Konzert in der Philharmonie Luxemburg, 18. Dezember 2013. Patricia Kopatchinskaja und das London Philharmonic Orchestra, Dirigent Vladimir Jurowski
Nikolai Rimski-Korsakov: Suite aus der Oper: Die Nacht vor Weihnachten (1895)
Sergej Prokofjew: Zweites Violinkonzert (1935)
Sergej Rachmaninow: Symphonische Tänze (1940)
Russischer Reigen mit gebändigter Teufelsgeigerin
Teufelsgeigerin, Hexenmeisterin, Wildsau unter Hausschweinen – gerne wird die quirlige Violinistin Patricia Kopatchinskaja mit dieser Art Attribute bedacht, wenn sie, barfuss spielend, voller Inbrunst, ihre Geige zum Tanzen bringt. Umso überraschender, wie sie in der Luxemburger Philharmonie Prokofjews zweites Violinkonzert beginnt: Sanft hauchend, fragend, bewegt sie sich auf die Celli zu, wandelt auf Teppichen von Klarinett- und Fagottklängen. Nicht wild um des wild sein willens, sondern gedämpft und gebändigt nimmt sie die Vibrationenen des Orchesters auf, bleibt aber voll Temperament und risikobereit, wenn es das Stück erfordert, mit ausdrucksvoll hohen Tönen auf den tiefen Saiten. Im Andante assai lotet sie die ganze, zuweilen melancholische Tiefe, des Mittelsatzes aus, bevor es dann im Allegro ben marcato, wieder rasant zugeht, feurig und dynamisch, bis sich alles manisch-perkussiv steigert hin zum wuchtigen Pizzicatoschlag. Viel Beifall gibt es für die famose Geigerin, die ihre zwei Zugaben, auch hier unkonventionell, spielfreudig zu Duetten figuriert, einmal mit einem Klarinettisten, dann mit dem ersten Violinisten des Orchesters.
Eine schöne Idee hatte die Luxemburger Philharmonie, als sie vor dem Konzert, anstatt sonst üblicher Konzerteinführungen, ein filmisches Porträt der Geigerin zeigte: „Ich kenne dich, ich habe dich spielen gehört“. Hier werden die Wurzeln der aus Moldawien stammenden Künstlerin in der Volksmusik deutlich, die Migration nach Wien, die Prägung durch die Musiker-Eltern. Der Zuschauer begleitet die Künstlerin auf verschiedenen Konzerten quer durch Europa, von London nach Berlin, und ist dann umso gespannter darauf, sie gleich eine Etage höher live erleben zu dürfen.
Bereits vor dem Violinkonzert zeigte das von Vladimir Jurowski virtuos dirigierte London Philharmonic Orchestra bei Rimski-Korsakows Suite „Die Nacht vor Weihnachten“ seine ganze Varianz und Vielstimmigkeit: In dem melodisch und tonmalerisch angelegten Werk bringen vibrierende Streicher-Sforzati Kometen zum Funkeln, leiten fulminante Trommelwirbel die Polonaise der Kosaken und führt gedämptes Blech in teuflische Tiefe, bevor sanfte Glocken auf Weihnachten einstimmen. Die Dramaturgie der auf Prokofjew folgenden, teils martialisch, teils düsteren symphonischen Tänze Rachmaninoffs, meistert der Londoner Klangkörper souverän, wenn auch ein wenig routiniert. Das Alleluja der Auferstehung beschließt die Tänze und diesen schön zusammengestellten Reigen russischer Orchestermusik.
Thomas Böckenförde