord ist verklungen, Graf und Gräfin drehen sich um und werden von einem wütenden Mob in Jakobinermützen samt Guillotine begrüßt. Eigentlich eine interessante Interpretation, aber es wirkte aus dem Zusammenhang gerissen.
Die Kostüme sind ein besonderer Augenschmaus, für diese war Gabriele Jaenecke verantwortlich. Glitzernde Kleider, schrille Farben, bunte Perücken sowie schickes Schuhwerk verleihen dem weißen Schloss eine quietschbunte Atmosphäre. Vor Allem die Figur der Marcellina erfuhr allein durch die vielen außergewöhnlichen und detailreichen Kostüme eine Aufwertung.
In einem Rollendebüt als Susanna konnte man Tetiana Miyus erleben. Die Susanna steht ihr gut, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Sie wirkt auf der Bühne süß und quirlig, gesanglich hört man von ihr sehr viel Schönes. Einzig bei der Deutlichkeit ihrer Aussprache gäbe es noch Verbesserungspotential, da gerade die Rezitative auf eine gewisse Schärfe der Konsonanten angewiesen sind. Die große Partie der Susanna bei einem Debüt auf so hohem Niveau abzuliefern ist eine fantastische Leistung. Dazu darf man gratulieren!
Auch ein Rollendebüt stand für Peter Kellner als Figaro am Programm und ohne Zweifel kann man sagen, dass er das Potential hat, diese Rolle für viele Jahre zu singen und das auch an großen Häusern. Stimmlich auf höchstem Niveau ist es ein Genuss dem jungen Bassbariton auf der Bühne durch seine Verwirrungen zu folgen. Mehr als lobende Worte können einem hier nicht einfallen!
Oksana Sekerina als Gräfin brachte stimmlich starke Leistungen und besticht mit einem warmen, weichen Timbre in der für Soprane eher schwierigen Mittellage. Verdienten großen Jubel gab es für sie nach der Arie Dove sono i bei momenti im dritten Akt. Manchmal geht sie aber etwas im Trubel unter, da würde man sich mehr an schauspielerischer Präsenz erhoffen.
Als Graf war Markus Butter sehr souverän und brachte dessen vielschichtigen Charakter mit Biss auf die Bühne. Gesanglich gab es schöne Momente, wie bei Crudel! Perché finora farmi languir così? im Duett mit Susanna, aber manchmal hat der Sänger Probleme stimmlich über das Orchester zu kommen.
Anna Brull war ein jugendlich-frecher Cherubino und fügte dieser Rolle noch eine eigene Portion Charme hinzu. Die Arietta Voi che sapete musste die Sängerin an Seilen baumelnd in vier Metern Höhe singen, was ein schönes Bild ergab (der ein oder andere im Publikum hat sicher den Atem angehalten) und noch dazu schaffte sie es, die Arietta wunderbar zu interpretierten.
Wilfried Zelinka und Yuan Zhang stellten Bartolo und Marcellina dar. Zelinka glänzte bei La vendetta, oh, la vendetta und stellte einen herrlich alptraumhaften Doktor dar, dessen Patient schließlich die Praxis flüchtend durch das Fenster verließ. Zhang verlieh der Marcellina viel an Eleganz und fühlte sich sichtlich in den ausgeflippten Kostümen wohAuch die kleineren Rollen sind durchwegs gut besetzt: Manuel von Senden als Basilio, Albert Memeti, ein Neuzugang des Grazer Opernstudios, als Don Curzio, Lalith Worathepnitinan als Barbarina, als Gärtner Antonio David McShane und als Bauernmädchen Keiko Kazumori und Kerstin Turnheim aus dem Opernchor. Der Chor der Oper Graz unter der Leitung von Bernhard Schneider meisterte seine kurzen Einsätze mit Bravour.
Das Grazer Philharmonische Orchester stand unter der Leitung von Marco Comin, der zuletzt La Rondine an der Oper Graz dirigierte. Der schlanke Klang des Orchesters lässt erkennen, dass in den Proben mit Liebe zum Detail gearbeitet worden ist. Wünschenswert wäre allerdings eine etwas plastischere Gestaltung der Begleitung: Es scheint, als müssten Orchester, Dirigent und die Solisten noch etwas mehr zusammen finden, da gerade bei den komplexen Gesangsnummern wie den Finali der Klebstoff ausgegangen ist und dann geriet so einiges ins Schwimmen.
Der Abend wurde von großen Applaus belohnt und kein einziger (!) Buhruf konnte vernommen werden, nein, sogar laute Bravorufe! Das ist bei neuen Inszenierungen doch eher selten.
Eine eindeutige Empfehlung für diese Produktion!
Konstanze Kaas
OnlineMerker