Lübeck bietet sechste Fassung von Verdis “Don Carlo“. Premiere am 9.11.2013
Von Horst Schinzel
Foto: Oliver Fantitsch
Von Verdis düsterer Oper „Don Carlo“ existieren fünf Fassungen. Seit diesem Freitag eine sechste. In Lübeck wurde für die Premiere in der Inszenierung von Sandra Leupold – die sich erstmals mit diesem Werk auseinandergesetzt und den Lübecker Musikfreunden eine höchst ungewöhnliche Regierkonzeption vorgestellt hat – eine Fassung erarbeitet, in die zwei wichtige Szenen aufgenommen worden sind, die der Komponist vor dar Uraufführung in Paris ausgeschieden hatte. Eine Neuerung, die dem Werk gut bekommen ist. W i e Sandra Leupold allerdings diese Oper in das düstere Bühnenbild von Stefan Heinrich mit den historisierende Kostümen von Jessica Rockstroh gestellt hat, ist zumindest gewöhnungsbedürftig.
Wichtigster Bestandteil dieser Einstudierung ist ein großes Loch im Bühnenboden, in das die Mitwirkenden ab- und aufsteigen. Gitter umschließen es. Auffallend die fahlgeschminkten Gesichter mit hohem Ansatz der Perücken. Über weite Strecken agieren die Sänger statutarisch. Höhepunkt ist das Quartett Philipp, Posa, Elisabeth und Eboli. Die Sänger stehen in diesem Loch und nur die Oberkörper ragen heraus.
Auch ist der König viel zu jugendlich in seiner Maske. In der Arie „Sie hat mich nie geliebt“ besingt er dazu im Gegensatz sein graues Haar. Auf anderen Seite sind der Regisseurin im Autodafé und in der Rebellionsszene großartige Volksszenen (Choreinstudierung Joseph Feigl) gelungen. Ein seltsamer Anachronismus ist es allerdings, wenn Posa zweimal ansetzt, sich eine Zigarette anzuzünden.
Äußerlichkeiten, über die man diskutieren kann. Musikalisch ist dieser Abend ein großartiges Erlebnis. Der neue Generalmusikdirektor Ryusuke Numajiri steht zum ersten Mal am Pult einer Opernaufführung. Herausragend, was er aus dem Philharmonischen Orchester herausholt. So klar und unbeschwert hat man das Orchester selten gehört. Vor allem dämpft der neue GMD die Lautstärke. Nie werden die Sänger übertönt. Und diese Sänger – gleich ob Gäste oder Mitglieder des Ensembles – sind von herausragender Qualität. Die Argentinierin Carla Filipcic Holm – ihr Deutschland-Debüt – und die Serbin Sanja Anastasia als Elisabeth von Valois und Prinzessin Eboli beeindrucken durch ihre gewaltigen Stimmen und deren Schönheit. Deren Stimmführung ist übersaus eindrucksvoll. Nie ermüden sie an diesem langen Abend. Ihre Gegenspieler sind der georgische Bass Shavleg Armasi als Philipp, der durch sein Engagement in Kiel in der Region wohl bekannte Yoonki Baek als Don Carlo und das Ensemblemitglied Gerard Quinn als Marquis Posa. Besonders eindrucksvoll der neu verpflichtete Bass Taras Konoshchenko als greiser Großinquisitor. Evmorfia Metaxaki gibt die Stimme vom Himmel – leider wird ihr Auftritt durch Probleme mit Seilen beeinträchtigt.
Das Premierenpublikum ist mehr als beeindruckt. Es geizt nicht mit Szenenbeifall und feiert nach Schluss alle Beteiligten stürmisch.
Weitere Aufführungen
14. November, 18 Uhr,23. November , 19 Uhr,