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NEW YORK/ Metropolitan Opera: Kurzberichte von GÖTTERDÄMMERUNG und BILLY BUDD

13.05.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Kurzbericht vom neuen „Ring des Nibelungen“ von Robert Lepage an der Met in New York – „Götterdämmerung“, sowie „Billy Budd“ am 12.5.2012


Foto: Klaus Billand

 Die „Ring“-Schlacht an der Met, drei Zyklen der Neuproduktion von Robert Lepage in nur einem Monat, ist also geschlagen – und es wurden auch auf diesem Felde schon erfolgreichere Schlachten geschlagen, zumal an der Met. John Keenan hatte planmäßig vom Principal Conductor Fabio Luisi die „Götterdämmerung“ übernommen und konnte nicht ganz an die hohe musikalische Qualität anschließen, die Derrick Inouye im „Siegfried“ mit dem Metropolitan Opera Orchestra zuvor erreichte hatte. Wenngleich der große Bogen stimmte und auch einige Szenen sowie die großen Orchester-Zwischenstücke eindrucksvoll musiziert wurden, entstanden einige Längen, insbesondere in der Szene Siegfrieds bei den Gibichungen im 1. Aufzug. Sie wurden durch die praktisch nicht vorhandene Personenregie Lepages weiter verschärft. Offenbar hat sich das Regieteam so sehr in die vielfach diskutiere „machine“ und ihre Video-Bespielung verliebt, dass man die gerade bei einem so sehr auf Technik setzenden Bühnenbild zwingend erforderliche Personenregie vergaß. Im Prinzip machte jeder Sänger und jede Sängerin, was er oder sie wollte. Die Qualität des zu Sehenden hing dann von der individuellen Erfahrung und (nicht zuletzt auch intellektuellen) Durchdringung der jeweiligen Rolle ab. Damit war es nicht bei allen weit her. Ein langweiligerer Hagen, trotz seiner wahrlich imposanten Stimme, als Hans-Peter König ist wohl zur Zeit nicht zu erleben. Seine Passivität auf der Bühne kommt fast schon einer schauspielerischen Arbeitsverweigerung gleich. Wenn man da nur an John Tomlinson, oder die derzeit (noch) agierenden Eric Halvarsson und selbst Matti Salminen denkt… Deborah Voigt hatte nach ihrer Absage der „Siegfried“-Brünnhilde nun wieder jene der „Götterdämmerung“ übernommen, wie geplant. Es fand gegenüber der „Walküre“ keine stimmliche Steigerung statt. Bis auf das gelungene hohe C im Vorspiel waren die stimmlichen Grenzen in den Höhen unverkennbar, manches klang zu forciert und kam bisweilen gar in die Nähe des Schmerzpegels. Ich frage mich, ob sich Deborah Voigt einen Gefallen tut, auf lange Sicht die Brünnhilden zu singen. Sie agiert aber mit viel Charisma und guter Mimik- eine Figur, mit der man sich schnell anfreunden kann. Wenn man nun Revue passieren lässt, was mit Voigt und Dalayman als Brünnhilden in diesem „Ring“ an der Met zu hören war, kann man nur Dominique Meyer an der Wiener Staatsoper und Klaus Bachler an der Bayerischen Staatsoper gratulieren, dass sie sich beizeiten Nina Stemme als Brünnhilde für ihre Zyklen im Wagner-Jahr 2013 gesichert haben. Eine Gratulation für die hoffentlich bald auch in Bayreuth erfolgende Wahl einer Brünnhilde für den 200-Jahr-„Ring“ steht noch aus…
Stephen Gould war als Siegfried stimmlich wieder überwältigend und spielte die Rolle sehr emphatisch mit seiner ganzen Energie – und die ist groß. Jedes Haus der Welt sollte sich glücklich schätzen, ihn auf der Wagner-Bühne zu haben, auch als Tannhäuser

Ian Paterson und Wendy Bryn-Harmer gaben ein stimmlich und darstellerisch gutes Gibichungen-Paar. Karen Cargill war mit ihrer zu gutturalen Stimmbildung eine nicht ganz überzeugende Waltraute. Richard Paul Fink klang als Alberich abgesungen. Äußerst erfreuliche Leistungen brachten die drei Nornen und das Rheintöchter-Terzett, sowie der Chor, der aber schwach bis gar nicht choreografiert wurde. Hervorzuheben ist ferner, dass die Met offenbar eine sehr gute Nachwuchspolitik betreibt. Viele der Nebenrollen waren mit Graduierten des Lindemann Young Artists Development Program besetzt und konnten durchwegs überzeugen.

 Vier Stunden nach dem Verklingen des Mutterliebe-Motivs der Sieglinde gab es als Abschluss der Met-Saison noch eine großartige Aufführung des „Billy Budd“ von Benjamin Britten, in der Inszenierung der EA an der Met von John Dexter von 1978. Hier erlebte man wie zwei Tage zuvor bei „Vec Makropulos“ all das, was im neuen New Yorker „Ring“ (bislang noch) fehlt: perfekte Personenregie, packendes Aktionstheater und überdies durchwegs gute bis erstklassige Stimmen. Und last but not least das Wiedersehen mit einem ganz Großen des Wagner-Fachs, James Morris als Master-at-arms John Claggart. Seit seinem Debut 1971 hat er an der Met über 900 (!) Aufführungen gegeben, darunter die unvergesslichen Wotane… Er zeichnete ein grimmiges Bild des dunklen Charakters Claggart und ist stimmlich immer noch in beeindruckender Verfassung. John Daszak, der gerade den „Götterdämmerung“-Siegfried für São Paulo im kommenden August einstudiert, gab ein berührendes und stimmlich hervorragendes Rollenporträt des Captain Vere, mit lyrischer Note. Nathan Gunn war ein einnehmender, mit großer Authentizität spielender Billy und stimmlich allen Herausforderungen der Partie gewachsen. Auch die weiteren Rollen waren gut besetzt, der Chor stimmstark und sehr gut choreografiert. David Robertson konnte die intensive und zeitweise emotional aufwühlende Musik Brittens mit intensiven Klangfarben und einem auch am späten Abend (Schluss der Vorstellung nach Mitternacht!) noch engagierten Metropolitan Opera Orchestra eindrucksvoll umsetzen. Das ganze Stück konzentrierte sich auf die beklemmende Enge des Achterdecks eines Schlachtschiffes aus dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Bühnenbild von William Dudley, welches mit der subtilen Lichtregie von Gil Wechsler die intensive Auseinandersetzung der Protagonisten mit ihren tragischen Situationen auf engstem Raum intensiv zu zeigen vermochte.

Ein ebenso gelungener Abend wie „Die Sache Makropulos“. So ist als Fazit dieser Opernwoche an der New Yorker Met festzuhalten, das die zwischen den „Ring-Abenden gespielten Werke den Transatlantikflug fast mehr rechtfertigten als das eigentliche Ziel der Reise…

(Fotos in der Bildergalerie)


Klaus Billand. Foto: Kit Gill, Vizepräsidentin des Richard Wagner-Verbandes New York

 Klaus Billand

 

 

 

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