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KAY KUNTZE – kreativer Intendant auch unter Sparzwängen

Kay Kuntze, kreativer Intendant auch unter Sparzwängen

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Kay Kuntze, Foto: Privat

Seit August 2011 ist Kay Kuntze Generalintendant und künstlerischer Geschäftsführer von Theater und Philharmonie Thüringen, einem Fünfspartentheater, das 1995 aus der Fusion des Landestheater Altenburg mit den Bühnen der Stadt Gera hervorgegangen ist.

Das Landestheater Altenburg wurde 1869–1871 erbaut. Neben dem großen Haus wird in Altenburg das Theater unterm Dach und das Heizhaus bespielt. In Gera werden vier Häuser bespielt: Großes Haus, Bühne am Park, Kleines Theater im Zentrum und die TheaterFABRIK in der Tonhalle. Das Große Haus wurde 1901-1902 erbaut und umfasst einen Theatersaal und einen Konzertsaal mit 812 Plätzen.

Etwa 300 Mitarbeiter sorgen dafür, dass in den Sparten Konzert, Musiktheater, Ballett (seit 01.01.2013 Thüringer Staatsballett), Schauspiel und Puppentheater pro Spielzeit etwa 40 Premieren und über 800 Vorstellungen gezeigt werden, die von etwa 140 000 Zuschauern jährlich besucht werden. Damit ist Theater und Philharmonie Thüringen das zuschauerstärkste Theater im Freistaat Thüringen. Doch die Finanzprobleme sind noch lange nicht ausgestanden, denn die Stadt Gera hat insolvente Stadtwerke und darüber hinaus eine Menge Schwierigkeiten.

Mittendrin macht Kay Kuntze unbeirrt Oper und Schauspiel, wobei er selbst immer wieder inszeniert und spannende Projekte anregt. Mit heiterem Gemüt organisiert er bereits die vierte Spielzeit und resümiert: „Als ich anfing, war folgende Situation: Die Rücklagen waren aufgebraucht, der Haustarifvertrag sah nicht gut aus und eine Finanzierungsvereinbarung war ausverhandelt, die nichts Gutes bedeutete. Ich habe dann die ersten Monate damit verbracht, bei den politisch Verantwortlichen eine Sensibilisierung und ein Bekenntnis einzuholen. Eine Spartenamputation war zu befürchten und ich war der Meinung, dass damit das Theater insgesamt gefährdet wäre. Wir haben ja schon die Situation eines fusionierten Theaters mit sehr unterschiedlichen Publikumssegmenten. Weitere Einschnitte hätten die Akzeptanz ruiniert und das galt es zu vermeiden. Es gab auch Bürgerproteste. Zuletzt wurde der Freistaat Thüringen gewonnen für ein zusätzliches Engagement und wir haben auch einen Konsens mit den einzelnen Gewerkschaften erzielt, so dass es weitergehen konnte“.

