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LECH / Classic Festival: DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

entführung aus dem serail
„Es lebe die Liebe“ vereint die Paare Blonde (Florina Ilie) und Pedrillo (John Heuzenroeder) bzw. Konstanze (Jennifer O´Loughlin) und Belmonte (Pavel Kolgatin)
Fotos: Copyright: Raphaela Seifert

LECH AM ARLBERG
Konzertsaal
Lechwelten: Lech Classic Festival:
„Die Entführung aus dem Serail“
9. August 2025

 Am sechsten Festival-Abend wird das Lecher Publikum in eine orientalische Welt voller Zauber und emotionaler Tiefe entführt. Farbenfrohe Bilder auf der riesigen Leinwand hinter dem Lech Festival Orchester unter dem fachkundigen, profunden Dirigenten Tetsuro Ban lassen in die Geschichte um treue Liebe, Menschenraub vor der türkischen Küste und zuletzt selbstlosem Verzicht des Paschas auf die stolze Konstanze eingehend eintauchen. Auf den Fotos werden prunkvolle Paläste, Moscheen am Meer, Feigenbäume, luxuriöse Brunnen, herrschaftliche Gärten und – mit Marmorsäulen und fernöstlichen Fenstern – ausgestatteten Innensäle mit viel Prunk und Eleganz gezeigt. Auch dürfen passende Kostüme und Requisiten bei der halbszenischen Aufführung nicht fehlen. Statt den üblicherweise gesprochenen Dialogen führt der – von Theaterbühnen und Filmen bekannte – Sprecher Joseph Lorenz mit Eloquenz, Bühnenpräsenz und Humor zu den folgenden Arien, kleineren Gesangsstücken und Ensembles.

Als Belmonte glänzt Pavel Kolgatin mit sowohl wunderschönem lyrischen Timbre als auch mit dynamischen Farben. Schon bei „Hier soll ich dich denn sehen“ und „Konstanze, dich wiederzusehen“ wird ein – besonders nobler – spanischer Edelmann gezeigt, der mit exakter Aussprache, endlosem Legato und langgezogenen Spitzentönen besticht. Die intensive Liebe zu seiner Angebeteten wird gefühlvoll und authentisch besungen und jeder Ton sitzt bombensicher. Die Stimme des Russen leuchtet noch mehr als beim letztjährigen Festival in Lech und die „Baumeister-Arie“ kann mit brillant geführtem Wohlklang-Tenor vollkommen begeistern. Fulminanter Höhepunkt des Singspiels!

Als seine Geliebte in schönem, schulterfreiem, weinrotem Kleid mit tieftrauriger Miene erlebt man die elegante Jennifer O`Loughlin als schmerzvoll-leidende Konstanze, die ein beeindruckendes Koloraturfeuerwerk mit glasklaren Höchsttönen zündet. Die US-Amerikanerin präsentiert rollendeckend ihr Unglück und ihre Standhaftigkeit und stellt sich beherzt mit enormem Stimmumfang und virtuosem Können in „Matern aller Arten“ gegen die Besitzansprüche des orientalischen Fürsten. Große Harmonie erreicht das Paar bei den gemeinsamen Duetten sowohl von den Kostümfarben her als auch beim vokalen, schönen Einklang – wie beim Duett im Todesschmerz „O Qual der Seele“.

Das spezielle Knistern zwischen dem „Buffo“-Paar Blonde und Pedrillo ist bis in die hintersten Reihen des Auditoriums spürbar. Florina Ilie bietet eine temperamentvolle, spielfreudige Blonde mit dunkler Mähne dar und weist mit „Konstanze-ähnlichen“ Stimmfarben inklusive höchstem Register auf ihr zukünftiges Fach. Diese Zofe flirtet teuflisch, jagt den Haremswächter mit der Gerte von der Bühne und gibt Nachhilfeunterricht in Emanzipation. Ihr Sopran jubiliert bei „Welche Wonne, welche Lust“ und ihr schönes, warmes Timbre bei den hohen Tönen gefällt sehr gut. Heftig mit einer Ohrfeige erfolgt ihre Reaktion, als ihr Liebster sie der Untreue bezichtigt.

John Heuzenroeder fehlt bei „Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite“ noch zeitweise tenorale Kraft in der Höhe, aber darstellerisch agiert er brillant, auch wenn er mit seinem großen exotischen Kopfschmuck manchmal Probleme zu haben scheint. Beim „Bacchus-Duett“ tanzt er fröhlich und vor allem die zärtliche Romanze – mit „Mondschein und Sternenhimmel-Bild über dem zauberhaften Palast“ – ist ein wunderbar vorgetragenes Zeichen zur Flucht und liegt dem hellen Tenor gut.

entführung aus dem serailDas „Sauf-Duett“ mit Pedrillo (John Heuzenroeder) und Osmin (Levante Páll)

Mit Turban und fremdländischem Gewand bekleidet ist Levante Páll schon vom Aussehen mit passender Mimik zwischen spöttischem Ausdruck, Unverständnis-Blick zu Blondes Erklärungen, fehlerhafte Flirtversuche und Triumph-Gehabe, als er die Flüchtenden ertappt, ein idealer Osmin. Aber auch stimmlich ist sein komisch-grantiger Palastaufseher genial: ausgezeichnete Intonierung gepaart mit Beherrschen des tiefsten, gehaltvollen Registers, sowohl kräftig als auch äußerst agil in den schnellen Passagen. Bei „Ha, wie will ich triumphieren“ glänzen die besonders langen Verzierungen des Ungarns in seinen tiefsten Lagen. Das Spiel der Figur scheint dem Ensemblemitglied des Münchner Staatstheaters am Gärtnerplatz unendliche Freude zu bereiten – und dem Publikum auch.

Tetsuro Ban am Pult ohne Dirigierstab führt die Musiker mit Dynamik, aber auch mit lieblich-sanften Abschnitten gekonnt durch Mozarts Werk. Das energiegeladene Intermezzo mit den exotischen Klängen a la turca kann zünden und mit Umsicht nimmt er auf die Solisten gekonnt Rücksicht, wenn er sich immer wieder zu ihnen umdreht, um exakte Einsätze geben zu können.

Der Konzertsaal tobt nach Vorstellungsende und die Künstler freuen sich sichtlich über die stehenden Ovationen.

Susanne Lukas

 

 

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