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MIKULOV / Amphietheater: Richard Wagners TRISTAN UND ISOLDE

Wagner wagen im Weinviertel – es hat sich gelohnt

20.08.2020 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

 

Christian Voigt (Tristan), Radostina Nikolaeva (Isolde). Alle Fotos: Weinviertler Festspiele / Gesine Görlich-Fletzberger

MIKULOV (NIKOLSBURG) / Amphitheater: Richard Wagners TRISTAN UND ISOLDE

2. Aufführung in dieser Inszenierung (Derniere)

19. August 2020

Von Manfred A. Schmid

Nach der von Unwetter und anderer Unbill geplagten Premiere von Tristan und Isolde am 13. diese Monats konnten die grenzüberschreitenden Weinviertler Festspiele – sieht man von aus der Nähe abgefeuerten Gewehrsalven im Ersten Akt und  dem zuweilen stark vernehmbaren Verkehrslärm auf einer am oberen Rand des Amphitheaters vorbeiführend Straße einmal ab  – mit einer von äußeren Beeinträchtigungen weitgehend ungestörten Reprise abgeschlossen werden. Aufgeboten wurde bei dieser Derniere allerdings eine total erneuerte Besetzung, die die hohen Erwartungen nur zum Teil erfüllen konnte. Gleichgeblieben ist nur das solide aufspielende Ambassade Orchester Wien und der souverän durch den Abend leitende Dirigent Matthias Fletzberger.

In dem aus kommunistischer Zeit stammenden Amphitheater von Mikulov, das wohl vor allem für Kinovorführungen geeignet war, zaubert Siegwulf Turek, unterstützt durch Animationen Marina Emges, mittels Projektionen Bilder auf die riesige, weißgetünchte Mauer, die als Kulisse vollauf genügen. Richtig zur Geltung kommen sie allerdings erst mit dem Einsetzen der Dunkelheit nach rund einer Stunde. Ansonsten ist die Bühne, mit Ausnahme eines bescheidenen Häufchens in der Mitte, leer. Der Personenführung kommt, unter diesen Umständen, in der Regie von Edmund Emge besondere Bedeutung zu. Nicht alles gelingt. Manchmal sind holprige Abläufe zu beobachten, der weitläufige Bühnenraum hätte adäquater genützt werden können.

Als Tristan kommt Christian Voigt zum Einsatz. Ein eher lyrischer Tenor mit nicht allzu großer Stimme, dem es für diese Open-Air-Produktion an Durchschlagskraft mangelt und dem erstaunliche viele Phrasierungen nicht so recht gelingen wollen. Wo er sehnsüchtig schmachtend in Liebe erblühen sollte, wirkt er oft nur weinerlich. Diesmal leider nur ein Tristan light.

Lyrisch, aber durchaus auch dramatisch angelegt ist der Sopran von Radostina Nikolaeva. Die an der Oper in Sofia engagierte Sängerin besticht durch eine starke Bühnenpräsenz und entwickelt sich – vor allem im Liebes-Duett mit Tristan im Zweiten Aufzug sowie in „Isoldes Verklärung“, wie Richard Wagner die Schluss-Szene nannte (und nicht „Isoldes Liebestod“ wie heute üblich) zu einer eindrucksvollen, hochdramatischen Isolde. Als ihre Dienerin Brangäne macht Kethy Tavardi-Davis stimmlich leider keine gute Figur. Schrill und unrund klingen ihre Interventionen.

Kethy Tawardi-Davis (Brangäne), Radostina Nikolaeva (Isolde)

René Pape beeindruckt schon, wenn er nur Bühne betritt, was in dieser Oper erst relativ spät erfolgt. Und dies umso mehr, wenn die männlichen Stimmen, die zuvor zu erleben sind, sich als ziemlich inhomogen und unbefriedigend erweisen. Am ehesten bewährt sich noch Thomas Gazheli als Kurwenal, Diener und Berater von Tristan. Ein kraftvoller, sonorer Sänger, der sich tatsächlich als Heldenbariton einstufen lässt. Blass bleiben hingegen Thomas Markus als Melot und Edmund Emge als Steuermann. Mehr Potenzial zeigt Ales Briscein als Hirte kantabler Hirte und junger Seemann.

Da erscheint, wie bereits erwähnt, der imposante, stimmstarke und darstellerisch ungemein präsente René Pape gerade im rechten Augenblick und veredelt diese Aufführung mit seiner ausgefeilten Darstellung des vom besten Freund betrogenen König Marke. Enttäuschung, Zorn und Trauer, alle diese starken Emotionen, die ihn bewegen, weil ihm Tristan seine Braut weggenommen hat, verpackt er in seinem Auftritt. Glaubhaft lässt er  verspüren, dass er sich dem ungetreuen Verräter gegenüber – von dem durch Brangäne verabreichten Liebstrank weiß er ja nichts – dennoch weiterhin innig verbunden fühlt, was den Schmerz nur noch steigert.

Fazit: Imponierend, was das wagemutige Unternehmen, die Wagneropern Der fliegende Holländer und Tristan und Isolde im – etwas erweiterten – Weinviertel innerhalb kürzester Zeit auf die Bühne zu bringen, allen widrigen Umständen zum Trotz zustande gebracht hat. Man hätte sich allerdings mehr Publikumszuspruch erwarten können, denn die Besucherzahl war bei dieser letzten Aufführung der Weinviertler Festspiele beschämend gering. Aber der engagierten Truppe rund um Festivalpräsidentin Eva Walderdorff und Festspielintendant Peter Svensson ist zu ihrem weitgehend erfolgreichen Start herzlichst und dankbar zu gratulieren. Aus Fehlern kann man lernen, daher ist zu hoffen, dass es nicht bei diesem einzigen, durchaus respektablen Versuch bleiben wird. Wagner wagt man eben. Wenn man sich traut. Und dieser Truppe möchte man das gerne – unter verbesserten Bedingungen – auch im nächsten Jahr zutrauen.

 

 

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