Don Carlos im Théâtre du Passage in Neuchâtel am 27. April 2012
Foto: Richard Leuenberg
Wenn Opernstars einen Abstecher in ein Provinztheater vornehmen, ist dies oft ein unerwartet schöner Abend, welches dem Publikum und allen Beteiligten, vor und hinter der Bühne und auch im Orchestergraben geboten wird.
Von den drei Vorstellungen fand eine Vorstellung mit Ramon Vargas als Don Carlo statt. Und bescheiden wie man war, hat man die Besetzung nicht wirklich gross angekündigt und auch nicht als Galavorstellung angepriesen.
Ramon Vargas, Joanna Paris. Foto: Rodrigo Carizzo
Sehr bemerkenswert war das Engagements des Startenors alleweil, da es nicht das erste Mal war, ihn hier in Neuchâtel erleben zu dürfen: irgend jemand muss einen guten Kontakt zu ihm pflegen und man kann nur hoffen, die guten Kontakte bleiben weiterhin bestehen. So konnte man den Tenor wieder einmal geniessen, wie er mit seinem schönen, runden Ton und satter Stimme begeistern konnte. Ramon Vargas ist ein Könner seines Fachs. Mit eindringlichem Temperament, sichtlich gut gelaunt und voller Überzeugung agierte er professionell auf der Bühne.
Die weiteren Solisten konnten den Erwartungen nur teilweise gerecht werden. Federica Projetti als Eboli hatte sich zu Beginn als erkältet und indisponiert ansagen lassen; sie wirkte sichtlich angeschlagen und musste zwischendurch ihre Hustenanfälle unter Kontrolle bringen. Stimmlich ist sie der Eboli nicht wirklich gewachsen und lies an vielen Stellen die geforderten Ausbrüche missen. Hingegen verfügte sie übe viel Temperament, zeitweilen hatte man das Gefühl es mit einer Tosca zu tun zu haben. Vor allem bei ihrem „o don fatale“ brach sie aus und agierte zeitweilen überdramatisch.
Ruben Amoretti. Foto: Eric Rengnet
Joanna Paris bot eine stimmsichere Elisabetta. Mit gekonntem Legato zeichnete sie weite schöne Kantilenen, wobei ihre aufblühenden Stimme grosse Leuchtkraft und Wärme entwickelte. In noch nicht ganz ausgereiften Rollen konnte man Ruben Amoretti als Philippe II und Alejandro Meerapfel als Posa erleben. Obwohl beide eine beachtliche expressive Leistung boten fehlte es ihnen an Tiefgang. Beide konnten nicht wirklich berühren und man vermisste die larmoyanten Momente die so wichtig sind für beide Interpretationen. Der Grossinquisitor wurde stimmgewaltig und überzeugend von Jérémie Brocard dargestellt.
Das Bühnenbild und die Kostüme entsprachen der Zeit in der die Handlung stattfand. Schöne Dekors und üppige Kostüme wurden ausgewählt und vermochten sehr zu gefallen.
Der Intendant des Hauses und gleichzeitig Regisseur dieser Produktion (Robert Bouvier) vermochte nicht viel anzufangen mit seinen Darstellern. Die Aufführung verkam zu einem eigentlichen Rampensingen. Fehler passierten ihm auch bei der Rollentreue, ganz besonders viel auf, dass der Grossinquisitor nicht als blinder Despot auf der Bühne agierte. Das Orchestre Symphonique du Jura stand unter der profunden Leitung von Facundo Agudin. Ihm gelang es, den ungebrochenen Melodienfluss und die Sinnlichkeit von Verdis emotionaler Komposition, mit kräftiger, farbiger Instrumentation effektvoll und delikat umzusetzen.
Es ist sicher nicht ganz einfach einen Laienchor mit dieser Aufführung zu beauftragen. Die Anforderungen sind hoch und sehr anspruchsvoll. Gleichwohl wurden sie vom Chorleiter Pascal Meyer hervorragend einstudiert und so erwiesen sich die gut vorbereiteten Sänger und Sängerinnen als tragende Stütze der Aufführung.
Das begeisterte Publikum spendete den ausführenden Künstlern jubelnden Applaus und begeistere Ovationen.
Marcel Paolino