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KÖLN: PORTRAITABEND MATTI SALMINEN

KÖLN: PORTRÄTABEND MATTI SALMINEN 4. April 2013


Matti Salminen. Foto: Andrea Matzker

 Es handelte sich möglicherweise um das letzte Mal, dass die Kölner Oper einem Sänger, welcher in der Vergangenheit häufiger an diesem Hause auftrat oder sogar zum Ensemble gehörte, einen Hommage-Abend ausrichten konnte. Bislang standen dem Chefdramaturgen Georg Kehren Zeitzeugen wie Gwyneth Jones, Anna Tomowa-Sintow, Edda Moser, Claudio Nicolai und Carlos Feller zur Verfügung. Desgleichen Helen Donath, die sich jetzt, am Abend zu Ehren von MATTI SALMINEN, im Publikum befand, weil ihr freie Tage zwischen Vorstellungen von Brittens „Turn of the Screw“ dazu Gelegenheit boten. Anwesend im Foyer der „Oper am Dom“ waren auch Eva Tamassy, 3. Dame in der „Zauberflöte“ von 1972, mit der sich Matti Salminen seinerzeit den Kölner vorstellte, sowie die langjährige Korrepetitorin Erika de Heer, von allen, die mit ihr arbeiteten, heiß geliebt. Carlos Feller (mit Salminen seinerzeit gelegentlich in „Tosca“ gemeinsam auf der Bühne) meldete sich mit einem schriftlichen Grußwort, Hannelore Bode, als Eva 1979 Salminen/Pogners Tochter, mit einer Rede auf Tonband. Marek Janowski, den man telefonisch in Paris erreicht hatte, erinnerte an den Hagen der letzten Jahrzehnte („ein Unikat“) und auch an Salminens Erfolg mit dem Morosus in der „Schweigsamen Frau“. Von der Premiere 1977 hörte man dessen Auseinandersetzung mit der Haushälterin Martha Mödl und zuletzt noch den Schussgesang.

 Wie immer hatte Kehren, unterstützt von fleißigen Mitarbeitern, penible Recherchearbeit geleistet und ließ in seinem Interview keinen wichtigen Punkt, keine wichtige Karrierestation aus. Einen wichtigen Raum nahmen Tonbandbeispiele aus dem akustischen Archiv der Kölner Oper ein. Von der erwähnten „Zauberflöte“ hörte man (nach der eingangs gespielten Hallen-Arie) noch das Terzett „Soll ich dich, Teurer, nie mehr seh’n“. Pamina war Lucia Popp (auch mehr als ein Jahrzehnt Mitglied des Hauses), Tamino Eric Tappy; István Kertész, der zwei Jahre später bei einem Badeunfall in Israel ums Leben kam, dirigierte.

 Matti Salminen, derzeit in Köln als Gurnemanz zu Gast, hat seine frühen Jahre vor Ort nie vergessen. Sie legten für ihn das Fundament für seine Weltkarriere. Dass er damals praktisch Tag und Nacht geschuftet und Rollen gebüffelt hat (gleich am Anfang 12, insgesamt um die vierzig), ist ihm als Leistung dann erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden. Salminens Fleiß ist umso höher einzuschätzen, als der gebürtige Finne damals kaum ein Wort Deutsch sprach (heute perfekt). Eine zentrale Partie wie der Sarastro war für den Sänger natürlich nicht Alltag, er musste sich auch mit „Wurzen“ wie dem Douphol („Traviata“) abgeben, so manches Randwerk des Repertoires studieren („Stiffelio“) und sich auch der zeitgenössischen Musik stellen („Elisabeth Tudor“ von Wolfgang Fortner).

