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LUDWIGSBURG/ Forum Schlospark: DER HAUPTMANN VON KÖPENICK von Zuckmayer. Und ewig in der Tretmühle

03.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Theater

Der Hauptmann von Köpenick“ von Zuckmayer im Forum am Schlosspark Ludwigsburg – UND EWIG IN DER TRETMÜHLE

Carl Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ mit dem Deutschen Theater Göttingen am 2. April 2014 im Forum
 Schlosspark/

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Foto-Copyright: Isbal Winarsch

„Etwas Bessres als den Tod findest du überall!“ So lautet die Devise von Carl Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“, der das deutsche Kaiserreich auf den Kopf stellt. Mark Zurmühle macht eine drehbare Bühne zur Zielscheibe seiner satirischen Sicht auf den Militärwahn Kaiser Wilhelm II. (Bühne: Eleonore Bircher). Lutz Gebhardt spielt diesen Wilhelm Voigt mit vielen Facetten und Schattierungen, der immer wieder verschlossene Türen einrennt, ohne dass er einen Pass und eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt. Denn ohne Arbeit gibt es keine Aufenthaltsgenehmigung und ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit. Diese Gefangenschaft in der Zwickmühle bringt Lutz Gebhardt sehr überzeugend über die Rampe. Auf dieser sich langsam drehenden Bühne gerät er ins Mahlwerk des bürokratischen Irrsinns. So gelingt in der Tat eine perfekte Dramaturgie zwischen Turbulenz und Konzentration, die von elektrisierender Wirkung ist. „Ick reg mir jarnich uff, ick will nur ’n Papier haben…“ Auch das dunkle Gefühl am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung kommt bei dieser Aufführung keineswegs zu kurz. Dieses von Zuckmayer selbst so bezeichnete „deutsche Märchen“ erhält tragische Deutlichkeit. Schutzmänner und Beamte werden so zu Karikaturen des spießbürgerlichen Wahnsinns wie in einem Gemälde von Otto Dix. Zentrale Bedeutung erhält hier die Szene mit dem von Andreas Jeßing famos gemimten Schwager Friedrich Hoprecht, der Voigt zusammen mit dessen Schwester Marie (facettenreich: Nadine Nollau) intensiv ins Gewissen redet: „Wilhelm, du pochst an der Weltordnung!“ Friedrich Hoprecht kommt zu dem Schluss, dass sein Schwager gefährlich ist und trennt sich von ihm. Deutsche Wirklichkeit und deutscher Mythos begegnen sich dann auf fruchtbare Weise, als Wilhelm Voigt eine Uniform erwirbt und mit dieser Uniform als Hauptmann von Köpenick plötzlich ein gesamtes Regiment befehligt. Er besetzt das Rathaus, lässt den Bürgermeister Obermüller (emotional: Meinolf Steiner) kurzerhand absetzen und verhaften und sorgt damit auch bei dieser überzeugenden Inszenierung für ungeheuren Aufruhr. Mark Zurmühle treibt die grotesken Ereignisse dann völlig auf die nervtötende Spitze, als Obermüller verzweifelt nach seiner Uniform sucht, weil er vor dem Kaiser erscheinen muss. Marie-Kristien Heger stellt dessen Frau ebenfalls als Nervenbündel dar, die seinen Zornausbrüchen hilflos gegenübersteht. Schließlich fliegt der ganze Schwindel auf, der falsche Hauptmann wird verhaftet, aber auf dem Polizeirevier hat man Mitleid mit ihm, nachdem auch der deutsche Kaiser über den Fall gelacht hat („Kein Volk der Erde macht uns das nach!“).

Deutlich wird bei der Aufführung, dass Wilhelm Voigt nur dadurch den Staat überlistet, indem er dessen majestätischste Mittel anwendet. Der packende und amüsante Bilderbogen geht dem Publikum bei dieser Inszenierung wirklich unter die Haut. Die amüsierten Beamten bringen ihm auch bei dieser Aufführung einen Spiegel, damit sich der „falsche“ Hauptmann selbst betrachten kann. Er bricht in Gelächter aus: „Unmöglich!“ Interessant ist, dass es Wilhelm Voigt wirklich gegeben hat. Er starb 1922 verarmt in Luxemburg. Natürlich erreicht die Inszenierung nicht die Qualität des berühmten Films mit Heinz Rühmann – doch Szenen wie etwa jene mit dem von Anna-Katharina Diener bewegend gespielten kranken Mädchen gehen wirklich unter die Haut. Mit diesem Mädchen philosophiert Voigt über Gott und die Welt. In weiteren Rollen gefallen Benjamin Krüger unter anderem als Hauptmann von Schlettow, Gerd Zinck als Zuschneider Wabschke, Karl Miller als Willy Wormser, Zuhälter und Polizeiinspektor, Florian Eppinger als Oberwachtmeister, Andreas Daniel Müller als Passkommissar sowie alle Darsteller als Gefangene, Polizisten oder Zugreisende. Insgesamt also ein lohnenswerter Theaterabend.

 Alexander Walther

 

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