Musical in Klagenfurt: Österreichische Erstaufführung „Sunset Boulevard“ von Andrew Lloyd Webber (Vorstellung: 17. 4. 2013)
In der Hauptrolle als Filmdiva brillierte die Niederländerin Susan Rigvava-Dumas (Foto: Aljosa Rebolj)
Einen großen Erfolg feierte das Stadttheater Klagenfurt mit der Österreichischen Erstaufführung des Musicals „Sunset Boulevard“ von Andrew Lloyd Webber, das 1993 in London mit großem Erfolg seine Uraufführung erlebte. Es basiert auf Billy Wilders gleichnamigen Film von 1950 mit Gloria Swanson in der Hauptrolle, der eine sarkastische Abrechnung mit den Schattenseiten der Traumfabrik Hollywood darstellte und von unstillbaren Sehnsüchten erzählte.
Die Handlung des Musicals, dessen Buch und Liedtexte von Don Black und Christopher Hampton stammen, in Kurzfassung: Der ehemalige Stummfilmstar Norma Desmond, die einst zu den Göttinnen der Leinwand gehörte, lebt mit ihrem Schimpansen und Butler – er ist ihr Exmann Max von Mayerling – zurückgezogen auf einem Anwesen am Sunset Boulevard. Seitdem der Tonfilm eingeführt wurde, gibt es für sie keinen Platz mehr in der Filmindustrie Hollywoods. Dennoch glaubt sie unerschütterlich an ihr Comeback und knüpft große Hoffnungen an den jungen Drehbuchautor Joe Gillis. Norma überzeugt den bislang Erfolglosen, bei ihr einzuziehen und das von ihr verfasste Drehbuch „Salomé“ zu überarbeiten und für einen Film einzurichten. Gillis gerät immer stärker in Abhängigkeit zu ihr und versucht verzweifelt, sich aus ihren Fängen zu befreien. Auf einer Party trifft er Betty Schaefer, Arties Verlobte, die ihn überredet, gemeinsam ein Drehbuch zu verfassen. Normas Träume von erneutem Ruhm erweisen sich bald als Luftschlösser, doch will sie es nicht wahrhaben. Als sie ahnt, dass Joe und Betty ineinander verliebt sind, und Joe ihr die Wahrheit über das Drehbuch und Cecil B. De Mille enthüllt, erschießt Norma ihn. Als Polizisten und Reporter mit Kameras erscheinen, glaubt Norma, dass nun endlich der Moment ihrer Rückkehr in das Filmgeschäft gekommen sei.
Patrick Schlösser schuf eine detailverliebte Inszenierung, die mit opulenter Ausstattung und großem Elan über die Bühne geht und in einigen Szenen das Flair von Hollywood einzufangen versteht. Er wurde dabei gut vom Bühnenbildner Jürgen Kirner (Bühne mit Treppe und Filmstudiocharakter) und der Kostümbildnerin Katja Wetzel (Elegance war vorherrschend) unterstützt, die ihm kongeniale Partner waren.
In der Hauptrolle der Stummfilm-Diva hatte das Stadttheater Klagenfurt mit der niederländischen Mezzosopranistin Susan Rigvava-Dumas nicht nur eine opernerfahrene Sängerin, sondern auch eine blendende Schauspielerin, der die Rolle auf den Leib geschrieben schien. Normas zwanghafte Sucht nach Leinwandruhm, ihre Angst vor dem Alter, ihre Träume von Erfolg und Liebe, ihre Eifersucht auf die jüngere Betty und ihre Verzweiflung, als sie merkt, Joe nicht halten zu können – all das drückte die Sängerin mit eindrucksvoller Intensität und Bühnenwirksamkeit aus.
Schade nur, dass – wie es heutzutage auf fast allen Bühnen bei Musicals üblich ist – das Sängerensemble mit Wangenmikrophonen ausgestattet war. Und wieder zeigte es sich, dass die Sänger mit diesen hässlichen Stimmkrücken oftmals ins Schreien verfallen, obwohl das Orchester nur selten in voller Lautstärke spielte und die Aufführung dadurch an musikalischer Qualität gewann.
Ein negatives Beispiel hiefür bot der Bariton David Arnsperger als Joe Gillis, der seine Rolle exzellent spielte, aber immer wieder stimmlich zu stark outrierte und ins Schreien verfiel. Schade. Kammersänger Harald Serafin passierte das nicht. Er war in der Darstellung souverän und spielte und sang seine Rolle als Butler und Exmann Max von Mayerling, der Norma rührend umsorgte, mit dem nötigen Schuss Humor und mit liebenswertem Augenzwinkern. Zu gefallen wusste auch die Mezzosopranistin Elisabeth Hübert als Betty, deren Stimme höhensicher klang und deren Spiel und Tanz als routinierte Musical-Darstellerin stets ausdrucksstark war. Den Paramount-Boss Cecil B. De Mille stellte der niederländische Bariton Dirk Smits ebenfalls sehr bühnenwirksam dar. In zwei kleineren Partien agierten rollengerecht der Schauspieler Jörn Linnenbröker als Artie Green und der Tenor Thomas Tischler als Sheldrake.
Äußerst publikumswirksam waren die von Michael Langeneckert einfallsreich choreographierten, beschwingten Tänze. Köstlich die Szene mit den Karosserieteilen, die von den Tänzern zu einem Oldtimer geformt wurden. Das Kärntner Sinfonieorchester unter der Leitung des japanischen Dirigenten Mitsugu Hoshino konnte vor allem bei den leiser gespielten Melodien des Komponisten überzeugen. Wie schon oben bemerkt, bürgt Lautstärke nur in den seltensten Fällen für musikalische Qualität. Umso erfreulicher war, dass die abwechslungsreiche Partitur von Andrew Lloyd Webber immer wieder differenziert und nuanciert erklang.
Das begeisterte Publikum, das auch mit Szenenbeifall und Bravo-Rufen nicht geizte, applaudierte am Schluss allen Mitwirkenden sehr lange
Udo Pacolt, Wien – München