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LUDWIGSBURG/ Forum am Schlosspark/Musikhalle am Bahnhof: KLAVIERABEND MAGDALENA MÜLLERPERTH/ SINFONIEORCHESTER LUDWIGSBURG

LUDWIGSBURG: MIT STÜRMISCHEM IMPETUS – 5. und 7. April 2014

Klavierabend mit Magdalena Müllerperth in der Musikhalle am Bahnhof und „Ohrwurm“-Konzert des Sinfonieorchesters Ludwigsburg im Forum am Schlosspark am 7. April 2014

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Magdalena Müllerperth. Copyright: Volker Henkel

Sie hat das Zeug zu einem pianistischen Weltstar. Die 1992 in Pforzheim geborene Magdalena Müllerperth bekam bereits viele Preise. Gleich zu Beginn gelang ihr bei Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 8 in c-Moll op. 13 „Pathetique“ eine in sich stimmige und überaus feurige Wiedergabe von elektrisierender Wirkung. Das harmonische Geschehen drängte wie wild zu einem überwältigenden Höhepunkt – es war ein vergebliches Aufbäumen gegen das Schicksal. Die rasante Sechzehntelbegleitung mündete in einen wahren Fortissimo-Taumel  – und das markante Klagemotiv behauptete sich mit eherner Wucht. Auch der Aufstieg in Staccato-Vierteln blieb nachhaltig im Gedächtnis. Die in Oktaven springenden Akkorde gipfelten in einer von synkopischen Sforzato-Schlägen vorwärtsgetriebenen Coda mit pathetisch-leidenschaftlicher Steigerung. Nicht weniger überzeugend gerieten der begabten jungen Pianistin das Scherzo E-Dur op. 54 und das Scherzo b-Moll op. 31 von Frederic Chopin. Der Frage-Charakter des sotto-voce-Motivs bei der b-Moll-Sonate besaß starke Intensität, die unter die Haut ging. Und auch der betörende Glanz der absteigenden Des-Dur-Passage sowie das blühende Singen des zweiten Themas besaßen einen bewegenden Ausdruck. Vor allem der romantisch-poetische Klang wurde von Magdalena Müllerperth mit großer Reife getroffen. Die Modulationen der Stretta mit ihren emphatischen Akkordfolgen begeisterten die Zuhörer ungemein. Schumann blieb spürbar. Hervorragend war auch die feurige Wiedergabe des E-Dur-Scherzos mit seinen perlenden Passagen, kunstvollen Verzierungen, reichen Modulationen und satztechnischen Details. Die Coda überwältigte mit raffinierten Terzentrillern und dem verzaubernden Diminuendo der Staccato-Passagen mit rauschenden Arpeggien und großartiger Klangfülle. Grandios wirkte die durchsichtige Wiedergabe von Maurice Ravels „Jeux d’eau“ mit seinen Triller- und Tremolo-Ekstasen. Was ist diese junge Frau für ein Talent! Mit welcher Leichtigkeit beschwor sie das elegante rhythmische Gewand, das auch an Debussy erinnerte. Poetische Vertiefungen erinnerten hier an Franz Liszt. Akkordtriller und Glissando-Phrasen wuchsen ungeheuer glitzernd zusammen. Eine weitere positive Überraschung dieses bemerkenswerten Klavierabends war die Sonate für Klavier op. 1 von Alban Berg. Man spürte hier bereits Webern und  Boulez sowie die revolutionäre serielle Epoche, auch wenn Magdalena Müllerperth die spätromantischen Bezüge keineswegs vernachlässigte. Die Ekstase des Ausdrucks führte dabei zu einer Ekstase der Strukturen, was der jungen Ausnahmepianistin in exzellenter Weise gelang. Die Form von Exposition, Durchführung, Reprise und Coda wurde bei dieser Interpretation höchst konzentriert durchgehalten. Permanente Alterationen, enharmonische Verwechslungen sowie die thematischen Keimzellen der Septimenintervalle erfüllte Magdalena Müllerperth mit glühender spieltechnischer Energie. Ganz ausgezeichnet war ferner der Eindruck, den die ungemein stürmische Wiedergabe von Felix Mendelssohn Bartholdys Variations serieuses d-Moll op. 54 hinterließ, wo die junge Pianistin nochmals mit voller Leidenschaft und Wucht sowie wahrhaft atemberaubender Fingerfertigkeit aus sich herausging. Die seufzenden Synkopen besaßen zwar einen schmerzlichen Charakter, lösten sich aber in glanzvolle Sechzehnteltriolen auf, wobei sich das Melos immer mehr steigerte. Lagenwechsel, feurige Akzente, wilde Staccato-Bewegungen und Arpeggien entfachten ein grandioses Klangfeuerwerk der Extraklasse, wobei alles in einem Fugato gipfelte. Nach dem Dominant-Orgelpunkt setzte dann eine atemlose Stretta ein, die zu brausendem Fortissimo anschwoll und mit einem verminderten Septakkord abriss. Dies alles spielte Magdalena Müllerperth mit unglaublicher spieltechnischer Präzision. Unfassbar war dann zuletzt die pianistische Perfektion auch bei Igor Strawinskys Trois mouvements de „Petrouchka“ mit dem reizvollen harmonischen Kampf von C-Dur gegen Fis-Dur. Stählerne Rhythmik und frenetische Dynamik beherrschten „Danse russe“ mit seiner gloriosen Sprungtechnik. Praktische Übersichtlichkeit der Form bildete dann bei den weiteren Sätzen „Chez Petrouchka“ und „La semaine grasse“ einen facettenreichen dynamischen Kontrast. Das polytonale Thema triumphierte in der Figur des banalen und melancholischen Narren, der bei der Wiedergabe höchst lebendig wurde. Das Tragische des automatenhaften Daseins und der Gefühlsaufwallungen traf Magdalena Müllerperth mit emotionaler Leuchtkraft. Die ausgelassene Welt des russischen Jahrmarkts wurde mit einzigartigem harmonischen Aufruhr dargestellt. Als Zugaben erklangen noch das poetisch-verträumte „Ständchen“ aus dem „Schwanengesang“ von Franz Schubert in der kunstvollen Bearbeitung von Franz Liszt sowie die umwerfend bravouröse Paganini-Etüde in a-Moll von Franz Liszt. Magdalena Müllerperth zeigte dabei eine unerschöpfliche Energie. Höchste Eleganz und sprühende Geistigkeit sorgten hier für wahre Begeisterungsstürme des Publikums. 

