MÜNCHEN-Nationaltheater „Die Tote Stadt“ Korngold Premiere vom 18.Nov. 2019
Musikalischer Weltenwurf von Petrenko, Petersen und Kaufmann zu magerer kräftezehrender Szene in Aufführungstradition der 70er Jahre düsterer amerikanischer Sozialdramen
Einlassungen von Tim Theo Tinn
(Kursives für unwichtiges, aber ärgerliches Gewäsch –ggf. überscollen)
„Marcello“ hat im Merker -Forum die exakten Daten der Entstehung solcher Dramen notiert. Für lexikalisches Wissen: https://onlinemerker.com/forum/onlinemerker/ttt-fragen-ueber-fragen/
Hier finden sich auch erneut unreflektierte Aggressionen zum Rezensenten:
Unerträglich, … völlig unsinniges Zeug, …kapiert offensichtlich gar nichts!
… plustert sich …ungebührlich auf, abwertend …glänzt …durch fehlende Kenntnis (Lohengrin2)
selbstverliebte Schnurrereien, …kein grandioser Sprachkünstler(Anmerkung: stimmt!)
Der Anspruch eines 27jährigen, der z. B. T. Hampson als ekelig von der Bühne verweist, ist für mich gemein, verletzend und kenntnisfrei. Da werde ich als „fies“ gebrandmarkt. Offensichtlich stimmt hier jemand der Hampson-Diffamierung zu. (Dalmont + Karl)
Ersatz-Handke des Merker, …verbalinkontinente Duftmarke. (Karl)
Es betrübt, dass die online Anonymität Kinderstuben offenlegt. (für diese Menschen: hier schreibe ich keine launigen Essays)
Es hieße „Eulen nach Athen tragen!“, wenn die vielfach beschriebene Weltgeltung von Petrenko, Petersen und Kaufmann hier noch weit vertieft wird.
Sie haben sich auf ein Musiktheaterabenteuer eingelassen und damit die Weltgeltung der Bayrischen Staatsoper und ihre bekannte Qualität übertroffen.
Nicht zum ersten Mal: eine interpretative musikalische Referenzsichtung mit überirdischer kosmischer Wirkungsmacht – ein Jahrhundertereignis!
Petrenko und das Staatsorchester kreieren idealen wuchtigen Zugang …
Marlis Petersen: Orchester und Gesang bleiben ohne Dominanz mühelos beieinander, … großartige Wortdeutlichkeit, …übermächtige Kunst im genialen Können.
Jonas Kaufmann steht im Zenit seiner Möglichkeiten. Es bleibt erstaunlich, wie er den großartigen mächtigen Gesang über Stunden auch höchstem Niveau hält. Dabei fordert die Szene immer wieder kräftezehrende Aktionen (Leitern und Regale rauf und runter etc.)
Besetzung, Medien, Inhalt etc. https://www.staatsoper.de/stueckinfo/die-tote-stadt.html
Ursprüngliche Handlung ggf. besser hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_tote_Stadt
Die Tote Stadt ist musikalisch „Sturm und Drang“, das Korngold (Wunderkind) im Alter von 17 – 22 Jahren komponierte, dabei schuf er in jugendlicher Unbekümmertheit Gesangslinien, die nur wenige Sänger bewältigen. Das Libretto seines Vaters ist relativ simpel strukturiert.
„Glück, das mir verblieb,
rück zu mir, mein treues Lieb.
Abend sinkt im Hag
bist mir Licht und Tag.
Bange pochet Herz an Herz
Hoffnung schwingt sich himmelwärts“.
Seite 151 aus der komplexen Partitur (Anfang 2. Akt) eines 22jährigen Komponisten!
Im Rahmen der „Catbelling“ – Reihe untersuche ich derzeit die Zukunftsfähigkeit der Musiktheaterlandschaft und komme zur Frage, ob man sich nicht auf singuläre Konzerte, ggf. halbszenisch, beschränken sollte, wenn die Musiktheaterinszenierungen ihre theatrale Identität verlieren und in Konkurrenz zu anderen darstellenden Künsten (Film, TV etc.) treten, bzw. mit dortigen Vorführungen die Bühnenpräsenz in Frage stellen und immer wieder auch kinematografische Lösungen in die Bühnenpräsentation integrieren.
