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NÜRNBERG: DIE HUGENOTTEN von Giacomo Meyerbeer

24.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Großer Opernabend in Nürnberg: „Die Hugenotten“ von Giacomo Meyerbeer (Vorstellung: 24. 10. 2014)

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Leah Gordon als Marguerite von Valois zu Pferd im Maleratelier (Foto: Jutta Missbach)

 Am Opernhaus Nürnberg kam es zur Wiederaufnahme der in der vergangenen Saison so erfolgreichen Produktion von Meyerbeers großer Oper „Die Hugenotten“, die nun auch in Deutschland nach Jahrzehnten ihre Wiederentdeckung feierte, nachdem sie 2011 in Brüssel und 2012 in Straßburg in der Inszenierung von Olivier Py internationale Anerkennung (beste Opernproduktion der Saison 2011 / 12 in Europa) fand und mit großem Erfolg aufgeführt wurde.

 Die Uraufführung des monumentalen Werks, das zur Zeit der Bartholomäusnacht im August 1572 spielt und mehr als vier Stunden dauert, fand 1836 in Paris statt. Die Hochzeit der katholischen Prinzessin Marguerite von Valois mit dem hugenottischen König Heinrich von Navarra hätte eigentlich die religiösen Auseinandersetzungen beenden sollen. Doch die „Pariser Bluthochzeit“ in der Bartholomäusnacht, die tausenden Hugenotten das Leben kostete, machte die Hoffnungen auf Frieden zunichte.

 Die Handlung der Oper, deren Text von Eugène Scribe und Émile Deschamps nach Prosper Mérimées Roman La chronique du règne de Charles IX verfasst wurde, kann man in der am 16. Juni 2011 von der Online-Redaktion des „Neuen Merker“ veröffentlichten Rezension der Brüsseler Aufführung nachlesen.

 In Nürnberg wurde Meyerbeers Meisterwerk von Tobias Kratzer inszeniert, der beim Internationalen Regiewettbewerb 2008 in Graz mit seinem Konzept zu Verdis Rigoletto alle Preise gewann. In seiner Laudatio wies Peter Konwitschny insbesondere auf den kreativen Umgang mit dem Stoff bei gleichzeitiger Werktreue und auf die Einheit von gelungener musikalischer Ausführung und szenischem Konzept hin. All dies ist dem Regisseur Tobias Kratzer auch in seiner Inszenierung der „Hugenotten“ gelungen, wobei er mit einer interessanten Idee zu Werke ging. Er ließ die Oper in einem Atelier spielen, in dem der Graf Nevers als Maler im Auftrag seiner Mäzenin, der Königin Marguerite, darum ringt, große Bilder des Friedens und der Versöhnung zwischen Katholiken und Hugenotten zu malen. Ein Versuch, der in der Bartholomäusnacht kläglich scheitern muss. Am Schluss schüttet der Maler mehrere Kübel blutroter Farbe über eine Leinwand. Man wird an Hermann Nitsch erinnert…

 In einem im Programmheft abgedruckten Interview erläuterte der Regisseur seine Idee: „Der Maler ist dabei eigentlich keine von mir hinzuerfundene Figur, sondern er ist eine Entsprechung der Rolle, die der Graf Nevers in der Oper ohnehin hat. Nevers lädt seine katholischen Freunde ein und bittet einen fremden Hugenotten dazu, weil er hofft, beide Gruppen so zu versöhnen. Er will ein Beispiel, ein Vorbild der Versöhnung geben.“

 Für die Entwürfe der Bühne (Maleratelier mit typischem Atelierfenster) und der Kostüme (teils schmuddelig für den Künstler uns dessen Freunde, teils farbenprächtig und elegant für den Adel) zeichnete Rainer Sellmaier als verantwortlich. Für die oft sehr kreativen Lichteffekte sorgte Thomas Schlegel. Die Aufführung der Oper wurde in französischer Sprache (mit deutschen Übertiteln) gesungen und dauerte knapp vier Stunden, war also in Nürnberg um etwa eine Stunde gekürzt.

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Uwe Stickert als Raoul und Hrachuhi Bassénz als leidenschaftliche Valentine (Foto: Jutta Missbach)

 Das Sängerensemble wartete durchwegs mit exzellenten Leistungen auf und begeisterte das Publikum vom Anfang bis zum Schluss. Herausragend die Stimmen der Damen: Die Sopranistin Leah Gordon strahlte als Marguerite von Valois große Elegance und Noblesse aus und bewältigte die Koloraturen ihrer Rolle bravourös. Dass sie einmal hoch zu Ross auf die Bühne „ritt“, gehörte zu den überraschenden Gags der Inszenierung. Überzeugend auch die Sopranistin Hrachuhi Bassénz als Valentine, Tochter des fanatischen Katholiken St. Bris, die nicht nur ihre seelischen Qualen stimmlich wunderbar auszudrücken verstand, sondern auch ihre leidenschaftliche Liebe zum hugenottischen Edelmann Raoul de Nangis. Ebenso überzeugend die Mezzosopr anistin Judita Nagyová, die ihre Rolle des Pagen Urbain stimmlich wie darstellerisch exzellent meisterte. Als wahrsagende Zigeunerinnen belebten Solgerd Isalv und Giunta Cëse vom Opernstudio Nürnberg Bühne und Szene.

 Aus dem männlichen Ensemble ragte Nicolai Karnolsky als Graf von St. Bris durch seinen dunkelgefärbten Bass heraus, der die Hasstiraden des fanatischen Katholiken glaubhaft wiedergab. Der Tenor Uwe Stickert musste in seiner Rolle als Hugenotte Raoul an seine stimmlichen Grenzen gehen, schaffte aber alle Höhen mit Bravour und bekam dafür verdienten Szenenapplaus. Seinen bis in den Tod treuen Diener Marcel gab auf überzeugende Weise der Bass Jochen Kupfer. Als malender Graf von Nevers wirkte der Bariton Martin Berner manchmal ein wenig „zerrissen“, was wohl an seiner Doppelrolle lag.

 Eine Hauptrolle kam dem erweiterten Chor des Staatstheaters Nürnberg (Einstudierung: Tarmo Vaask) zu, der äußerst stimmgewaltig und auch schauspielerisch exzellent agierte. Sein präzis gesungener Choral Ein‘ feste Burg ist unser Gott gehört zu den musikalischen Höhepunkten des Werks, das für eine ganze Generation von Opernkomponisten, zu denen neben Hector Berlioz auch Giuseppe Verdi und vor allem Richard Wagner gehören, Ideengeber war.

 Der Staatsphilharmonie Nürnberg unter der Leitung von Guido Johannes Rumstadt gelang es, die vielen Nuancen der meisterhaften Partitur des Komponisten, die in unverwechselbaren Orchesterfarben erstrahlt, präzis wiederzugeben. Dass dennoch der Ohrenschmaus hinter den Aufführungen in Brüssel und Straßburg zurückblieb, lag vermutlich  an den Kürzungen und Streichungen, wodurch so manche musikalische Finesse verlorenging. 

 Das von der vierstündigen Aufführung begeisterte Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit minutenlangem, nicht enden wollendem Applaus und vielen Bravo-, Brava- und Bravi-Rufen, die neben den exzellenten Sängerinnen Leah Gordon, Hrachuhi Bassénz, Judita Nagyová und dem Tenor Uwe Stickert sowie dem Dirigenten Guido Johannes Rumstadt und seinem Orchester galten.

 Udo Pacolt

 

 

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