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NEW YORK /WIEN: DIE MET IM KINO: AIDA

17.12.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

MET IM KINO: „AIDA“. 15.12. 2012– Cineplexx/Village Cinema, 3., Landstrasse


Foto: Ken Howard

 Wie jedermann weiß, hat die Morgenstund für Sänger gewöhnlich wenig Gold im Mund, bei dieser frühen Zeit ist, so „morgen mittag um elf“, auf den Stimmbändern weniger Segen drauf als später am Tage (heutzutage, wo es sich jüngst ereignet hat, soll die Stunde der Mattinata, sogar schon Maestri irritieren und ihnen das Dirigieren verleiden, doch auch sowas wird sich legen…).

 Nun in medias res und gleich zur diffizilen Tenor-Auftritts-Arie des Radamés, von Roberto Alagna mit einer ungewöhnlichen musikalischen Schluß-Phrase beendet auf „….il trono vicino al sol…“. Meinte man vorerst diesen „Ritter von hohem C“ durch eine morgendliche Männerschwäche gehandicapt – weil nicht im Forteglanz, – so hatte er schon merkwürdig knieweich angesetzt und die Phrase 2x im p geflüstert, doch man wurde später historisch eines besseren belehrt! Francesco Tamagna, bei der UA 1887 an La Scala berühmter erster Otello, hatte einst für „Aida“ als Verdi-Hommage diese seltsame Phrase kreiert (!) und Roberto Alagna brachte sie nun ganz im damaligen Sinne an der Met als musikhistorischen Schnörkel zu Gehör. Eine derartige Würdigung kann zu allerlei Miß-Interpretationen führen, an der Scala hatte Alagna vor 5 Jahren eben mit Radames etliches an Mißfallens-Kundgebungen einstecken müssen, nicht alles ging da auf das Konto der Claque….

 Ich bin schon seit mehreren Saisonen Abonnent und deklarierter Anhänger aller dieser Metopera-Übertragungen, die bereits in die 7.Spielzeit geht auf einer Riesen-Kino-Leinwand mit kristallklarem Ton, wie hier im Village Cinema beispielsweise im Saal 5, dem größten. Natürlich kann solches das Live-Erlebnis „eine Loge in der Met“ niemals ersetzen, doch gibt es den durchaus zufriedenstellenden Aspekt einer Top-Information in Bild und Ton in high definition-quality. So werden Reisekosten gespart und stets ein Tor geöffnet und demonstriert, wie über dem Großen Teich noch immer sozusagen hartnäckig einem Traditionalismus gehuldigt wird, der anderswo in deutschen Landen längst den Grauslich- und Absonderlich-keiten des Regietheaters zum Opfer gefallen ist. Der Grund, die Met hält ihre Traditionen derart hoch, hat bekanntlich mit den Produktionsbedingungen des sponsorships zu tun, denn „european opera-trash“ verschreckt finanzierende Donatoren.

 Für den am Internationalen interessierten Opernfreund ist ein zusätzliches Atout von „Metropolitan Opera live im Kino“ jedesmal der lohnende Blick hinter die Kulissen sowie dazu die Moderation von prominenten Sängern in den Umbaupausen. So konnte man über die überbordend ägyptisierende tonnenschwere Ästhetik der Bühnenbilder von Gianni Quaranta an der Met diesmal von der Moderatorin Renée Fleming erfahren, daß generell für eine derartig „große Kiste“ der Ausstattung, speziell für den Triumph-Akt über 16 riesige Trucks vom Depot angefahren kamen, um den monumentalen Aufbau zu bewältigen. Somit wurden wie schon gewohnt dem Pausen-Kiebitz und Hinterbühnen-Insider die spannendsten Einblicke in die Imaginations-Werkstatt „Opernbühne“ ermöglicht.

