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Liana ALEKSANYAN, ein lyrischer Sopran mit Koloraturen auf dem Weg ins dramatische Fach…

10.10.2014 | Allgemein, INTERVIEWS, Sänger

Liana Aleksanyan – Ein Porträt von Dr. Klaus Ulrich Groth

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Liana Aleksanyan. Foto: Agentur

 Ihr bemerkenswerter Erfolg als Cio-Cio-San in Köln gibt Veranlassung, die junge armenische Sopranistin Liana Aleksanyan näher vorzustellen. 

 Schon bisher hat sie regelmäßig an der Hamburgischen Staatsoper und an der Komischen Oper Berlin gesungen, war auch bereits die Mimi an der Deutschen Oper Ber­lin, hat zahlreiche Rollen im Essener Aalto-Theater interpretiert und sich in ihrer Zeit als Braunschweiger Festensemble-Mitglied ein umfassendes Repertoire erarbeitet. 

 Ihre Entwicklung ist nicht ganz untypisch. Geboren in Jerewan, deutete für sie zu­nächst nichts darauf hin, daß sie sich dem Musiktheater zuwenden würde. Der Vater war Diplom-Ingenieur, die Mutter Volleyball-Profi und Nationalspielerin. Allerdings wurde ihre Kindheit durch die Kriegswirren in ihrer Heimat nachhaltig beeinträchtigt. Es gab sogar Zeiten, in denen die Versorgung mit Trinkwasser nicht gewährleistet war und die Familie das notwendige Wasser zum Überleben aus einer Entfernung von zwei Kilometern heranschaffen mußte. Liana erinnert sich noch daran, dass sie als Dreizehnjährige selbst losgehen mußte, wenn die Eltern verhindert waren. Trotz al­lem entdeckte sie zunächst ihre Liebe zur Musik. Da war eine Aufnahme (nur) vom zweiten Akt der „Tosca“, in der Maria Callas und Tito Gobbi als Protangonisten mit­wirkten. Diese Aufnahme hat sie in ihrer Kindheit immer wieder gehört. „Da habe ich Gänsehaut bekommen. So hat mich die Musik berührt“, weiß sie sich zu erinnern. Trotzdem empfand sie es als recht langweilig, wenn ihre Eltern sie in die Oper mit­nahmen. Allerdings hatten ihr die Eltern früh die Möglichkeit einer Ausbildung am Klavier ermöglicht. Sie hatte deshalb die Vorstellung, Pianistin zu werden.

 Durch einen Zufall wurde ein Musiklehrer des Konservatoriums in Jerewan auf sie auf­merksam und entdeckte beiläufig ihre Stimme. Er erkannte als Erster, daß sie eine Opernstimme hatte, mit der sie in Zukunft viel Erfolg haben könnte. Das weckte den Ehrgeiz in der damals Fünfzehnjährigen. Sie ließ sich von ihrem Mentor führen, ar­beitete, sofern das zeitlich möglich war, täglich bis zu sechs Stunden an der Stimme und an einem kleinen Repertoire. Allerdings wurde ihr klar, dass in ihrem Heimatland keine ausreichenden Entfaltungs- oder gar Karrieremöglichkeiten bestanden. Das war sicher keine neue Erkenntnis, denn in Deutschland, aber z.B. auch in Italien oder Frankreich, gibt es eine ganze Reihe mittlerweile prominenter armenischer Opern­sänger, die zuvor denselben Weg wie Liana gegangen sind. Im Alter von sechsund­zwanzig Jahren entschloß sie sich deshalb, in Deutschland vorzusingen. Auf Em­pfehlung gelangte sie an die Norwegian National Opera und Ballet in Oslo, wo man ihr sofort die Manon in Manon Lescaut anvertraute. Dann kam sie nach Braunschweig. Auch dort wurde sie vom Fleck weg fest engagiert, was dazu führte, daß sie bis zu ihrem Wechsel nach Essen vier erfolgreiche Braunschweiger Jahre u.a. mit Partien wie Gilda, Lucia und Violetta erle­ben durfte.

 Es zeigte sich schnell, dass sie, geführt von einer großen Wiener Agentur, etliche Gastspielangebote erhielt, die sie an die bereits oben genannten wichtigen Häuser führten. Damit ergibt sich in ihrem Fall das ungewöhnliche Bild, daß sie als junge Sängerin nicht wie üblich zunächst in der Provinz verschlissen worden ist, sondern sogleich ihre Chance an renommierten Staatstheatern und Staatsopern wahrnehmen konnte.

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Liana Aleksanyan. Foto: Agentur

 Wie schätzt sie ihre Stimme selbst ein? „Ich bin ein lyrischer Sopran mit Koloraturen auf dem Weg ins dramatische Fach“, meint sie. Und weiter: „Ich kann auch heute noch Partien wie Gilda und Lucia singen, fühle mich aber im Spintofach sehr gut aufgehoben.“ Ihre Stimme hat sich weiter entwikelt, baut auf einem kraftvollen Fundament auf und macht neugierig auf einen Einsatz im Strauss-Fach. In der Tat wollte Stefan Soltesz sie auch schon als Sophie im „Rosenkavalier“ haben, was allerdings am vollen Terminkalender scheiterte. Man könnte sich von ihr auch eine Arabella von Strauss vorstellen, vielleicht sogar demnächst eine Salome. Bis zu einer Elsa (Lohengrin) oder einer Eva (Meistersinger) wäre es dann auch nicht mehr weit. 

 Liana Aleksanyan liebt es, auf der Bühne zu stehen und – für welchen Opernsänger gilt das nicht? – den Applaus als Lohn für einen anstrengenden Abend entgegenzu­nehmen. Liana Aleksanyan ist mittlerweile nach Wien verzogen und  pendelt zur Zeit zwischen Wien, Köln und Hamburg. Vorstellungen und Proben zwin­gen sie zu einer organisatorisch ausgefeilten zeitlichen Disposition. Dabei fährt sie gern mit ihrem Pkw. „Ich bin ganz besonders stolz auf meinen deutschen Führer­schein“, meint sie. Auf die Frage, warum sie nicht einfach ihre armenischen Fahrer­laubnis hat umschreiben lassen, erklärt sie entwaffnend, sie habe sich der Herausfor­derung stellen wollen, die Fahrprüfung in deutscher Sprache zu bestehen. In der Tat spricht sie ein außerordentlich gutes Deutsch (neben Russisch, Armenisch, Englisch und Italienisch), dies nahezu akzentfrei und grammatisch weitaus fehlerfreier als ein deutscher Haupt- oder Gesamtschüler. Das ist allerdings ein Phänomen, das man bei vielen ausländischen Opernsängern beobachten kann. 

 Wichtig ist ihr die ständige Betreuung durch ihre Gesangslehrerin (A.Melkonian), welche bei allen Aufführungen dabei ist. Das hat offenbar Früchte getragen, denn sonst wäre ein so rasanter Aufstieg in einige der wichtigsten deutschen Opernhäuser kaum möglich ge­wesen. Man wird von Liana Aleksanyan in den nächsten Jahren noch viel hören. ​

Klaus Ulrich Groth

 

 

 

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