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Copyright: Forum Ludwigsburg/ Talking Drums

Unter dem vielsagenden Motto „Ohrwurm“ leitete der renommierte Dirigent Siegfried Bauer zusammen mit der einfühlsamen Konzertpädagogin Ute Kabisch wieder das Kinder- und Familienkonzert „Ohrwurm“ mit dem Sinfonieorchester Ludwigsburg und dem schlagkräftigen Percussion-Ensemble TalkingDrums der Musikhochschule Stuttgart unter der temperamentvollen Leitung von Klaus Dreher im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg. Zunächst stellte sie die berühmte Ouvertüre zur Oper „Die diebische Elster“ von Gioacchino Rossini vor: „Hört her, all ihr tausend Leute – Ohrwurm-Konzert ist heute!“  Elektrisierende Rhythmen, dynamische Kontraste sowie gewaltige Crescendo- und Ostinato-Akzente gingen den beeindruckten kleinen Zuhörern total unter die Haut. Danach stellte Ute Kabisch fest, dass „Trommeln sprechen können“. Beim einfallsreichen und harmonisch überaus vielschichtigen Konzert für Marimba, Orchester und Schlagzeug von Ney Rosauro ging dann mit der grandiosen Schlagzeugerin Se-Mi Hwang und ihren Kolleginnen Vanessa und Aya richtig die Post ab. Da wetteiferten atemlos wilde Staccato-Attacken mit zahlreichen chromatischen Spitzfindigkeiten. Man vernahm dabei wirklich Trommeln, die kunstvoll die Tonhöhe verändern können. Das faszinierte die Kinder und Jugendlichen im voll besetzten Forum-Theater ungemein. Schließlich wurden von der Sanduhrtrommel seltsame Geräusche im brasilianischen Urwald beschworen. Es erklang ein geheimnisvoller Donner aus der Ferne, grasgrüne Riesenfrösche quakten auf den Bäumen, Insekten wuselten und krochen überall herum, sogar Regen wurde hörbar. Käfer, Ameisen und Heuschrecken knabberten und schabten Blätter an, man meinte, gefährliche Schlangen im Parkett zischen zu hören. So konnte man sich ein höchst geheimnisvolles und lebendiges Bild vom Urwald machen, weil Klaus Dreher und seine Studenten dies mit ihren Instrumenten genial imitierten. Der „Säbeltänz“ von Aram Khatschaturian faszinierte in der glutvollen Wiedergabe durch das Sinfonieorchester Ludwigsburg unter der robusten Leitung von Siegfried Bauer mit bohrender Rhythmik, grellen Farben und lapidarer Melodik sowie präzisen Staccato-Attacken. Die begnadete Schlagzeugerin und Koreanerin Se-Mi Hwang komponierte mit „Korea Drums“ ein kontrapunktisch überaus wildes Stück, das die Solistinnen und Solisten des Percussion-Ensembles der Stuttgarter Musikhochschule geradezu ekstatisch spielen, rufen und tanzen ließ. Das war ein großes Vergnügen. Zuletzt erklang „Das große Tor von Kiew“ aus Modest Mussorgsky berühmtem Tonzyklus „Bilder einer Ausstellung“. Es war die überaus farbenprächtige Darstellung einer Kirchenprozession mit Glockengeläute und feurigem Klangrausch – eine groß angelegte Apotheose.

 Alexander Walther

 

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