
Markus MARQUARDT – mit ernst auf der Bühne…

… aber heiter im Leben
Anlässlich der Neuinszenierung von Janáceks
Vec Makropulos
hat der MerkerOnline mit dem Sänger des Jaroslav Prus, dem Bariton
MARKUS MARQUARDT
ein Gespräch geführt. Jaroslav Prus, das ist der Gegenspieler des von Emilia Marty unterstützten Albert Gregor in einem schon an die hundert Jahre dauernden Prozess um die Erbschaft von Baron Prus.
Herr Marquardt, erzählen Sie etwas über Ihre Rolle in diesem Stück.
Ich, als Jaroslav Prus habe in diesem Prozess alles unter Kontrolle, alle Papiere sind jetzt in meinem Besitz gelangt. Und die Emilia Marty, wie sie auch immer heißt und welchen Namen man ihr immer dranhängt, die möchte an die Papiere heran.
Ich glaube, der Jaroslav Prus ist eine absolut tolle Partie was die seelischen Fallhöhen angeht. Der kommt erstmals geschäftsmäßig gegen Ende des ersten Aktes herein und versucht zunächst die aufgefundenen Papiere auszuspielen. Die Fallhöhe fängt dann an, wenn er von der Aura dieser tollen Frau angesteckt wird. Das führt dazu, dass er zwischen dem zweiten und dritten Akt ein sexuelles Erlebnis mit dieser Frau hat, also die nächste Fallhöhe in das sexuelle Vergnügen, welches er sich erhofft. Das stellt sich aber am Anfang des dritten Aktes als Trugschluss heraus. Er ekelt sich vor sich selber, nachdem er mit dieser Frau, die sich als gefühlskalt herausstellte und so überhaupt nicht dieser Vamp war, von dem er vorher gelesen hatte. Kurz danach bekommt er die Nachricht, dass sein Sohn sich umgebracht hat, wieder ein Fall in die nächste Ebene.
Weiß tatsächlich niemand von dem Geheimnis, dass in den Papieren, vor allem in dem Kuvert steckt?
Richtig, denn das kommt erst am Schluss heraus. Es kennt ja keiner das Kuvert oder dessen Inhalt, es kommt erst zur Auflösung bei dem wunderbaren Schluss, wo wir nur noch als quasi Statisten auf der Bühne sind und die tolle Laura Aikin ihre große Szene hat. Da sind wir alle nur noch Zuträger für sie.
Verbrennt zuletzt die Figur der Kristina in dieser Inszenierung das ererbte geheimnisvolle Kuvert, so wie im Libretto vorgegeben?
Natürlich. Wir haben in Peter Stein einen Meister seines Faches, der stark an der Interaktion arbeitet, er hält sich auch sehr ans Libretto und an den Notentext, man soll ja nicht mehr hineininterpretieren als da ist, es reicht ja schon, wenn man es schafft, das auf die Bühne zu bringen, was vorhanden ist. Vor allem ist mir eines aufgefallen: wir haben einen Altmeister in der Regie und einen jungen Dirigenten der in nächster Zeit auch einmal seinen Altmeister mit Erfolg stellen wird. Das ist ein ganz großes Glück, diese beiden für diese Produktion zu haben. Es war zwischen beiden und unter uns allen immer eine Superstimmung. Wenn das als Produkt auf die Bühne rüberkommt, muss das ein großer Erfolg werden.
Wollten Sie dreihundert Jahre alt werden?
Nein, diese Erkenntnis kam mir nicht erst durch dieses Stück, sondern schon vorher. Ich habe in einem anderen Zusammenhang schon einmal darüber nachgedacht. Wenn ich an meine zeitweiligen und noch im Anfang befindlichen Kreuzschmerzen denke, kann ich mir nicht vorstellen, die noch über 250 Jahre herumzuschleppen. Dann ist das Leben in einer höheren Ebene schon erträglicher
Auch der geheimnisvollen E.M. in all ihren vielen Namen macht dieses Leben absolut keinen Spaß mehr. Keinen Spaß mehr nett oder böse zu sein. Es ödet sie alles an.
Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Offensichtlich wurde festgestellt, dass ich ein musikalisches Talent besitze und das wurde von meinen Eltern gefördert, ich habe Konzertgitarre bereits im Elementarunterricht gelernt.
Und wie kamen Sie zur Oper?