Die hier rezensierte Szene ist durchaus akzeptabel als uninspirierte Umsetzung. Da stimmt grundsätzlich Textbezug und Handlung – aber atmosphärisch? Es bleibt szenisch „lauwarm“.
Statisterie – Jonas Kaufmann klettert im Regal © Wilfried Hösl
Marlis Petersen, Jonas Kaufmann © Wilfried Hösl
Jonas Kaufmann, Marlis Petersen © Wilfried Hösl
Jonas Kaufmann, Marlis Petersen © Wilfried Hösl
Statisterie, Jonas Kaufmann © Wilfried Hösl
Jonas Kaufmann, Marlis Petersen © Wilfried Hösl
Jonas Kaufmann, Marlis Petersen © Wilfried Hösl
Das ist z. T. auch unterhaltsam, aber atmet keine musikalische Atmosphäre, ist nicht artifiziell für das Musiktheater „Die Tote Stadt“, sondern gegenwärtig und Alltag.
Das Bühnenbild ist Film-Kulisse, in der man beliebige Filme drehen könnte.
Dazu verweise ich auf meine Tosca Besprechung (szenischer abstrahierter Surrealismus … beinhaltet alle nötige Verortung in optischen Zitaten .. optische Theatersprache, die singulär nur hier …) https://onlinemerker.com/muenchen-gaertnerplatztheater-tosca-neuinszenierung/
Als uninformierter Zuschauer habe ich einen 70er Jahre Bungalow auf Drehbühne gesehen, in dem ein verwitweter Mann seinen Obsessionen nachgeht, versucht ein Abbild seiner toten Frau in einer ähnlichen Person zu erzwingen. Der Bungalow scheint auch Krebsklinik zu sein, da immer wieder glatzköpfige Frauen in OP-Hemden umherlaufen. Nach diverser Wirrnis erwürgt der Mann sein Substitut. Der Ersatz taucht aber wenige Minuten wieder auf, quicklebendig und fährt mit dem Fahrrad davon. Der Mann trinkt nun Bier aus der Flasche.
Wer die Geschichte also nachvollziehen will, sollte sich vor der Vorstellung informieren.
Tatsächlich ist die Vorlage, der Roman «Das tote Brügge» von Georges Rodenbach, Schlüsselwerk des französischen Symbolismus, davon hätte es mehr gebraucht als den tristen 70er Jahre Realismus.
Mir fehlt die tote Stadt, ein Haus als „Kirche des Gewesenen“ (Libretto), atmosphärisch Visionäres zu „dunklen Kais, schwarze Grachten, huschende Schatten, etc, (Luzi Korngold), Abgeschiedenheit und Weltentfremdung, verschwimmende Parallelwelten in Traum und Wirklichkeit, die spirituelle Erscheinung Pauls toter Frau. Es gibt keine Vision, keine Utopie, kein Traum, nichts Surreales, im besten Fall Andeutungen, wenn die Zimmerbeleuchtungen flimmern. Warum verweigert man nachvollziehbare szenische Transformation in werkimmanente Traumwelten, Visionen und Alpträume?
Fernand Khnopff – Une ville abandonnée – 1904
Korngold über die Tote Stadt: Die eigentümliche Brügge-Stimmung, der schwermütige Grundton, die beiden Hauptgestalten mit ihren fesselnden seelischen Konflikten, der Kampf der erotischen Macht der lebenden Frau gegen die nachwirkende seelische Macht der Toten, die tiefere Grundidee des Kampfes zwischen Leben und Tod überhaupt, insbesondere der schöne Gedanke notwendiger Eindämmung der Trauer um teure Tote durch die Rechte des Lebens, dabei überall eine Fülle musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten, all das zog mich an.
- 2019 Tim Theo Tinn
TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt, keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zu haben. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT lässt sich gern engagieren – publizistisch oder im Theater für weitere Aufgaben.
Tim Theo Tinn