LP/VINYL RICHARD WAGNER „DIE WALKÜRE“ – Dank Half Speed Mastering der beste DECCA Sound ever; Sensationelles Remastering zum 25. Todestag von Sir Georg Solti
Auf keinem anderen Tonträger klingen die Riesenstimmen von Birgit Nilsson und Hans Hotter natürlicher und wärmer timbriert als jetzt
Das Rheingold habe ich mir auf der limitierten 2-HYBRID-SACD-Edition angehört und darüber im Online Merker vom 14.12 ausführlich berichtet: https://onlinemerker.com/2-hybrid-sacd-edition-richard-wagner-das-rheingold-decca-erster-teil-des-solti-rings-in-sensationellem-24bit-192khz-stereo-transfer/
Natürlich war ich gespannt, was das neue Remastering des legendären „Ring des Nibelungen“ des Produzenten John Culshaw mit Sir Georg Solti und den Wiener Philharmonikern als Hauptproponenten auf Vinyl kann? Enorm viel, vorausgesetzt es steht ein technisches Equipment zur Verfügung, das den viel obertonreicheren (Blechbläser und Streicher!) und optimal entzerrten Klang der 2022 Transfers adäquat wiedergeben kann. Die Todesverkündigung, besonders die Finali dieser gigantisch dramatischen vierten und fünften Szenen des 2. Akts ist instrumental so atemberaubend zu erleben, dass die landläufige Einschätzung, Solti hätte eine im Vergleich zu Keilberth, Böhm oder Karajan pauschalere „Walküre“ vorgelegt (was insgesamt wohl zutrifft), sich immer wieder positiv relativiert.
Aber es geht bei diesem Ring nicht in erster Linie um das „beste“ Dirigat, sondern um die technischen Möglichkeiten von Tonträgern generell. Und da ist einem Mann ein Denkmal zu errichten: Gordon Parry hieß der technische Wunderknabe, der damals in der aufkeimenden Stereo Ära in der logischen Weiterentwicklung des von Roy Wallace und Kenneth Wilkinson erfundenen magischen „Decca Dreiecks“ (=ein Mikro links, rechts und in der Mitte plus je einem linken und rechten Ausleger Mikrofon) für den ganz spezifischen Ring-Klang verantwortlich war. Kein Wunder, dass John Culshaw sein Buch „Ring Resounding“ über die Aufnahme nur zwei Personen gewidmet hat: Parry und Solti, und zwar genau in dieser Reihenfolge.
Reissue Producer Dominic Fyfe, bemerkt, dass Parrys Genie darin lag, die natürliche Qualität des Sofiensaals mit einer Klangbühne von höchster Präzision zu verbinden. Mittels eines komplexen Netzes von nummerierten Plätzen wussten die Sängerinnen und Sänger sich so zu bewegen, dass die akustische Illusion von Wagners Bühnenanweisungen in aller Plastizität nachvollziehbar ist. Das kommt etwa dem Walkürenritt und insgesamt der gesamten ersten Szene des dritten Akts ungemein zugute. Die aufgeregte Interaktion der Walküren mit der rebellischen Brünnhilde und der schwangeren Sieglinde vor dem Hintergrund des in vollem Zorn heran stürmenden Göttervaters Wotan ist hier so präzise und in einer faszinierenden räumlichen Tiefe eingefangen wie nirgends sonst wo. Nicht vergessen sollte auch werden, dass sich unter den acht Sängerinnen der Walküren solche Kaliber wie Brigitte Fassbaender (Waltraute), Helga Dernesch (Ortlinde), Berit Lindholm (Helmwige) oder Vera Little (Siegrune) befanden.
Laut John Culshaw besteht der hohe Beliebtheitsgrad der „Walküre“ darin, dass hier Götter und Menschen aufeinandertreffen, die in bewegender Emotion ihre berührende Geschichte von Verfolgung und Liebe, von Befehlen und Verweigerung, von Strafe und Verzeihung erzählen. Und wie wir alle wissen, kannte auch Wagner das Gefühl der Liebe in all seiner konfliktreichen Widersprüchlichkeit. Am Ende siegt in „Die Walküre“ jedoch die Vaterliebe zu seiner Tochter in überwältigendem instrumentalen E-Dur, wenn Wotan Brünnhilde liebevoll verzeihend in seine Arme schließt.
Hans Hotter ist der bedeutendste Wotan des 20. Jahrhunderts, und Birgit Nilsson die unumstritten umwerfendste Hochdramatische in den 60-er Jahren. Und jetzt kommt das Medium Vinyl ins Spiel. Noch mehr als in den SA-CDs klingen diese unbeschreiblich charaktervollen und ja – auf ihre Art sagenhaft schönen – Stimmen auf der neuen LP-Edition natürlich rund und aufregend präsent. Hotter gestaltete selbst noch im Herbst 1965 als Wotan seine große Erzählung im zweiten Akt und seinen weltbewegenden Abschied von Brünnhilde so solitär differenziert, zwischen autoritär und zärtlich liebevoll changierend, wie keiner vor und keiner nach ihm. Birgit Nilsson, deren dramatischer Sopran so schwer von Mikros ohne Verluste einzufangen war, ist als Walküren-Brünnhilde am Zenit ihrer Möglichkeiten mit berückenden Piani und urgewaltig spielerischen Höhen zu erleben. Sie soll sich ja über die Orchesterlastigkeit und damit ihrer Meinung nach über eine mangelnde Balance der Aufnahme beschwert haben, aber gemach: Das liegt wohl im Ohr des Lauschers. Mir fällt das nicht negativ auf und vielleicht hätte Nilsson ja dieses Mastering überzeugt.
Tontechnisch macht mich der Vergleich sicher: Von der „Solti-Götterdämmerung“ habe ich noch die wunderbaren alten goldenen Royal Sound DECCA Stereo LPs. Die dramatische Wucht und das Adrenalin sind auch auf diesen Vinyls spürbar. Aber welch enormer qualitativer Unterschied besteht im Vergleich mit den neuen Remasterings im musikalischen Detail, in der klanglichen Präzision, in der Tiefenstaffelung, im Glanz der Bläser, in der dynamischen Feinkalibrierung und eben im Obertonreichtum der Stimmen. Über die begnadeten Solisten Gottlob Frick als Hunding, James King als Siegmund, Christa Ludwig als Fricka oder Regine Crespin als Sieglinde kann nur das Beste berichtet werden. Wenngleich, als ganz kleiner Einwand, hat mich Regine Crespin als Brünnhilde unter Karajan noch mehr überzeugt.
Für alle, die die rauschhaft naturgewaltige und universelle Musik Wagners vermehrt um eine audiophile Tontechnik der Superlative zu schätzen wissen, ist die neue Edition (sei es als SACD oder besser noch als LP) unverzichtbar.
Dr. Ingobert Waltenberger