Die Liebe zur Oper kam zunächst ganz aus mir heraus, denn zu Hause gab es dafür keinen Anstoß. In Düsseldorf gab es aber die Möglichkeit, Schülerkarten für das Opernhaus zu bekommen. Dabei fand ich es immer ganz phantastisch, dass so weit entfernte und so klein wirkende Menschen (Die Schülersitze waren nun einmal weit von der Bühne entfernt) so hörbar laut singen konnten. Und das fand ich immer ganz toll. Erst in der Oberstufe ist es dann passiert, dass mich mein damaliger Musiklehrer angesprochen hat und sagte: „Herr Marquardt, sie haben eine so tolle Sprechstimme, wollen sie nicht etwas daraus machen?“
So habe ich mit dem klassischen Gesang angefangen, allerdings erst mit zwanzig Jahren, also relativ spät. Ich bin in einen Kirchenchor eingetreten und der Kantor in diesem Kirchenchor wurde von Anfang an mein Lehrer. Ich unterrichte ja auch hin und wieder selber und frage mich oft, ob ich das was ich heute lehre auch selber noch einhalte. Dieses Selbstkorrektiv ist für mich wichtig. In jungen Karrierejahren verfolgte mein Lehrer öfter die Vorstellungen und hatte mich, wenn notwendig, öfter wieder auf die Ideallinie des Parts zurückgeführt.
Sind Sie verheiratet?
Nein, nicht verheiratet, aber in Partnerschaft. Wir haben keine Kinder. Ich sage meiner Lebensgefährtin immer, das größte Kind bin ich selber.
Und sie werden entsprechend verwöhnt?
Genau.
Darf man das so schreiben?
Da lacht sie hoffentlich darüber, denn lachte sie nicht darüber, würde sie ja nicht meine Freundin sein.
Thema Freizeit
Ich habe früher leistungsmäßig Handball gespielt, sogar in die dritte Liga haben wir es geschafft. Und in der Jugend sogar in die höchste Liga, das denkt man gar nicht, denn ich war zwar schlanker, aber leider auch nicht größer. Aber als ich merkte, dass ich es nie in die Bundesliga schaffen werde, habe ich mit dem Singen angefangen und damit neue Ziele bekommen. Man wird ja nicht Berufssänger, weil man meint, man müsse jetzt Sänger werden, sondern das entwickelt sich aus einer Lust und Affinität heraus. Das ist ja kein Beruf wie ein Bankkaufmann oder ähnliches, dass man sagt, ich erlerne das jetzt und werde das jetzt auf jeden Fall. Nein, da gehören ja mehrere Komponenten dazu.
Was haben sie ursprünglich gelernt?
Ich bin Industriekaufmann. Mein Vater hat gesagt, Du kannst machen was Du willst, zuerst wirst Du aber einen Beruf fertig erlernen. Es war keine schlechte Entscheidung, so erfuhr ich wenigstens, wie es im richtigen Leben zugeht, denn wir Sänger leben ja so ein bisschen unter der Käseglocke. Ich bin nicht der demütigste Mensch, aber so arbeiten zu dürfen wie ich es kann, gerade auf diesem hohen Niveau, auf dem ich tätig sein darf, das ist unbezahlbar. Ich will ja nicht schleimen, aber wenn man die Möglichkeit hat, an der Wiener Staatsoper singen zu dürfen, das ist eine Ehre, was will man noch mehr! Es gibt vielleicht auf der Ebene dieser Oper noch andere Häuser, aber nichts darüber. Allein dieses Fach singen zu können, was ich hier singen darf.
Handball wäre kurzfristiger gewesen, doch ich hätte es auch nicht so lange geschafft. Aber ich habe mit dem Singen nicht angefangen, weil ich Sänger werden wollte, sondern weil es mir Spaß machte. Es war eher der sportliche Ehrgeiz dahinter, zu schauen, wie weit ich komme.
Und das Schauspiel?
Zum Schauspiel hatte ich nicht den Zugang, da war ich eher nur Konsument.
Und die Erfahrungen auf dieser Bühne hier in Wien, wie ist das Publikum?
Das Wiener Publikum, das Kernpublikum zumindest, geht ins Haus und weiß Bescheid um die Historie und wer da schon aller gesungen hat und wer da schon seine Fußabdrücke hinterlassen hat, und das sollte man sich auch vorstellen, wenn man hier als Sänger auf die Bühne kommt und diesen Spuren nachgeht.
Wo geht der sängerische Weg hin?
Immer diesen Weg weiter, der momentan beschritten ist. Ich habe 1996 in Stuttgart mein erstes Engagement angetreten und habe in der zweiten Spielzeit schon Sarastro gesungen, da war ich sozusagen noch ein „Bässchen“ und habe immer gedacht, die Traumpartien, die ich nie singen werde, die wären der Fliegende Holländer, in meinen Augen immer eine wunderbare Geschichte und eine tolle Oper und der Rigoletto. Inzwischen habe ich schon in mehreren Produktionen den Holländer gesungen und ebenso den Rigoletto. Ich hatte in meinen Anfängen nicht im Traum daran gedacht, diese Rollen je singen zu können. Und bei meinem ersten Wotan nannte mich eine Kollegin ob meiner damaligen Jugend „Baby Wotan“.