 Seit der UA 1871 in Cairo sollte eigentlich gemäß den Konventionen der Grand-Operá diese Oper ihren Höhepunkt an Schauwerten im Triumph-Akt übertreffen, (einzig Regisseur Konwitschny genügten für Protagonisten auf dem Sofa lustige Jux-Kopfbedeckungen und „festliche Papierschlangen“). An der Metropolitan Opera wurde bei der Neu-Inszenierung 1988 unter James Levine Dirigat mit Domingo, Cossotto, Milness und Leona Mitchell als Aida im Triumph-Akt, außer den Top-Stars alles an optischen Reizen aufgeboten, was sich nur aufbieten läßt und was man ansonst nur open-air in der Arena di Verona zu sehen bekommt. Man staunt in Big Apple sogar über die sichtlich gegen die lautstarken Aida-Trompeten völlig lärmunempfindlichen Rösser. Im New Yorker Opernhaus wurde 1988 von der Regisseurin Sonja Frisell eine „Good old Hollywood-Optik “, wie zu Zeiten des großen Film-Moguls Cecil B. de Mille auf die Bühne gehievt, man wähnte sich in Luxor im benachbarten Karnak-Tempel bei den Schöpfungen des Bühnenbildners Quaranta sowie beim Prunk der historisierenden Kostüme von Dada Saligeri. Frisell leitete ihre wiederholt derart geballten Staristen-Massen überaus routiniert und generalstabsmäßig reibungslos in ihrem pompösen Auf- und Abmärschen samt dem machtvollen Chor, einstudiert von Donald Palumbo. Nicht ganz so glücklich schienen mir die Ballett-Einlagen durch Alexei Ratmansky choreographisch gelöst, dessen Bewegungs-Kanon orientiert sich statt an stilisierter hieratischer Strenge eher an einer Schule der Beiläufigkeit.

 Sonja Frisell hält in ihrer Spielleitung der kammerspiel-artigen intimen Szenen das fatale Liebesdreieck zwischen der äthiopischen Titelheldin, dem ägyptischen Sieger und Heimkehrer und der Pharaonentochter Amneris voller Stolz und Leidenschaft, soweit zusammen, daß sie Sängern darstellerisch kein Korsett anlegt und nicht einengt. So wurde die dieser Matinee vorangegangene Aida-Besetzung mit Violetta Urmana, Stephanie Blythe und Marcelo Alvarez unter Marco Armiliato offenbar genauso ein eingespieltes Sänger-Ensemble.

 Den Namen der neuen Aida von Liudmyla Monastryska sollte man sich merken, selbst wenn er schwierig auszusprechen scheint. Die gebürtige Ukrainerin, geboren in Kiew, dort aufgewachsen und studierend, debütierte am heimatlichen Opernhaus als Tatjana und gastierte seither stark akklamiert in St. Petersburg, Berlin, Torre del Lago Puccini und am ROH. Sie besitzt einen dramatischen Sopran voll Leuchtkraft und Wärme, er geht scheinbar bruchlos durch die Register und sie hat sich damit durchaus als Verdi-Interpretin einen Namen machen können, wie ihr jüngstes New Yorker Debüt zeigte.

 Die Russin Olga Borodina, reist bereits zwei Jahrzehnte erfolgreich mit ihrer bekannt glutvollen Amneris und ist mit dieser Rolle ab Mitte März 2013 für eine Vierer-Serie in Wien angesetzt. Es ist zu hoffen, sie sagt nicht ab, doch in Wien scheint ja kein Regie-Konflikt am Opernhimmel, im Gegensatz zu London, wo Borodina spontan alles wegen Robert Wilson hinschmieß.

 Den Reigen östlich beheimateter Sänger voll machte der Georgier George Gagnidze, sein Amonasro, der im Nil-Akt außer durch seine imposanten baritonalen Trompetentöne noch durch effektvoll augenrollende Spielastik aufgefallen ist, tendierte mehr in Richtung Bösewicht als Vater-Figur.

 Fabio Luisi, seit dem krankheitsbedingtem Wegbleiben von James Levine vom Met-Pult zu Beginn der Spielzeit 2011, ist er „Maestro für alles“, er versteht die Massen zu bändigen und führte behutsam auf einem impressionistischem Klangteppich Liudmyla Monastryska in die Nil-Arie hinein, wo sie ihre ppp-Stärken demonstrierte, ansonst konnte er mit musikalischer Solidität als Kapellmeister die ganze Vorstellung hindurch punkten.

Norbert A. Weinberger

 

 

 

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