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LEONBERG/ Stadthalle: DAS DREIMÄDERLHAUS von Franz Schubert

 „Das Dreimäderlhaus“ nach Franz Schubert in der Stadthalle Leonberg

Turbulente Inszenierung vom „Das Dreimäderlhaus“ mit der Operettenbühne Wien in der Stadthalle/LEONBERG am 30.10,2014 

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Verena te Best und Anton Graner. Foto: Claudius Schutte

Der Komponist Heinrich Berte hat mit dem „Dreimäderlhaus“ eine Operette geschaffen, die sich im Jahre 1916 mit dem Erfolg von Franz Lehars „Lustiger Witwe“ durchaus messen konnte. Der Text stammt von Alfred Maria Willner und Heinz Reichert. Berte wurde oft dafür kritisiert, dass er den Menschen Schubert hier in sentimentaler Verkleinerung dargestellt habe. Doch unter Heinz Hellbergs musikalischer Leitung und Inszenierung mit dem temperamentvoll agierenden Operettentheater Wien kann sich diese Operette zu einem Singspiel mit satirisch-sarkastischem Witz entwickeln, denn der Polizeispitzel Nowotny wird von Urs Mühlenthaler mit viel Hintersinn verkörpert. Er agiert mit „polizistischer Spürnase“ und deckt das Spiel um die drei Schwestern, vier Herren und die geplante Doppelhochzeit als turbulente Verwechslungskomödie auf. Zuletzt verhaftet er den Hofglasermeister Christian Tschöll (facettenreich: Viktor Schilowsky), der mit der von Susanne Hellberg voluminös dargestellten Hofopernsängerin Giuditta Grisi ein Liebesverhältnis eingegangen ist. Diese Szenen würzt Heinz Hellberg mit geradezu elektrisierender Situationskomik, die beim Publikum bestens ankommt. Alles kommt in Zeitlupenform plötzlich zum Stillstand – und Tschöll bekommt von seiner Frau Marie (präsent: Sylvia Denk) gehörig die Leviten gelesen. Im Mittelpunkt der zuweilen etwas ausufernden Handlung steht allerdings der stimmlich recht überzeugende Anton Graner als schüchterner Franz Schubert, der die große Liebe zu seiner Gesangsschülerin Hannerl (gesanglich beweglich: Anita Tauber) dieser nicht erklären kann. Und so läuft sie direkt dem „Lebemann“ und Dichter Baron Schober (nuancenreich: Thomas Markus) in die Arme, der sie dann auch heiratet. Der arme Schubert muss leider auf Hannerl verzichten, weil er den Fehler gemacht hat, Schober bei ihr vozuschicken.

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Thomas Markus. Foto: Claudius Schutte

Das Wien des Jahres 1826 wird in Heinz Hellbergs poetisch-nostalgischer Inszenierung lebendig. Und dies vor allem im zweiten Akt, wo er den berühmten musikalische Salon im Hause Franz Schuberts darstellt. Da fühlt man sich an manches Gemälde aus der damaligen Zeit erinnert. Vogl und Schober tragen zu Ehren der Hochzeitsgesellschaft mit großem Erfolg Schuberts Lieder vor. Schubert empfängt hier seine Freunde Vogl (Michael Weiland), Schwind, Kuppelwieser und eben Schober zu jenen legendären abendlichen Schubertiaden. Die beiden Schwestern Hannerl (trotz Erkältung ausdrucksstark: Verena te Best) und Hederl (Teresa Honzik) haben dort ein Stelldichein mit ihren Verlobten. Hannerl nimmt Gesangsstunden bei Meister Schubert, worauf sich der schüchterne Komponist in Hannerl verliebt. Als durch eine Intrige der Sängerin Grisi die aufkeimende Liebesbeziehung von Hannerl und Schubert eine schicksalshafte Wendung erfährt, gewinnt das Tempo der Inszenierung gehörig an Fahrt. Die Personen erfüllen den Fortgang der Handlung mit sehr viel Leben und Energie. Zusätzliche beissende Ironie besitzt jene Szene, als der Polizeispitzel Nowotny erscheint, der im Auftrag des misstrauischen Grafen Scharntorff die Grisi beobachten soll. Die Grisi warnt das Hannerl vor dem Schwerenöter Franz – und das ahnungslose Mädchen meint, die Hofopernsängerin spreche von Franz Schubert. So kommt es zur Entfremdung. Schubert macht seinem Freund Schober aber auch Vorhaltungen: „Erst schnappst du mir die Braut weg und dann soll ich dir noch die Geliebte abnehmen!“ Letztendlich heiraten dann Schober und Hannerl – und Franz Schubert muss verzichten. Ihm bleibt nur die Musik.

Heinz Hellberg inszeniert dies durchaus mit psychologischem Hintersinn für das Wiener Sujet. Die amourösen Vorgänge werden ironisch aufs Korn genommen und durchleuchtet. Rein musikalisch bemüht sich Hellberg immer wieder, dem Singspiel keinen allzu sentimentalen Charakter zu verleihen. Das typisch „Wienerische“ wird beim opulenten Bühnenbild von Adrian Boboc und den Kostümen von Lucya Kerschbaumer gleichwohl passend auf die Bühne gezaubert. Märsche und Ländler huschen in feinsinnigen Staccato-Rhythmen vorüber, ganz zu Beginn vernimmt man sogar den berühmten „Erlkönig“. Da wirkt die Szenerie fast schon gespenstisch im Sinne E.T.A. Hoffmanns. Weitere bekannte Melodien wie „Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Sah ein Knab ein Röslein steh’n“ werden einfühlsam und detailgenau interpretiert. Chor und Orchester der Operettenbühne Wien zeigten in der Leonberger Stadthalle kaum Schwachstellen, allein bei den dynamischen Steigerungen könnte das Ensemble noch zulegen. Man wundert sich also nicht, dass dieses Werk rasch zum Welterfolg wurde und fünf Jahre nach seiner Uraufführung 8000 Aufführungen erlebte. Die Rolle Schuberts wurde damals übrigens die Lieblingspartie des berühmten Tenors Richard Tauber. Anton Graner machte bei seiner strahlkräftigen Schlussarie der melodienreichen Partitur alle Ehre. Er und das gesamte Wiener Ensemble ernteten stürmischen Schlussapplaus in der Stadthalle, die nicht voll besetzt war.

 Alexander Walther

 

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