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MÜNCHEN/ PRINZREGENTENTHEATER: SALOME von Antoine Mariotte

06.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung in München: „Salomé“ von Antoine Mariotte (Vorstellung: 6. 3. 2014)

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Das Bühnenbild bot ein Labyrinth aus kreuz und quer laufenden Eisentreppen vom Boden bis zur Decke (Foto: A. T. Schaefer)

 Im Münchner Prinzregententheater, in dem die Bayerische Theaterakademie August Everding jedes Jahr einige Produktionen zeigt, kam es im Richard-Strauss-Jahr zu einer besonders interessanten Aufführung einer wahren Opernrarität: „Salomé“ des französischen Komponisten Antoine Mariotte (in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln).

Antoine Mariotte (1875 in Avignon geboren, 1944 in Paris gestorben) gab im Alter von 22 Jahren seine Laufbahn als Seeoffizier auf, studierte bei dem französischen Komponisten d’Indy und unterrichtete später in Lyon. Er leitete das Konservatorium von Orléans und von 1936 bis 1938 die Pariser Opéra Comique. Er schrieb fünf Opern, darunter Gargantua nach François Rabelais und Salomé nach dem gleichnamigen Schauspiel von Oscar Wilde. Die Uraufführung dieser Oper fand im Oktober 1908 in Lyon statt.

In seinem Beitrag für das sehr bunt gestaltete Programmheft über die Konzeption der Salome-Figur bei Richard Strauss und Antoine Mariotte , die fast zur gleichen Zeit ihre Oper komponierten, schrieb der Dramaturg Markus Hänsel: „Indem Strauss seine Salome zum Ziel ihrer Träume führt, verabschiedet er sich auch von der Idee des tragischen Scheiterns – folgerichtig steht bei seiner Oper auch nicht mehr wie noch im Wilde-Stück ‚Tragödie‘ im Untertitel, sondern lediglich ‚Musik-Drama‘. Ganz anders die Salomé Mariottes. In seiner ‚Tragédie lyrique‘ bleibt Salomé, die an ihrem Schicksal scheitert, zwischen den beiden ‚falschen‘ Männern zu stehen – dem einen, der sie auf ungehörige Weise begehrt, und dem anderen, der sie nicht begehren kann – eine tragische Figur.“

Balázs Kovalik, der an der Bayerischen Theaterakademie schon des Öfteren inszenierte, verlegte die Handlung in die heutige Zeit, wobei er mit vielen Symbolen arbeitete, die aber für das Publikum oft nicht schlüssig, sondern eher verwirrend waren. Durch die vielen kreuz und quer laufenden Stahltreppen vom Boden bis zur Decke (Bühnenbild: Csaba Antal) schuf er ein Labyrinth, in dem sich die vielen Darsteller und Statisten oft hektisch bewegten, als ob sie nicht mehr den richtigen Weg fänden.  Die Titelfigur agierte als Tänzerin im Ballettkleidchen (Kostüme: Angelika Höckner) und hatte in der Tänzerin Julia Alleen Kessler ein Double auf der Bühne. Schleiertanz gab es dennoch keinen, obwohl von sieben Schleiern die Rede war. Dafür gab es zwischen dem Tetrarchen Hérode und Salomé eine „Liebesszene“, die eher einer Vergewaltigung der Salomé glich und an Deutlichkeit kaum zu überbieten war. Auf der höchsten Treppe thronte ein Pferd (aus Pappmaché?), einige Fernseher oder Monitore standen herum, Pistolen waren auch im Gebrauch (sie dürfen in „modernen“ Inszenierungen nie fehlen!), eine Stewardess schritt auf den Stufen auf und ab und Hérodias saß im Rollstuhl. Geraucht wurde auch…

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Anna-Maria Thoma, die Zigaretten rauchende Salomé der Bayerischen Theaterakademie (Foto: A. T. Schaefer

In der Titelrolle überzeugte die deutsche Mezzosopranistin Anna-Maria Thoma sowohl darstellerisch wie auch stimmlich. Besonders in der Schlusssequenz begeisterte sie mit leidenschaftlichem und dennoch innigem Gesang. Als ihr Gegenspieler konnte der schwedische Bass Eric Ander mit seiner starken Bühnenausstrahlung und seiner kraftvollen Stimme punkten. Dem südkoreanischen Bass Heeyun Choi blieb als Prophet Iokanaan das Abschlagen seines Kopfes erspart – er kam aus seinem Verlies blutüberströmt auf die Bühne, damit Salomé seinen Mund küssen konnte.  

Wie schon erwähnt, saß die Mezzosopranistin Idunnu Münch als Hérodias im Rollstuhl, war stimmlich jedoch dadurch nicht beeinträchtigt. Als ihr Page, die in den jungen syrischen Hauptmann verliebt ist, überzeugte Nadja Steinhardt mit ihrem warmen Mezzosopran. Der in Salomé verliebte Syrer wurde vom südkoreanischen Tenor Ingyu Hwang mit großem körperlichem Einsatz gespielt und hell tönender Stimme gesungen. Die beiden Soldaten waren besetzt mit dem deutschen Bariton Benedikt Eder in schmucker Uniform und mit dem chinesischen Tenor Jiaxuan Li, der in Sportkleidung fortwährend mit einem Ball unterwegs war. Warum? Vielleicht weiß der Regisseur eine Antwort…

Die lyrisch-romantische Partitur des bei uns völlig unbekannten Komponisten, die auch immer wieder dramatische Klänge aufwies, wurde vom Münchner Rundfunkorchester unter der profunden Leitung von Ulf Schirmer sehr nuanciert wiedergegeben. Das Publikum war von der musikalischen Qualität der Aufführung begeistert und lohnte es dem jungen Sängerensemble (zwischen 1. und 7. Semester an der Bayerischen Theaterakademie) sowie dem Orchester und seinem Dirigenten mit lang anhaltendem Applaus, unter den sich auch einige Bravorufe für die Darstellerin der Titelrolle mischten.

 Der Bayerischen Theaterakademie muss man zur Ausgrabung dieses musikalischen Meisterwerks gratulieren! Ihr gelingt es immer wieder, das Publikum mit köstlichen Raritäten zu überraschen.

 Udo Pacolt

 

 

 

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