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LINDA VAN COPPENHAGEN: VON DEN LÖWEN INS LAND DER MÖWEN UND IMMER WIEDER FIGARO

12.07.2014 | Allgemein, INTERVIEWS, Sänger

Von den Löwen ins Land der Möwen und immer wieder Figaro

Das Gespräch führte Marc Rohde im Juli 2014

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Foto: (c) Bragi Bergthorsson

 Nachdem ich die Sopranistin Linda van Coppenhagen am Theater Vorpommern als Susanna erleben durfte, stellte sich mir die Frage:  Wo kann man sich in Stralsund an einem Donnerstagvormittag am besten zu einem Interview mit ihr treffen? Natürlich ist das die perfekte Tageszeit, um in einem Café am Hafen bei köstlichen Torten ins Gespräch zu kommen. Weil es einerseits so lecker und weil meine Gesprächspartnerin andererseits so sympathisch war, blieben wir dann auch gleich gute drei Stunden dort.

 Deutschlands Nordosten stellt auf der Opernlandkarte nicht unbedingt den Nabel der Welt dar, doch gibt es hier einige Schätze zu entdecken. Einer davon: Die südafrikanische lyrische Koloratursopranistin Linda van Coppenhagen. Seit 2011 lebt sie hier, wo mir alles etwas ruhiger und geordneter zu sein scheint, als anderswo im Land. Diese Gelassenheit, die die Hansestadt und die Natur um sie herum ausstrahlen, findet sich auch in Lindas Stimme wieder. Ohne Schärfen und scheinbar ohne Anstrengung meistert die Sängerin raffinierteste Koloraturen und ist gleichzeitig in der Lage ihr ausgeprägtes schauspielerisches Talent in die Gestaltung einzubringen. Auch kann der Zuhörer ohne Mühen jedes von ihr gesungene Wort verstehen und das, obwohl die gebürtige Johannesburgerin erst seit zweieinhalb Jahren in Deutschland lebt. „Ich habe mich bemüht, sehr schnell Deutsch zu lernen. Die Deutschen helfen mir auch dabei, da sie gerne auf eine angenehme Weise korrigieren, wenn ich beim Sprechen Fehler mache“

 Wir Zuschauer können froh sein, dass die Musik die Sängerin überhaupt gefunden hat, wie sie selbst es gerne nennt. In Südafrika gibt es die Cape Town Opera in Kapstadt. Die Anzahl der jährlichen Produktionen lässt sich an einer Hand abzählen. Viel mehr Oper hat dieses schöne Land nicht zu bieten. So war es doch eher ein großer Zufall, dass Linda van Coppenhagen überhaupt mit dem Genre in Berührung gekommen ist. Schon in der Kindheit sang sie gerne, orientierte sich dabei musikalisch an Whitney Houston und Celine Dion. Während ihrer Studienzeit (Psychologie) in Johannesburg sang sie für eine Musicalproduktion an der Uni vor. Der musikalische Leiter war sofort vom Potenzial beeindruckt und drängte die Studentin dazu Gesangsunterricht zu nehmen. Erst im dritten Jahr ihres Studiums kam es tatsächlich zur ersten Gesangsstunde. Der Lehrer meinte abschließend, sie sei ein hoher Sopran und wenn sie Popsängerin werden wolle, könne er nichts für sie tun. Er gab ihr ein Video von „Le nozze di Figaro“ mit. Dies war Lindas erste Begegnung mit der Opernwelt. Da Musiktheater auf Video bekanntlich nicht die spannendste Form der Darbietung ist und die Produktion auch noch eine sehr altmodische war, konnten nur diese enormen Stimmen begeistern, die unverstärkt und ohne technische Tricks von den Menschen hervorgebracht wurden. Es folgten weitere Unterrichtseinheiten. Linda war begeistert, was auch ihre Stimme im Laufe der Zeit alles mit sich machen ließ. Zeit- und auch Geldmangel erlaubten zunächst kein ernsthaftes Studium, sondern es wurde nur gelegentlich an den stimmlichen
Fähigkeiten weiter gearbeitet.

