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KÖLN: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – Premiere

05.05.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Köln: “Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner. Premiere: 4.5.2012

Die Premierenfeier nach der Aufführung von Richard Wagners „Fliegendem Holländer“ war auch eine friedliche, stimmungsvoll gerahmte Demonstration. Bei der Oper Köln geht es derzeit vor allem um’s schnöde Geld, welches die Stadt nicht hat oder nicht mit Überzeugung hergeben will. Nachdem die Sanierung des maroden Hauses (während der nächsten 3 Spielzeiten) immerhin beschlossen wurde, wird seine künftige Existenz jetzt in einem quälenden Tauziehen auf groteske Weise infrage gestellt. Beispielsweise  ist derzeit nicht sicher, ob der bereits gedruckte Spielplan 2012/13 auch Realität wird und ob Intendant Uwe Eric Laufenberg seinen Job nicht hinschmeißt. Es tröstet wenig, dass es auch andernorts heftig kriselt.

Der „Holländer“ ist die letzte Inszenierung im „alten“ Haus. Die Ausweichspielstätte „Palladium“ dient demnächst noch einmal Händels „Alcina“, mit „Puccinis „Tosca“ wird schließlich in ein ehemaliges Musical-Zelt umgezogen.

20 Jahre liegt die letzte Kölner Produktion der frühen Wagner-Oper zurück (unvergessene Arbeit von Willy Decker). Von DIETRICH HILSDORF, dem intelligenten Regisseur, sind provokative Deutungen wie in früheren Jahren kaum noch zu erwarten, wie zuletzt auch der Bonner „Troubadour“ zeigte, welcher in einer brisanten Szene aber doch noch an das alte Essener Konzept erinnerte. Hilsdorfs mittlerweile sehr ästhetische Sichtweise lässt sich nicht zuletzt an der Ausstattung seiner häufigen Mitarbeiter DIETER RICHTER (Bühne) und RENATE SCHMITZER (Kostüme) ablesen. Diesmal gibt es eine sich nach hinten verengende Meerkulisse von düsterer Wucht, per Drehbühne wird eine hohe Spinnhalle des frühen (bereits elektrifizierten) Industriezeitalters hineingefahren. Geisterhafte Naturgewalt und bodenständige Realität vermischen sich.

Realistisch zuletzt auch Sentas Selbsttötung: kein Sprung ins Meer als Symbol für  Liebestod, sondern eine Gewehrkugel. Dem verzweifelten Erik setzt sich „Samiel“ („Freischütz“-Anleihe) auf den Schoß, eine Teufelsgestalt, welche anfangs dem Titelhelden zugeordnet wird, Mahner zur Vollstreckung eines faustisch dämonischen Paktes. Die üblicherweise nur peripher agierende Mary gewinnt Züge eines Alter Ego von Senta. Dazu hätte die Ouvertüre freilich nicht szenisch benutzt werden müssen. Aber die Verkettung von Schicksalen wird schon sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Inszenatorisch nicht ganz vollgültig wirkt der 1. Akt (u.a. wegen der Chorführung), ungemein fesselnd und intensiv hingegen der zweite (scheue Annäherung Holländer/Senta, Dalands joviale Biederkeit), tendenziell auch der dritte. MARKUS POSCHNER am Pult des (nicht immer ganz verlässlichen) GÜRZENICH-ORCHESTERs lässt hingegen gleich zu Beginn eine fast schon brutal zu nennende dramatische Energie akustisch Platz greifen. Später mäßigt sich der Tonfall auf romantische Weise, wirkt aber weiterhin dringlich. Poschner trägt Hilsdorfs Entscheidung mit, die Ouvertüre mit dem Erlösungs-Schluss zu spielen, das Finale hingegen mit den „hoffnungslos“ harten drei Akkorden der Urfassung enden zu lassen.

Ein hochkarätiges Sängerensemble ist zur Stelle, wobei es Laufenberg auch diesmal gelingt, einige Rollendebüts zu präsentieren. LARS WOLDT ist ein bassmächtiger Daland, dem allerdings belcantistische Qualitäten zuwachsen könnten. Mit seinem geschmeidigen, höhensicheren Tenor hat sich der junge Koreaner JEONGKI CHO bereits vom Opernstudio ins Ensemble hinauf gearbeitet, wo ihm vor kurzem drei Vorstellungen für den „Rigoletto“-Herzog gegönnt wurden. Der Steuermann ist für sein lyrisches Timbre im Moment eine noch um einige Spuren zu rustikale Partie. Bei seinem Landsmann, dem vokalphysisch potenten, Wagner- und Bayreuth-erprobten SAMUEL YOUN, wäre für die Titelpartie ein noch höheres Maß an charismatischen Ausdrucks vorstellbar, so ausdrucksvariabel er seine Partie schon jetzt angeht.

Dem Erik ersingt THOMAS PIFFKA viele Sympathien, er ist kein tenoraler Langweiler; auch der Ottavio war es bei diesem darstellerisch intensiven Künstler wohl nie. DIANE PILCHER ist eine sehr präsente Mary, freilich keine Anny Schlemm oder Astrid Varnay. ERIKA SUNNEGARDH hat u.a. Turandot in ihrem Rollenrepertoire – erstaunlich. Ihr Sopran besitzt viel Höhen- und Leuchtkraft, aber auch mädchenhafte Farben, für Puccinis Prinzessin aber vielleicht sogar vorteilhaft. Für Senta in jedem Falle.

Christoph Zimmermann

 

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