Wie kamen Sie mit der Tschechischen Sprache zurecht?
Für den tschechischen Text habe ich mir eine Lehrerin genommen und die Textgeschwindigkeit mit dem Metronom kontrolliert. Die Sprache sollte nicht als Schwierigkeit wahrgenommen werden, vor einem dreiviertel Jahr begann ich mit dem Studium der Rolle des Jaroslav Prus. Es ist ja meine erste Rolle in Tschechisch, sonst waren meine Auftritte bei Janacek nur auf Deutsch.
Wären da noch unerfüllte Wünsche?
Zwei Rollen bleiben sicher immer auf der Wunschliste, zum einen im italienischen Fach der Falstaff.
Ja und was gibt es denn im deutschen Fach mehr zu wünschen, als den Hans Sachs. Das wäre schon das non plus ultra.
Herr Marquardt, vielen Dank für das Gespräch und eine schöne Premiere
Über Vorstellungen an der Wiener Staatsoper und Rollenverzeichnis Beilage 1 und 2
Peter Skorepa
MerkerOnline
Fotos:
M.Marquardt: privatInterview: (C) P.Skorepa
Beilage 1
Markus Marquardt : Vorstellungen an der Wiener Staatsoper
Titel des Werks |
Rolle/Funktion der Person |
Datum der ersten/letzten Vorstellung |
Anzahl der Vorstellungen |
Amonasro |
14.03.2013–18.10.2013 |
8 mal |
|
Der Goldschmied Cardillac |
29.03.2012–04.04.2012 |
3 mal |
|
Don Fernando |
20.10.2011–30.10.2011 |
4 mal |
|
Don Fernando |
09.09.2011 |
1 mal |
|
Jochanaan |
22.10.2011–18.05.2012 |
5 mal |
Beilage 2:
Markus Marquardt : Vita
Der deutsche Bass-Bariton Markus Marquardt hat sich in den vergangenen Jahren als einer der gefragtesten Interpreten im italienischen und deutschen Heldenfach Repertoire etabliert. Ein Ensemblemitglied der Semperoper Dresden seit 2000, hat er dort bislang Dr. Schön in Lulu, Jochanaan in Salome, Figaro in Le Nozze di Figaro, Leporello in Don Giovanni, Giorgio Germont in La Traviata, Colline in La boheme, Scarpia in Tosca, Orest in Elektra, Peter in Hänsel and Gretel und die Titelpartien in Cardillac, Macbeth und Der Fliegende Holländer gesungen. Zu weiteren Engagements gehören Wotan in Die Walküre und Nabucco an der Oper Leipzig, Holländer, Rigoletto und Wanderer in Siegfried an der Oper Stuttgart, die Titelpartie in Gianni Schicchi an der Deutschen Oper am Rhein, Amonasro in Aida und die Titelpartie in in Hindemiths Cardillac an der Wiener Staatsoper, Don Fernando in Fidelio und Doktor in Wozzeck am Teatro alla Scala in Mailand, Jochanaan in Salome an der Wiener Staatsoper und dem Teatro di San Carlo in Neapel, Bauer in Schönbergs Gurrelieder an der Niederländischen Nationaloper in Amsterdam und Graf Adorno in Schreker’s Die Gezeichneten an der Opéra de Lyon. In der Spielzeit 2015/16 kehrt Markus Marquardt an die Wiener Staatsoper als Jaroslav Prus in Die Sache Makropulos, nach Stuttgart als Rigoletto und Jochanaan und nach Leipzig and Dresden als Wotan zurück. In Dresden wird er ausserdem als Giorgio Germont, Orest, Colline in La boheme, Scarpia, Holländer und als Mathis in Mathis der Maler zu sehen sein. Markus Marquardt hat bislang mit Dirigenten wie Fabio Luisi, Franz Welser-Möst, Tomas Netopil, Cornelius Meister, Alexander Joel, Sebastian Weigle, Markus Poschner, Ulf Schirmer, Asher Fisch, Peter Schneider, Massimo Zanetti, Michael Boder und Regisseruen wie Nikolaus Lehnhoff, Stefan Herheim, Philipp Himmelmann, Peter Mussbach, Richard Jones, Johannes Schaaf, Tatjana Gürbaca, Jossi Wieler and Sergio Morabito und Achim Freyer gearbeitet.
Die Beilagen enthalten Auszüge aus dem Archiv der Wiener Staatsoper
P.S.