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MINDEN: TRISTAN UND ISOLDE – Premiere

09.09.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Stadttheater Minden:  TRISTAN UND ISOLDE – Premiere am 8. September 2012

„Richard Wagner Verbände“ gibt es in vielen Städten. Satzungsmässige Aufgabe ist die finanzielle Unterstützung einer Stipendien-Stiftung, die Musikstudenten den Besuch von Aufführungen der Bayreuther Festspiele ermöglicht – im Zeitalter von TV- und Kinoübertragungen, YouTube und Live-Stream im Internet und fast sofortiger Verfügbarkeit der Aufführungen auf DVD nicht mehr so interessant wie früher.

Daneben organisieren diese Verbände auch eigene Veranstaltungen und dabei ist wohl kaum einer so erfolgreich wie der „Richard Wagner Verband Minden“ mit der Vorsitzenden Frau Dr.Hering- Winckler unter der Schirmherrschaft von Verena Lafferentz-Wagner, Enkelin Richard Wagners und Witwe des besonders in der Nazizeit tätigen Industriemanagers Dr. Bodo Lafferentz, die bei einem Festakt geehrt wurde.

In dem kleinen Stadttheater (ca. 500 Plätze) organisiert Frau Dr. Winckler Aufführungen von Opern Wagners, wobei sie in der Nordwestdeutschen Philharmonie unter der Leitung von Frank Beermann dafür den idealen Partner gefunden hat. So konnten bisher der „Holländer“, „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ aufgeführt werden – Regisseure immerhin u.a. Keith Warner und John Dew! In diesem Jahr folgt zum 100-jährigen Bestehen des Wagner Verbandes „Tristan und Isolde“ in der Regie von Mathias von Stegmann, der im nächsten Jahr in der Oberfrankenhalle in Bayreuth den „Rienzi“ inszenieren soll. Nach Minden war auch Eva Wagner-Pasquier angereist.

Bedingt durch die Grössenverhältnisse im mehr als 100 Jahre alten Theater wurde das Orchester (mit Celli rechts) auf der Bühne platziert hinter einem schmalen Steg, auf dem die eigentliche „Handlung in drei Aufzügen“ sich abspielte, sodaß die Sänger Kontakt mit dem Dirigenten nur über drei Monitore erhielten. Der Bühnenraum hinter dem Orchester wurde dann abgeschlossen durch einen mit Licht angedeuteten Schiffsbug, wobei überhaupt die Lichtregie (Mariella von VequelWesternach) besondere Bewunderung verdient. Als „Leuchte“ im II. Aufzug diente ein erleuchtetes rotes Tuch, für die „Liebesnacht“ wagte sie sogar einen dunkelblauen Sternenhimmel.

Auf dem Steg vor dem Orchester und über dem Orchestergraben befanden sich im ersten Aufzug neben Isoldes Koffer für die beiden Getränke mehrere der kleine Boote, die im II. Aufzug unter der Decke hingen und im III. Aufzug zerborsten wieder auf der Bühne lagen, wobei zu dessen Beginn ein zerborstenes Boot nebst roter Laterne von der Decke herunterhing. Für die „Liebesnacht“ gab es dann als Beleuchtung viele Windlichter (Bühnenbild und auch die zwischen Entstehungszeit und heute angesiedelten Kostüme Frank Philipp Schlössmann)


Dara Hobbs, Andreas Schager. Foto: Friedrich Luchterhandt

Passend zu diesen Raumverhältnissen erzählte Regisseur von Stegmann die „Handlung“ ohne falsche Zusätze oder Deutungen, erfreulicherweise auch ohne Biografieelemente Wagners einzubauen.

Durch die Anordnung von Sängern vor dem Orchester agierten diese direkt zum Publikum hin und konnten die wechselnden Emotionen viel deutlicher vor dessen Augen führen,  als wenn der gewöhnliche Orchestergraben beide trennt. So kam besser zur Geltung, daß etwa Isolde den Splitter von Morolds Schwert im I. Aufzug als Andenken an einer Halskette bei sich trug, Tristan kam dann mit dem Rest-Schwert auf die Bühne. Oder etwa, daß Isolde sich im II. Aufzug bei Markes Klage mitleidig zu ihm setzt.


Dara Hobbs, Andreas Schager. Foto: Friedrich Luchterhandt

Dieses genaue Spiel gelang keinem besser als der Isolde von Dara Hobbs und dies natürlich vor allem im I. Aufzug. Zwischen stolzer irischer „Maid“, ironischem Spiel vor dem betröpfelt dastehenden Tristan, verzweifelter Liebe und auch verführerischem Umgarnen, um ihm den Todestrank schmackhaft zu machen, das alles spielte sie großartig und gab dem auch gesanglich mit ihrer grossen Stimme Ausdruck, hohe und tiefe Töne gleichermaßen treffend,  aber auch zu legato und piano fähig. Da auf Übertitel verzichtet wurde, war die Textverständichkeit besonders wichtig, und auch das gelang ihr, soweit das bei hochdramatischen Sopran überhaupt möglich ist.

