Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MÜNSTER: TOSCA. Premiere

20.01.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Münster:  TOSCA. Premiere 19. Januar 2013


Allison Oakes in der Titelrolle. Foto: Jochen Quast

 Endlich, so werden sich Münsters Opernfreunde freuen, endlich kommt wirklich grosse Oper in der Intendanz von Dr. Peters! Auf den szenisch etwas überladenen „Barbier“ und das harmlose „Weisse Rössl“ folgt nun mit „Tosca“ das reisserische, wenn auch nicht gerade selten gespielte Melodramma, wie Puccini es nennt.

Nostalgisches Gefühl kommt zusätzlich dadurch auf, dass nach dem Tod des ursprünglich vorgesehenen Regisseurs Achim Thorwald die Inszenierung übernahm, Münsters ehemaliger Intendant. In seiner Intendanz gab es noch nicht die heutigen finanziellen Probleme, ihn führte dann seine weitere Karriere in derselben Funktion an die Staatstheater Wiesbaden und Karlsruhe.

Zusammen mit seinem Bühnenbildner Heiko Mönnich ließ er die Handlung in einem variablen Halbrund aus weissen Kassetten spielen. In diesem befanden sich dann zu Beginn Malergerüst mit Bild der Maria Magdalena und die anzubetende Marienstatue. Beim abschliessenden Te Deum erweiterte sich das Bild zum grossen Raum, der durch ein riesiges auf die Gemeinde herabsinkendes Kreuz Unterdrückung durch fanatische Religionsausübung darstellen sollte. Das wurde noch unterstrichen durch auch in der Kirche kontrollierende Geheimpolizei in Nonnen- und Geistlichentracht.

Derselbe Rundbau, ergänzt durch einen Kronleuchter und eine lange Tafel, stellten dann Scarpias Raum im Palazzo Farnese dar, wobei zahlreiche Türen für Spitzel und Schergen geöffnet werden konnten.

Für den dritten Akt, der Plattform der Engelsburg,  war dann dieser Raum nach hinten oben durch einen breiten Spalt offen, vorne standen blutbefleckte Säulen, die offenbar schon für mehrere Erschießungen von Opfern Scarpias gedient hatten.

In diesem Rahmen ließ Thorwald dann die Handlung fast  genauso spielen wie im Libretto vorgeschrieben  – nicht mehr,  eher selten heutzutage, aber eben für das Publikum sehr nachvollziehbar!  Das wurde verstärkt durch die für die Zeit der Handlung (1800) passenden Kostüme, wobei man die der Tosca schon irgendwo gesehen hat?? (ebenfalls von Heiko Mönnich). Dabei verriet zum Beispiel den erfahrenen Regisseur, wie Tosca am Ende des II. Aktes nach Scarpias Tötung lange vergeblich nach einem Ausgang  suchte. Für die dramaturgisch nicht zu erklärende Unterbrechung der Handlung im II.Akt für Toscas „vissi d’arte“ wußte er allerdings auch keine andere Lösung als Scarpia dabei  im Sessel zuhören zu lassen.

Die Titelpartie wurde dargestellt durch Allison Oakes, die sich nach Senta in Boston und vor Salome in Münster und Gutrune dieses Jahr in Bayreuth zur Hochdramatischen zu entwickeln scheint. So hatte sie keine Schwierigkeiten mit den hohen Spitzentönen bis zum c, kein falsches Vibrato war zu hören, das Parlando etwa, wenn sie im III. Akt Cavaradossi Ratschläge für das theatermässige Umfallen bei der vermeintlichen Scheinerschiessung gab, klang heiter und gelöst. Die Glanznummer des „vissi d’arte“ gelang vom zarten p – Anfang bis zum hohen b eindrucksvoll. Dabei wirkte sie auch darstellerisch glaubhaft als um das Leben des Geliebten bangende und gequälte etwas naive Sängerin.

Adrian Xhema für den Cavaradossi und Gregor Dalal für den Scarpia hatte Intendant Dr. Peters von seiner vorigen Intendanz am Münchener Gärtnerplatztheater mit nach Münster gebracht. Dabei war Adrian Xhema eine nahezu ideale Besetzung für den Cavaradossi. Sein helltimbrierter Tenor erreichte ohne scheinbare Anstrengung und Forcieren die Spitzentöne, die italienische Gesangsart lag ihm gut in der Kehle – wohl auch durch den Körper gestützt(?) – auch das pp-legato etwa in der ersten Arie oder bei „E lucevan le stelle“ gelang ebenso wie die bewegliche Melodie bei Bewunderung von Toscas zarten Händen, die den Unmenschen getötet hatten (o dolci mani) So wurde das kurze Duett im III. Akt ohne Orchesterbegleitung „Trionfa“, wo keiner von beiden den anderen „zudeckte“,  zu einem Höhepunkt des Abends. Gregor Dalal als Scarpia ließ durch Intendant Dr. Peters sich als erkältet ansagen, dafür meisterte er die Partie stimmlich erstaunlich gut mit Steigerung hin zum II. Akt. Nach Abklingen der Erkältung wird sein Spiel sicher noch mehr scheinheilig-devot, zynisch und vor allem bedrohlich werden.

Die kleineren Partien waren passend besetzt, stimmlich herausragend wie immer Fritz Steinbacher als Spoletta. Lukas Schmid war mit mächtigem Bass stimmlich und auch darstellerisch ein beeindruckender Angelotti, Plamen Hidjov gestaltete mit dem scheinheiligen Mesner die einzige etwas komische Figur des Stücks.

Mächtig erklangen zum Te Deum im I. Akt Chor und Extrachor des Theaters in der Einstudierung von Inna Batyuk, verstärkt durch den im Kirchenraum zuerst fröhlichen und dann exakt singenden Theaterkinderchor des Gymnasium Paulinum unter der Leitung von Margarete Sandhäger und Jörg von Wensierski.


Allison Oakes und Adrian Xhema in der Schluss-Szene. Foto: Jochen Quast

Betreffend Orchestersatz wurde die Uraufführung einer bis heute nicht gespielten Urfassung angekündigt, die kürzlich bei der Verlagsgruppe Hermann aus Wien erschienen ist. Für den Hörer ohne direkten Notenvergleich ergaben sich wenige Unterschiede, so vielleicht ein etwas kammermusikalisches Nachspiel nach Scarpias Tod – fast zu schön klingend für den Bösewicht. Trotz guter Orchesterleistung unter Leitung von GMD Fabrizio Ventura – wenn auch manchmal etwas gedehnt – klingt diese klangreduzierte Fassung mit vielen schönen Soli im Vergleich zur gewohnten etwas zahm. Andererseits sind auch in der bekannten Partitur mehrfach 4 p, also pppp vorgeschrieben! Dass in dieser Ausgabe das Stück in Dur statt in Moll schließt, fand in der Aufführung insofern Entsprechung, als sich Tosca nicht selbstmörderisch in die Tiefe stürzte, sondern sich von Spoletta erschießen ließ, um dann an Cavaradossis Seite zu sterben – ein Art Liebestod!

Das guterzogene Münsteraner Publikum im ausverkauften Haus klatschte nicht etwa nach den sängerischen Höhepunkten (Cavaradossis Auftrittsarie, „E lucevan le stelle“ oder Toscas „visi d’arte“) in die Aufführung hinein, sondern applaudierte zum Schluss dafür umso mehr und lang andauernd mit Bravos für die Sänger.

 

Sigi Brockmann

 

Fotos Jochen Quast

 

 

 

 

Diese Seite drucken