Internationale Gluck-Opern-Festspiele in Nürnberg: „EZIO“ in der Prager Fassung von 1750 (Vorstellung: 23. 7. 2012)
Der Feldherr Ezio als Mixed: der Schauspieler Felix Axel Preißler und die Mezzosopranistin Judita Nagyová (Foto: Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg)
Vom 20. bis 28. Juli 2012 finden bereits zum vierten Mal in Nürnberg die Internationalen Gluck-Opern-Festspiele statt. Grund hierfür ist, dass der berühmte Opernreformer im nahen oberpfälzischen Erasbach – also quasi vor den Türen Nürnbergs – das Licht der Welt erblickte und von dort über Prag, Italien, Paris und Wien die musikalische Welt eroberte und veränderte. Das heurige Festival steht unter dem Motto „Gluck, Prag und die Antike“ und zeigt als eine der Programmhöhepunkte die 1750 in Prag uraufgeführte Oper „Ezio“ von Christoph Willibald Gluck in der ersten szenischen Aufführung der Prager Fassung seit damals. Als Aufführungsort wurde die Tiefgarage im Parkhaus Theater gewählt.
Der Inhalt der Oper, deren Libretto von Pietro Metastasio stammt, in Kurzfassung: Der römische Feldherr Ezio, der den Hunnenkönig Attila besiegte, gerät nach seiner Rückkehr in seine Heimat in das gefährliche Netz politisch-amouröser Machenschaften. Seine Geliebte Fulvia wird von Kaiser Valentiniano als Gattin begehrt, er selbst wird als Verräter denunziert und verhaftet. Als Fulvias Vater Massimo einen Aufstand gegen den Kaiser anführt, kann Ezio, den auch Valentinianos Schwester Onoria insgeheim liebt, seine Treue zum Kaiser beweisen und erhält dafür Fulvia zur Frau.
Andreas Baesler verlegte in einer gekürzten Fassung das römische Intrigenspiel in eine raue Endzeitwelt von Motorradgangs und besetzte alle Rollen doppelt: mit Sängern (Arien in Italienisch) und Schauspielern (Rezitative in Deutsch). Außerdem passte er seine Inszenierung den Möglichkeiten der Tiefgarage an. So kehrte Ezio nach seinem Triumph über Attila in einer Luxuslimousine nach Rom zurück, das Orchester spielte mitten auf der „Bühne“, die neben einer Sitzbank bloß eine Anhäufung von Gerümpel zeigte (Rauminstallationen: Hermann Feuchter / Lilith-Marie Cremer), das Publikum, das von Punker-Mädchen zu ihren Steh- und Sitzplätzen vor und hinter der von Brettern eingezäunten Spielfläche geleitet wurde, war zweigeteilt und musste auch einige Male ihre Plätze wechseln. Wer Pech hatte, wurde dauernd von Scheinwerfern geblendet und sah von den Akteuren nur wenig…
Es herrschte eine zügellose Hektik auf der „Bühne“, fast alle Schauspieler agierten äußerst aggressiv, was so manche Sängerin zu spüren bekam. Selbstverständlich durften auch nicht die Revolver und Gewehre fehlen, die von den Schauspielern fortwährend in Anschlag gebracht wurden. Dass die Aufführung dennoch eine gewisse Qualität hatte, lag an der stringenten Personenführung des Regisseurs und an der großen Wortdeutlichkeit des Schauspielensembles (Übertitel waren in der Tiefgarage nicht möglich). Bei den Sängerinnen und Sängern, die allesamt in weißen Barockkostümen auftraten – ein eigenartig wirkender Kontrast zu den teils ledernen und fetzigen schwarzen Gewändern der Schauspieler (Kostüme: Ulli Kremer) –, machte sich bei den hohen Tönen leider die schlechte Akustik des Kellerraums bemerkbar!
Eine besondere Hochachtung gebührt dem jungen italienischen Dirigenten Nicola Valentini – er musste für den erkrankten Ottavio Dantone einspringen –, der den Einsatz für das Orchester in Abstimmung mit den meist hinter ihm agierenden Sängern geben musste. Er schaffte dies mit großem körperlichem Einsatz bewundernswert! Das Orchester setzte sich aus Mitgliedern der Accademia Bizantina, der Neuen Nürnberger Ratsmusik und der Hochschule für Musik Nürnberg zusammen. Schade, dass die musikalische Qualität bei dieser Aufführung als Oper-Schauspiel-Mix trotz aller Bemühungen der Mitwirkenden des Öfteren auf der Strecke blieb. Einen Kunstgenuss für Opernliebhaber konnte dieser Abend nicht bieten!
Die Titelrolle war mit dem Schauspieler Felix Axel Preißler und der Mezzosopranistin Judita Nagyová ausgezeichnet besetzt. Er spielte die schillernde Figur des Ezio eindrucksvoll, sie sang ihre Rolle ausdrucksstark. Gleiches muss man von der Schauspielerin Maria Vogt, die als Darstellerin der zwischen Ezio und dem Kaiser hin und her gerissenen Fulvia beeindruckte, und der Sopranistin Leah Gordon, die stimmlich überzeugte, anerkennend sagen. Gut besetzt war auch das Paar, das Fulvias Vater Massimo gab. Jochen Kuhl spielte den zwielichtigen Adeligen mit allen Facetten seiner Schauspielkunst und Martin Platz lieh ihm seine wohlklingende lyrische Tenorstimme.
Timo Alexander Wenzel outrierte als Kaiser Valentiniano III. zu stark und kam auch immer wieder ins Schreien, besser kam mit dieser Rolle die Sängerin Leila Pfister mit ihrem wandlungsfähigen Mezzosopran zurecht. Onorio, die Schwester des Kaisers, wurde von der Schauspielerin Rebecca Kirchmann sehr dominant dargestellt und hatte in der Sopranistin Heidi Elisabeth Meier eine adäquate Partnerin. Ezios Freund Varo, der Präfekt der Prätorianer, wurde vom Schauspieler Gerd Beyer mimisch recht ausdrucksstark gegeben.
Das Nürnberger Publikum war trotz aller Mühen von den Darbietungen der Sänger und Schauspieler begeistert und belohnte alle Mitwirkenden mit minutenlangem Applaus.
Udo Pacolt, Wien – München