 „Ich habe nur Glück gehabt“, sagt Matti Salminen, wobei zum Glück eines Sängerlebens freilich auch die kreative Auseinandersetzung gehört, womöglich auch mal ein heftiger Streit. Mit Götz Friedrich etwa war nur schwer zu diskutieren; er verlangte, der Sänger musste gehorchen. „Pflegeleicht“, wie Salminen aber ist, vermochte er sich mit solchen Situationen zu arrangieren (anders etwa als der von ihm geschätzte Fachkollege Karl Ridderbusch). Außerdem vertritt er bis heute nachdrücklich den Ensemblegedanken: alle müssen an einem Strang ziehen, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen, und die Verantwortlichkeiten sind dabei nun mal weitgehend festgelegt. Das hindert Salminen nicht an dem einen oder anderen bissigen Kommentar après. Dass er derzeit als Gurnemanz Brot zu backen hat, geht für ihn locker in Ordnung, aber er merkt auch an, dass über der Bildgewalt des Regisseurs Carlus Padrissa die eigentliche Personenführung schon mal ins Hintertreffen geriet. Und kaum gute Worte findet er für den Kostümbildner, aber diese Worte gelten wohl stärker dem „Ring“ in Valencia, welchen das Team („La Fura dels Baus“) unter der musikalischen Leitung Zubin Mehtas stemmte

 Salminen, der durchaus mit Glaubwürdigkeit behauptet, vor Auftritten nie nervös zu sein, gab sich jetzt auch gegenüber dem Publikum heiter gelassen. Auf die Gremin-Arie von 1983 reagierte er zwar ärgerlich mit einem „total daneben“, auf einen kleinen Schmiss in der Pogner-Ansprache hingegen mit Humor (John Pritchard dirigierte damals). Überhaupt war der Sänger ein souveräner, ungezierter Gesprächspartner, der auch über den Bayreuther Chéreau-„Ring“ mit erhellend Anekdotischem aufwartete.

 Ein großes Plädoyer hielt Matti Salminen für die Festspiele in Savonlinna, an denen er schon seit Ewigkeiten beteiligt ist und neben Repertoire auch Opern sang, deren Titelrollen eigens für ihn geschrieben wurden wie Lear (Aulis Sallinen, 2000) oder Rasputin (Einojuhani Rautavaara, 2003). Hier wie dort sangbare Moderne. Als junger Künstler hat sich Matti Salminen auch mit Liedern beschäftigt (Filmausschnitt einer Meisterklasse mit Gerald Moore, 1968). Aber Wagner nahm ihn schließlich so sehr in Beschlag genommen, dass ihm hierfür zu wenig Zeit zum Lernen blieb und sich auch die Stile zu sehr im Weg standen (günstiger verhält es sich bei oratorischen Werken). Der Sachs fehlt übrigens im Rollenkatalog des Wagner-Interpreten Salminen („trauriges Kapitel in meinem Leben“). Er hätte ihn machen können, doch in Köln, wo er einen Studierauftrag hatte, fühlte er sich noch zu jung, später in Zürich war sich der gereifte Sänger klar „Das schaffe ich nicht“.

 Geschafft aber hat Salminen, natürlich auch dank einer guten körperlichen Konstitution, bis jetzt, wo er 68 ist, an der Spitze zu bleiben. Natürlich hat er vor Augen, dass es nicht mehr unendlich weitergehen kann. Sein derzeitiges Repertoire schränkt er freilich nicht ein, einige Male wird er sich sogar wieder dem italienischen Fach, genauer: Verdi, zuwenden. In Paris steht das „Requiem“ an, in Salzburg ein (für ihn) letztes Mal der „Don Carlo“ (Antonio Pappano, Peter Stein – mit Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Thomas Hampson). Das alles wird sich bis Ende 2013 abspielen, danach gibt es eine Pause von 5 Monaten. Ob und wie er das „verkraftet, weiß Matti Salminen noch selber nicht genau. Die Heimatverbundenheit der Finnen („Wir brauchen das Wasser“) ist bekannt; vielleicht ergibt sich daraus eine neue, ausgleichende Energiequelle. Noch aber ist es nicht so weit.

 Christoph Zimmermann

 

 

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