Ihr Liebestod, nach dem sie aufrecht die Bühne verließ, war da natürlich großartig.


Dara Hobbs. Foto: Johannes Heckmair

Auch sonst waren grosse Wagner – Stimmen zu hören, für das kleine Theater zu groß! Besonders wenn vor dem Bühnenportal auf dem verdeckten Orchestergraben gesungen wurde, klangen sie häufig zu laut.

Andreas Schager sang den Tristan mit baritonal klingendem metallischem Tenor, vielleicht im II. Aufzug etwas wenig flexibel, dafür meisterte er die Fieberfantasien des III. Aufzuges trotz fehlendem Strich im II. Aufzug treffsicher ohne hörbare Ermüdung und liess für „Wie sie selig hehr und milde“ dann noch schönes legato hören. Wenn man den jungen Mann sah, fragte man sich, wie aus diesem schlanken Körper eine so gewaltige Stimme kommen kann.


Andreas Schager. Foto: Johannes Heckmair

Über diese verfügte auch der Kurwenal von Roman Trekel, der sang aber zudem sehr kultiviert, nie zu laut, weitgehend textverständlich und flexibel – man hörte ihm den Liedersänger an. Zudem mußte er im III. Aufzug, um auf die Warte zu steigen, gewagte Kletterpartien ausführen.

Ruth Maria Nicolay als Brangäne sang wenig textverständlich mit gleichbleibend lauter Stimme, bei den langgezogenen Tönen der „Habet Acht“ – Gesänge im II. Aufzug war ein Vibrato nicht zu überhören.


Ruth Maria Nicolay, Dara Hobbs. Foto: Friedrich Luchterhandt

Von diesem war auch James Moellenhoff als König Marke mit seiner mächtigen Baßstimme und auch mächtigen Figur nicht ganz frei, er spielte aber sehr eindrucksvoll den an allem zweifelnden enttäuschten Ehemann.


Roman Trekel, Andreas Schager, Ruth Maria Nicolay, Dara Hobbs, James Moellenhoff. Foto: Friedrich Luchterhandt

Auch die anderen Partien waren mit Thomas de Vries als Melot und Sebastian Eger als Steuermann gut besetzt, wobei der Tenor von André Riemer zu Beginn als junger Seemann aufhorchen ließ.

Star des Abends war aber die Nordwestdeutsche Philharmonie unter Frank Beermann. Der ganze musikalische Farbenrausch der Partitur war zu hören, das Zusammenspiel mit den Sängern nur über die Monitore war makellos, diese wurden nie übertönt. Daß das Orchester auch anders konnte, hörte man zum Schluß des Vorspiels. Die Hörner aus der Höhe zu Beginn des II. Aufzuges spielten lupenrein, die Soli der I. Geige beim grossen Duett oder der Baßklarinette bei Markes Klage im II. Aufzug klangen sehr schön, traumhaft das Englisch-Horn für die alte Weise des III. Aufzuges.

Die kleinen Chorpartien im I. Aufzug wurden seitlich hinter der Bühne gesungen vom extra für die Aufführung aus Laien-Chören der Umgebung gebildeten Wagner-Chor Minden 2012. Die Aufführung zeigte, daß die Einstudierung durch Kreiskantor Thomas Wirtz gelungen war.

Überhaupt waren an der Aufführung viele Mindener beteiligt, das Programmheft nennt über 150 Sponsoren, bayreuth-ähnliche Signale zu den Pausenenden wurden durch den Bläserkreis der Schaumburg-Lippischen Landeskirche ausgeführt, durch Mitwirkung bei Beleuchtungsproben konnte man eine Karte für die Generalprobe erarbeiten und als Statisterie im I. Aufzug wirkten Schüler des Ratsgymnasiums Minden mit.


Roman Trekel, Andreas Schager, Ruth Maria Nicolay, Dara Hobbs. Foto: Friedrich Luchterwaldt

Für Schüler gibt es auch eine geschlossene Vorführung, hat doch Regisseur Mathias von Stegmann einen „Ring“ für Kinder entwickelt, der in Wien und Zürich aufgeführt wird.

Nach alledem ist nicht verwundertlich, daß Mindener und auswärtige Wagner-Fans trotz einiger leer gewordener Plätze nach dem II. Aufzug begeisterte Bravos riefen und stürmisch Beifall klatschten, auch stehend, als Dank für diesen grossen Wagner-Abend in der kleinen Stadt.

Sigi Brockmann

Restkarten für die folgenden Aufführungen sind noch erhältlich

 

 

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