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Foto: (c) Bragi Bergthorsson

 Damals gab es auch in Johannesburg noch ein Opernhaus, an dem die junge Sopranistin für „Le nozze di Figaro“ für den Chor engagiert wurde. Eine Bühnenprobe, die die Künstlerin vom Zuschauerraum aus mitverfolgte, machte ihr klar was sie wirklich wollte: Genau so schön singen können, wie die Gräfin, die just in diesem Moment „Porgi amor qualche ristoro“ zum Besten gab. Der zukünftige Berufswunsch stand nun fest und seit 2007 begann sie  – neben der inzwischen ausgebübten Tätigkeit als Englischlehrerin an einem Gymnasium – eine Gesangsausbildung bei Emma Renzi. 2010 schließlich gewann van Coppenhagen den Wettbewerb „ATKV Muziqanto Classical Singing Competition“ und wurde auf diesem Wege von Kobie van Rensburg entdeckt. Er verhalf ihr zu ihrem Deutschlanddebüt als Dalinda in Händels „Ariodante“. Durch diese Produktion lernte sie nicht nur ihren Ehemann, den Tenor Robert Sellier, kennen, sondern hatte auch Gelegenheit, sich bei Theatern und Agenturen im deutschsprachigen Raum für Vorsingen zu bewerben. Immerhin erhielt sie trotz des bis dato überschaubaren musikalischen Lebenslaufs zwei Einladungen. Diese verschafften ihr einige Konzertauftritte, die ihr gleichfalls eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis ermöglichten. Zudem wurde die Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Agentur Tennigkeit begründet, über die sie ihr erstes Festengagement am Theater Vorpommern in Stralsund erhielt. Gleich in der ersten Spielzeit durfte sie hier ihre absolute Traumrolle Gilda singen. Ihr Vertrag mit dem Theater läuft noch bis Ende 2014/15. In der kommenden Spielzeit darf das Publikum sie hier als Ännchen, Gretel, Susanna und Laura (Bettelstudent) erleben. Auch Leipzig ist schon auf sie aufmerksam geworden. Hier ist sie im Juli 2014 in einer Kinderproduktion als Königin der Nacht aufgetreten. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. „Ich möchte mich weiter entwickeln und folge dabei meinem Bauchgefühl.“

 Die Salzburger Festspiele besuchte sie im vergangenen Jahr als Zuschauerin. Scheinbar zieht sich gerade ein Stück wie ein roter Faden durch Frau van Coppenhagens musikalisches Leben: „Le nozze di Figaro“ hieß die Oper, die sie sich dort angesehen hat. Eigentlich wäre Susanna doch auch eine hübsche Rolle, um in Salzburg zu debütieren?

 Weitere Traumrollen, die die Johannesburgerin gerne verkörpern möchte, sind: Violetta, Lucia, Zerbinetta, Konstanze, Aspasia (Mitridate), Zaide, Händels Cleopatra und fast alle Rollen des Belcantobreichs, insbesondere Amina (Sonnambula), Norina (Don Pasquale), Marie (Fille du Regiment), Rosina (Barbiere).

 Ihr Idol ist Edita Gruberova: „Die Art, wie Gruberova singt, ist für mich ein großes Vorbild. Leider habe ich sie noch nicht kennengelernt. Ich würde sehr gerne einige Gesangsstunden bei ihr nehmen.“

 Obwohl Linda seit ihrer Kindheit mit Begeisterung auf der Bühne steht, war der Weg zur Karriere als Künstlerin keineswegs ein direkter: „Ich habe den Eindruck, die Musik hat mich gerufen. Ich glaube an Gott und glaube, dass Gott mich auf meinem Weg führt. Ich glaube, er will, dass ich Sängerin bin. Die Musik hat mich gewählt, nicht ich habe die Musik gewählt. Ich habe jahrelang dagegen gekämpft und mich daran orientiert, in welchem Beruf ich Geld verdienen kann. Als Kind wollte ich Tierärztin werden. Da dieser Studiengang in Johannesburg aber nicht möglich war, studierte ich Psychologie. Ich habe ein Jahr lang einen Bürojob gemacht und einige Jahre als Gymnasiallehrerin gearbeitet – übrigens das Schlechteste, was man für die Stimme tun kann.“ Schließlich ist sie der Berufung gefolgt und singt sich nun in die Herzen ihrer Zuhörer. 

 Von der Theaterkultur im deutschsprachigen Raum ist die Sopranistin übrigens so begeistert, dass sie die Idee geäußert hat, das gesamte System unter Denkmalschutz stellen oder gar als UNESCO Kulturerbe schützen zu lassen.

 Marc Rohde / Juli 2014

 

 

 

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