Kay Kuntze will Theaterangebote für viele verschiedene Zielgruppen, deswegen kämpft um den Erhalt aller Sparten. Dennoch entwickelt er Richtlinien für das Profil seines Hauses. Gerade bei den Opern möchte er an die Leistungsgrenze gehen wie mit dem Rosenkavalier oder Peter Grimes, diese Inszenierungen bewegen sich auf höchstem sängerischen Niveau und kommen beim Publikum sehr gut an. Auch Neuentdeckungen für die Ostthüringer Region geht Kuntze immer wieder an, wie Nuit des Hommes, eine Oper nach Gedichten von Guillaume Apollinaire nach einer Idee von Jacob F. Schokking mit der Musik von Per Nørgård. Auch Kassenschlager gab und gibt es wie Chess – Das Musical  von Benny Andersson und Björn Ulvaeus, den Abba-Männern. Da fand ein Sturm auf die Theaterkassen statt. Jetzt folgt Jekyll & Hyde, ein Musical in zwei Akten nach der Novelle von Robert Louis Stevenson, für die Bühne konzipiert von Steve Cuden und Frank Wildhorn. Hier inszeniert  Kay Kuntze selbst. Im Schauspiel wird am Puls der Zeit gearbeitet. Gerade hatte Die Schutzlosen, Les Zéros-Morts in Altenburg Premiere. Das ist eine Tragödie von Paul Zoungrana und dem Schauspieldirektor Bernhard Stengele nach Euripides’ und Ayschylos’ Die Schutzflehenden, in Kooperation mit dem Carrefour International de Théâtre de Ouagadougou. Les Zéros-Morts untersucht die Einwanderungs- und Asylpolitik der europäischen Union und im speziellen der Bundesregierung. Wie gehen wir mit Menschen um, deren Leben bedroht ist und die um Hilfe bitten? Diese Fragen werden mit den Mittel des Schauspiels sehr unmittelbar sichtbar gemacht und sorgen für viel Betroffenheit beim Publikum. Künstler aus Burkina Faso und das Gera/ Altenburger Ensemble arbeiten gemeinsam an diesem hoch brisanten Thema. Als Renner entwickelt sich auch Barbarossa ausgeKYFFt, eine Rockeroperette von Manuel Kressin (Text) und Olav Kröger (Musik), eine Uraufführung. Auch der klassische Theaterbildungskanon hat seinen Platz mit dem Sommernachtstraum von William Shakespeare oder Iphigenie. Großes Interesse findet auch das Schauspiel Die im Dunkeln, ein Stück über Widerstand am Beispiel Altenburg von Mona Becker, auch eine Uraufführung. Die jungen Menschen einer Altenburger Widerstandsgruppe stören die Übertragung einer Festrede an Stalins 70. Geburtstag mit einem selbstgebauten Radiosender. Im Frühjahr 1950 wird die Gruppe zerschlagen. Einigen Mitgliedern gelingt die Flucht, viele finden sich als Angeklagte vor sowjetischen Militärgerichten wieder. Vier junge Männer im Alter von 19 bis 22 Jahren werden erschossen, weitere Mitglieder der Widerstandsgruppen werden zu Zuchthausstrafen verurteilt. Aufarbeitung vor Ort mit den Mitteln des Theaters. Das sorgte für viel Gesprächsstoff und verlebendigte diese Story gerade für Jugendliche.

 Eine ganz starke Sparte ist das Ballett und seit dem vergangenen Jahr ist Silvana Schröders Truppe zum Staatsballett geadelt, mit einem eigenständigen Etat. Das Spannende an der Arbeit der Ballettdirektorin ist die Neuumsetzung bekannter Stoffe. Ein Projekt heißt dann auch: Mercutios Geheimnis, mit der Musik von Sergej Prokofjew. Obwohl Mercutio nur viermal in Romeo und Julia auftritt, spielt er eine zentrale Rolle in Shakespeares Tragödie. Er prophezeit den tragischen Ausgang der Liebesgeschichte. In Mercutios Geheimnis hinterfragt Silvana Schröder bisherige Sichtweisen. Ein neues Ballett-Event ist das Stück KeimZeit. Dazu gibt es die hintergründigen Songs der gleichnamigen Ostrock-Band, eine  Melange, die für Schröder und Tanz-Company zur Herausforderung wird, die sie glänzend meistert und dafür Jubel erntet. Als Adventshöhepunkt ist Cinderella in der Inszenierung und Choreografie von Peter Werner-Ranke schon bis Januar ausverkauft. 

 Kay Kuntze sieht Theater als einen Ort innerer Freiheitsgewinnung und er präzisiert: „Ich glaube, dass wir am Theater die große Chance haben,  mit dem Zuschauer in einen gemeinsamen Prozess einzutreten. Der Zuschauer ist nicht nur Konsument, sondern er ist eingeladen mitzufühlen, mitzuleiden, mitzuerleben und mitzudenken. Im Idealfall wird dieser Prozess etwas auslösen. Natürlich sollte die Bereitschaft da sein, sich einzulassen, aber dann gewinnt der Zuschauer auch neue Sichten und dies auch bei Stücken, die zeitlich entfernt scheinen. Das ist Erkenntnisgewinn durch aktives Miterleben. Vielleicht klingt das ein bisschen pathetisch, aber so sieht meine eigene Haltung aus“.

 Zu diesem Miterlebnis ist natürlich jeder eingeladen und die Internetseite bietet viele Angebote: http://www.tpthueringen.de

 Thomas Janda

 

 

 

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