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Nadja STEFANOFF: Zu neuen Ufern

09.08.2012 | Allgemein, INTERVIEWS, Sänger

Zu neuen Ufern: Die Mezzosopranistin Nadja Stefanoff

Interview: Joachim Weise (August 2012)

Es müssen nicht immer die arrivierten Stars des geschäftigen Opernbetriebes sein, denen unsere Aufmerksamkeit und Verehrung gelten. Just jene Protagonisten, die an weniger prominenten Häusern vom Publikum hoch geachtete Kärrnerarbeit leisten, haben gleichermaßen unser Interesse und unsere Anerkennung verdient. In diesem Zusammenhang sei eine Sängerin vorgestellt, die seit Anbeginn ihrer mittlerweile zehnjährigen Laufbahn nicht nur stets die Herzen des Publikums erreichte, sondern darüber hinaus die schon von Berufs wegen oftmals kritischer ans Werk schreitende Gilde der Rezensenten für sich einzunehmen verstand. Da muss schon eine überdurchschnittliche Leistung im Spiele sein, der Nadja Stefanoff nicht zuletzt einen ständigen Gastvertrag mit der Komischen Oper verdankt. Philip Bröking, der Operndirektor des Berliner Hauses, hatte die Mezzosopranistin in einer ihrer Bremer Premieren gehört und sie umgehend als Giulietta für die Wiederaufnahme von „Hoffmanns Erzählungen“ engagiert.

Zweifellos ein Höhepunkt im Leben der 36jährigen, die als Tochter einer noch heute in einem Chemnitzer Lehrerchor mitwirkenden Pädagogin und eines bulgarischen Heldentenors (Stefan Stefanoff gastierte u. a. an der Dresdner Staatsoper als Stolzing, sang an der Sofioter Nationaloper Manrico und Lohengrin, verkörperte in Dubrovnik unter Lovro von Matacics Leitung an der Seite von Sena Jurinac den Florestan) in einem musischen Elternhaus zur Welt kam und frühzeitig Theaterluft schnupperte. Mit elf Jahren gehörte sie dem Kinderchor der damals Karl-Marx-Städter Oper an. Die langen Vorstellungsabende, an denen sie den Solisten größte Hochachtung zollte, waren freilich nicht dazu angetan, in ihr den Wunsch nach einer Karriere als
Opernsängerin zu wecken. Dennoch sollte es so kommen. Der Teenager hörte eines Tages Aufnahmen von Renata Scotto als Traviata und Mimi. Der berühmte Knoten war gerissen, unter väterlicher Anleitung bestimmte fortan regelmäßige Stimmbildung den Tagesablauf. Das Vorsingen an der Dresdner Musikhochschule fiel weniger erfolgreich aus. Dafür setzte sich die renommierte bulgarische Sopranistin Nelli Ailakowa  für die Aufnahme der Musenjüngerin in das von ihr gesangspädagogisch betreute Dresdner Opernchorstudio ein, wo Nadja Stefanoff vier Jahre intensiv gefordert und gefördert wurde. Die theoretischen Fächer belegte sie an der Musikhochschule, an der ihr nach hervorragend bestandenem Solistenexamen ein Meisterklassenstudium bei Kammersänger Prof. Jürgen Hartfiel ermöglicht ward.
Zu dieser Zeit musizierte die Studentin auch mit der Batzdorfer Hofkapelle zu den Batzdorfer Barockfestspielen, konnte erste Bühnenerfahrungen sammeln und profitierte dabei von der Begegnung mit dem als Regisseur verpflichteten Dresdner Schauspieler Tom Quaas. „Er lehrte mich, in einer normalen, ungehemmten, von konventionellen Operngesten freien Körpersprache zu agieren, und half mir, meinem natürlichen schauspielerischen Instinkt zu vertrauen.“ Unterdessen erstreckt sich Nadja Stefanoffs Repertoire von Monteverdi bis zur Moderne eines György Ligeti.

Die Teilnahme am Wettbewerb „Competizione dell´Opera“ beschert ihr das erste Engagement und zwar nach Erfurt, einem Haus, an dem ihr Vater rund 40 Jahre zuvor seine Laufbahn an deutschsprachigen Theatern begann. Beim Zürcher „Public Award for Mozart“ und dem Bundeswettbewerb Gesang in Berlin ersingt sich die Anfängerin weitere Preise.
Außerdem erhält sie ein Stipendium des Richard-Wagner-Verbandes . Dresdens Staatsoperette lockt mit einem Abstecher zur heiteren Muse – dem König im „Spitzentuch der Königin“ von Strauß, wovon eine CD-Aufnahme existiert. Hosenrollen haben es der Mezzosopranistin auch später in Bremen, das
auf Pforzheim und Eisenach folgte, angetan, um nur den Orlofsky, bei Mozart den Ramiro („Gärtnerin“) und Idamantes („Idomeneo“), den Calbo
in Rossinis „Maometto II.“ und last but not least ihren umjubelten „Rosenkavalier“ zu nennen. Wie die Künstlerin all diese Anforderungen meisterte, darüber berichtete regelmäßig der „Merker“-Kollege Hermann Habitz. Auch andere Fachpublikationen (z.B. „Das Opernglas“) waren des Lobes voll. In ihrem Stimmbereich blieb bislang nur ein Wunsch offen.
„Den Komponisten in der ‚Ariadne‘  hätte ich sehr gern einmal gesungen.“ Ansonsten freut sich die Sängerin auf ihre Gastspiele in Bonn als Bellinis Adalgisa, eine Aufgabe, die ihr bereits in Bremen und gastweise in Dortmund übertragen wurde. In Bonn werden sich übrigens wieder einmal (allerdings zeitversetzt) ihre Wege mit denen des Vaters kreuzen, der am Theater der vormaligen Bundeshauptstadt u.a. als Radames und Roberto Devereux zu hören war.

In der letzten Zeit übernahm die Künstlerin infolge ihrer stimmlichen Entwicklung auch mit Bravour einige Partien des Zwischen- und jugendlich dramatischen Sopranfaches .So schrieb ein Rezensent, nachdem er ihre „Dame aus Burgos“ gesehen hatte, die Oper müsse eigentlich „Elvira“ statt „Giovanni“ heißen. Über die außerordentliche Qualität der Judith in Bartoks „Blaubart“ war sich die gesamte Presse einig. Erst kürzlich stand sie nunmehr als „Tosca“ auf der Bühne und denkt ernsthaft über einen Stimmfachwechsel nach. Von Schwierigkeiten in der Höhe kann keine Rede sein, und in der Tiefe vertraut sie ihrem Mezzo-Fundament. Die neuen Ufer locken durchaus nicht als Fata Morgana.

Mit Ende der Spielzeit 2012/13 nimmt Nadja Stefanoff Abschied von der Bremer Oper, um hernach freischaffend tätig zu sein. Wir wünschen von Herzen viel Glück auf allen Wegen und u. U. ein wenig mehr Zeit für die von ihr so geliebten Liederabende, die das Bild der vielseitigen Künstlerin überaus
überzeugend (ich erwähne nur ihre berührend verinnerlichten Brahms-Interpretationen) abrunden.

Joachim Weise

 

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