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MÜNCHEN/ Residenztheater: DER HAUSMEISTER von Harold Pinter. Premiere

03.04.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Theater

MÜNCHEN/Residenztheater: DER HAUSMEISTER von Harold Pinter. Premiere am 02. April 2014

Hausmeister_Foto_Walz
Hans Michael Rehberg. Copyright: Waltz

„Das Stück handelt von einem Hausmeister und zwei Brüdern“ – so nüchtern antwortete der Autor  Harold Pinter auf die Frage nach der Interpretation seines Erfolgs-Dreiakters „Der Hausmeister“ aus dem Jahr 1959. Eine ziemlich dürre Analyse, die aber als Abwehrreaktion auf den Versuch der plumpen Versinnbildlichung und Bedeutungsüberfrachtung seiner Dramen zu verstehen ist. Nicht müde wurde es der Nobelpreisträger, zu betonen, dass er sich in seinem Theater schlicht um realistische Figuren und Situationen bemühe. Nicht weniger hartnäckig wurden ihm seitens der Kritik Attribute des „absurden Theaters“, eine Nähe zu Beckett und Kafka oder die Freilegung von „Abgründen unter dem alltäglichen Geschwätz“ (Nobelpreis-Laudatio) zugeschrieben.

In ihrer Inszenierung am Münchner Residenztheater hält sich Andrea Breth an Pinters Empfehlung: Statt das Drama in einen höheren Sinnzusammenhang einzubetten, verlässt sie sich auf die Dynamik des Stückes selbst, auf das, was die drei merkwürdigen Protagonisten über 2 1/2 Stunden zu erzählen haben. Das Ergebnis ist das Gegenteil großer Bedeutungsgesten; es dominiert ein leises, präzises, nachhorchendes Hindurchbuchstabieren durch den Text.

Formal ist „Der Hausmeister“ eigentlich ein Konversationsstück, das sich ganz konventionell an die Einheit von Ort und Zeit hält. Zugleich ist es aber auch ein Stück über Sprache an einem befremdlichen, leicht irrealen Schauplatz: In sein Zimmer, eine grau-fleckige Rumpelkammer voller Sperrmüll und verrottetem Elektrokram (Bühne: Annette Murschetz), hat der beschränkt-naive Aston den Obdachlosen Davies aufgenommen und lässt ihn großzügig bei sich wohnen „bis sich etwas anderes ergibt“. In dieser Szenerie vollzieht sich das ganze Stück, mal im grellen Neonlicht, mal ganz im Dunkeln, meist  im von unten leuchtenden Spotlicht, das an Verhöre denken lässt (Licht: Gerrit Jurda). Typisch für Pinter: Erst einige Szenen später wird Mick erscheinen, sich als sorgender Bruder Astons sowie als Besitzer von Zimmer und Haus ausweisen. Um nicht vor die Tür gesetzt zu werden, muss sich Davies fortan mit beiden Brüdern gutstellen. Aus dieser Konstellation entwickelt Pinter ein well-made-Play rund um Machtgerangel und Machtverschiebungen. Psycho-Drama ausgeführt auf engstem Raum. Nach und nach blitzen Informationen auf, darf sich der Zuschauer einen Reim darauf machen, was diese drei Männer eigentlich antreibt. Vieles bleibt im Dämmerlicht der nackten Glühbirne jedoch nur angedeutet.

Klar ist: Alle drei stehen mächtig unter Druck, wurden bereits oder sind kurz davor, aus der Bahn geworfen zu werden. Jeder kreist um die eigenen Bedürfnisse, versucht aus dem anderen den eigenen Vorteil zu ziehen. Mehr Miteinander gibt es nicht. Also sind alle drei auch ziemlich unsympathische Gesellen. Am wenigsten vielleicht noch Aston (Shenja Lacher), der als misshandelter Ex-Psychiatriepatient mit seinem Lebensplan, im Garten einen Schuppen zu bauen, zumindest ab und an ins Träumen gerät. Und der den stinkenden und nachts „Geräusche machenden“ Davies zunächst einmal erträgt, weil der ihm zuhört, ihm ein wenig das Gefühl gibt, normal zu sein. Sein Bruder Mick (Norman Hacker) – in Stiefel und Kunstlederjacke – dagegen bleibt völlig undurchsichtig. Mal scheint er sich sadistisch am Ängstigen der anderen zu erfreuen, mal spielt er den großen Kümmerer.

Ein ausgesprochenes Ekel und armes Würstchen allerdings ist der von den Brüdern zum „Hausmeister“ erkorene Davies selbst. Doch was für ein agiles und bewegliches! Eine Bravourrolle für Hans-Michael Rehberg, die er virtuos in allen Facetten ausgestaltet. Leicht gebeugt, mit brüchiger Stimme spielt er den bösen Alten, der partout mit nichts zufrieden sein will, der vor Ressentiments, Unterstellungen und Beleidigungen überquillt und dann wieder vor Angst ganz zerfressen wirkt. Fast hündisch, wie er vor Mick liegend den Schwanz einzieht, um dann kurz darauf mit penetrant vorgestrecktem Kopf den zunehmend verstummenden Aston anzukläffen. Wie er jammert und schlurft und plötzlich wie ein Jugendlicher quicklebendig aufs Bett hüpft. Wunderbares Schauspielertheater, für das Pinter mit seinem Drama den Rahmen schafft.

Wie auch für eine psychologisch feinsinnige Studie über misslingende Kommunikation. Denn geredet wird hier jede Menge, mal als eine Art Selbstvergewisserung, mal um Dominanz auszudrücken, kaum aber um Nähe zum anderen zu gewinnen oder etwas über ihn zu erfahren. Aber dieses Nicht-Stattfinden von Beziehungen ist dann auch die Crux des Stücks. Denn wo der Zuschauer weder zu einer Identifikation mit den Bühnenfiguren und damit zum Ausloten tragischer Tiefen eingeladen ist, noch irgendeine Überdrehung der Situation etwa ins Grotesk-Komische stattfindet, da schwindet irgendwann — bei aller punktgenauer schauspielerischer Raffinesse – das Interesse an den Figuren. Wenn das lose Dreier-Gefüge am Ende zerbricht und Davies wieder auf die Straße gejagt wird, hat das nicht viel zu sagen. Weil die drei Männer ja auch nichts Nennenswertes miteinander verband.

Will man nun also nicht in das – selten näher bestimmte – Lob Pinters als „Meister des Geheimnisvollen und Rätselhaften“ einstimmen, so bleibt von dem Abend in der Tat nur dies: Ein Stück, das von einen Hausmeister und zwei Brüdern handelt – ergänzt sei: mit drei exzellent aufspielenden Darstellern. Dem freundlichen Premierenapplaus nach zu  urteilen, waren die Münchner damit zufrieden.

Christine Mannhardt

 Nächste Aufführungen: 5., 28. April sowie 9., 10., 14. Mai 2014

 

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