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LUDWIGSBURGER SCHLOSSFESTSPIELE: IL PERGOLESE – Lyrische Erzählungen der Extraklasse

Il Pergolese im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

LYRISCHE ERZÄHLUNG DER EXTRAKLASSE Werke von Pergolesi einmal anders im Ordenssaal bei den Schlossfestspielen am 27. Juni 2014/LUDWIGSBURG
 
Giovanni Battista Pergolesis Werke in neuem Gewand konnte man im Ordenssaal mit der stimmlich ausserordentlich wandlungsfähigen Sängerin Maria Pia De Vito hören, die in Italien vor allem als großes Jazz-Talent gilt. Pergolesi starb im Jahre 1736 leider schon im Alter von 26 Jahren an Tuberkulose und hinterließ ein unglaublich umfangreiches Werk. Die Neapolitanerin interessierte sich im Ordenssaal vor allem für die volkstümlichen Wurzeln Pergolesis, was bei chromatisch reich figurierten Titeln wie „Amen/Fac ut portem“, „Ogne pena cchiu spietata“ oder „In compagnia d’amore“ mit reizvollen Pizzicato-Einlagen und eindringlicher emotionaler Intensität zu Gehör kam. Erregende Extreme der Dynamik zeigten sich aber auch bei der von Anja Lechner facettenreich interpretierten „Sonata per violoncello“, deren thematischer Reichtum unter die Haut ging. Francois Couturier (Klavier) und der grandiose Michele Rabbia (Perkussion, Elektronik) ergänzten die klangfarblich reich agierende Sängerin Maria Pia De Vito mit harmonisch aufwühlender Intensität und improvisatorischem Einfallsreichtum. Mediterrane Melodien schienen auch an Neapel zu erinnern, eine Stadt, in der Pergolesi ja gewirkt hat. Der Siziliano-Rhythmus prägte sich immer wieder tief ein, der Gesang besaß in extremer Höhe charakterformende Kraft und erregende Intervallspannungen. So kam es bei den weiteren Nummern „Tre giorni son che Nina“, „Chi disse ca la femmena“ und „Dolente“ immer wieder zu elektrisierenden Höhepunkten. Hervorragend war noch die Zugabe – eine einfallsreiche Bearbeitung von Pergolesis berühmtem „Stabat mater“, einem der am häufigsten gedruckten geistlichen Werke des 18. Jahrhunderts. Das war kein Jazz, kein Folk und kein Barock – sondern eine sehr eigenständige und melodisch überaus reichhaltige Musik mit vielen rhythmischen Finessen. Harmonisch schwankte hier vieles zwischen Dur und Moll, Rhythmen aus Tarantella und Tammuriata bewiesen ihre vielen Ausdrucksmöglichkeiten. Eine individuelle und emotional glaubhafte Kontur stellte sich dabei wiederholt ein, wobei das gut aufeinander abgestimmte Ensemble sich gegenseitig ausdrucksstark ergänzte.

Das italienische Spontini Festival bat Maria Pia De Vito und Anja Lechner übrigens, die Arien des Komponisten Pergolesi zu bearbeiten und in die heutige Zeit zu übertragen, was sehr gut gelungen ist. De Vito, die eine klassisch ausgebildete Opernsängerin ist, entdeckte früh auffällige Parallelen zwischen der Musik ihrer Heimatstadt Neapel und „Il Pergolese“, wie seine Landsleute den Komponisten nannten. Dramatischer wie lyrischer Ausdruck wurde bei dieser beglückenden und vom Publikum gefeierten Wiedergabe großgeschrieben. Delikat rhythmisierte Sätze und romantische Ausdruckskunst wuchsen hier ganz zusammen und betörten die Zuhörer ungemein. Deutlich wurde auch bei diesen Bearbeitungen Pergolesis Gabe, Volksmelodien in kunstvolle Gebilde umzuwandeln. Frische, Würze, Grazie und Schmelz ergänzten sich so gegenseitig. Bei den Klavierpassagen zeigte sich sogar eine gewisse Nähe zu dem berühmten Jazz-Pianisten Keith Jarrett. Pergolesis Tonsprache verriet auch bei diesen Bearbeitungen genaue Kenntnis des menschlichen Herzens. Gerade dies machte die Sängerin plastisch deutlich. Der Geist Pergolesis als Meister der Opera buffa blitzte immer wieder grell hervor.

 
Alexander Walther
 

 

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