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MÜNCHEN: KLASSIK AM ODEONSPLATZ

07.07.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

MÜNCHEN, Klassik am Odeonsplatz, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, 6.7.2013

Seit über zehn Jahren gehört dieses Event zum festen Bestandteil im Münchner Sommer-Feier-Leben: An einem Wochenende im Juli spielt einmal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, am zweiten Abend treten die Münchner Philharmoniker an zum Freiluftkonzert vor jeweils 8.000 Zuschauern. Der Wettergott war in den vergangenen Jahren fast immer wohlgesonnen, nur einmal musste wegen eines Unwetters das Konzert abgesagt werden. Allerdings empfiehlt sich auch an einem relativ warmen Sommerabend die Mitnahme eines wärmeren Kleidungsstücks, denn München fühlt sich zwar als nördlichste Stadt Italiens – jedoch hapert es noch mit den tropischen Nächten. Auch heuer wehte ein lindes Lüftchen und all die schönen, ewig jungen Adabeis und wichtigen Menschen konnten ihre Sommerabend-Outfits auf den Platz tragen. Erfahrene Stammbesucher hatten sich lieber mit Sitzpolstern, wärmenden Decken und Jacken ausgerüstet.

Neben dem Symphonieorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks, dirigiert von Yannick Nézet-Séguin, waren zwei Gesangsstars eingeladen: Rolando Villazón und Thomas Hampson. Das Programm setzte ganz auf die beiden großen Jahresregenten Verdi und Wagner, ergänzt mit ein wenig Massenet und Ravel. Nach einer eher verhaltenen Ouvertüre zu den „Vêpres siciliennes“ und der wuchtig-düsteren Autodafé-Szene aus „Don Carlos“ schienen auch die Tonmeister ihre 96 Mikros, 88 Lautsprecher und 62 Verstärker im Griff zu haben und es entfaltete sich mehr und mehr ein Klang, wie ihn ein guter Konzertsaal bietet. Mit balsamischem Bariton sang Thomas Hampson die Arie des Hérode aus Massenets „Hérodiade“, Rolando Villazón warf sich mit der Arie des Rodrigue aus „Le Cid“ in die Schlacht. Vehement, verzehrend, wie von ihm gewohnt, aber auch mit berückenden Bögen und Piani. Die französische Musik und Massenet liegen ihm eindeutig. Nach der Pause wurde die „edle Halle“ vom Chor „freudig begrüßt“ und es kam zu einem großen Moment mit Thomas Hampsons wunderbar eindringlich vorgetragenen „Lied an den Abendstern“. Atemlose Stille auch beim nachfolgenden Vorspiel zum 1. Akt „Lohengrin“. So zart, so fein erklangen die Geigentöne dieses Spitzenorchesters in den Abendhimmel, dass man in denselben zu entschweben vermeinte. Oder berührte uns nur sanft Richards, des Unvergleichlichen, Geist? Danach wieder Verdi: „L’esule“, eine Romanze für Tenor und Orchester, mit einem strahlenden Rolando Villazón, der Zigeunerchor aus dem „Trovatore“ und schließlich das herrliche Freundschaftsduett aus dem „Don Carlo“. (Villazón empfahl sich dabei als Wunschbesetzung des irrlichternden Idealisten neben dem noblen Hampson als Rodrigo.)

Für den jubelnden Beifall bedankten sich die Künstler mit insgesamt vier (!) Zugaben: Das Orchester mit einem fulminanten Vorspiel zum 3. Akt „Lohengrin“, Thomas Hampson schleuderte mit Verve die Arie des Seid aus „Il Corsaro“ in den Abend, Rolando Villazón stand ihm nicht nach und bot die Arie „Ciel, che feci“ aus Verdis Erstling „Oberto“ und schließlich entsandte der Chor seine „Gedanken auf goldenen Flügeln“.

Auch nach über drei Stunden auf unbequemen Klappstühlen und langsam kühler werdenden Temperaturen verabschiedete man sich zufrieden vom Nachbarn mit einem fröhlichen „Na dann, bis zum nächsten Jahr“.

Jakobine Kempkens

 

 

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