Katrin Unterreiner
SISI. DAS GEHEIME LEBEN DER KAISERIN
200 Seiten, Verlag Ueberreuter, 2023
Schön in Schwarz und rätselhaft blickt Kaiserin Elisabeth vom Buchdeckel herab, der ihr „geheimes Leben“ verspricht. Kann es zu einer Persönlichkeit, die in Büchern längst von allen Seiten betrachtet wurde wie wenige, noch Geheimnisse geben? Weiß man nicht, dass sie heimlich (schlechte) Gedichte schrieb? Dass sie sich zum Entsetzen ihres Gatten ein Tattoo hatte stechen lassen? Dass sie trotz strikter Diäten gerne süßes Veilcheneis löffelte?
Nun, nach dem Tod von Brigitte Hamann ist die Historikerin Katrin Unterreiner, die lange Jahre das Sisi-Museum in der Wiener Hofburg betreut hat, die Fachfrau für die Kaiserin. Und sie findet auch stets neue Themen – im Vorjahr waren es ihre Kleider, nun geht um ihren Alltag. Und es bräuchte nicht einmal ein Datum wie den 125. Todestag (der wieder eine entsprechende Anzahl von Büchern und Artikeln in Bewegung setzen wird), um die Leser dafür zu interessieren.
Elisabeths Alltag also – das bayerische Naturkind, das in den Wiener Hof gezwungen werden sollte, sich aber auf die Dauer nicht zwingen ließ. Wie lebte sie, als sie sich mit einer Rücksichtslosigkeit, zu der enorme Stärke gehörte, mit „Krankheit“ als Vorwand ihr eigenes „freies“ Leben erzwungen hatte? Nicht jeder Gatte hätte ein so striktes Ultimatum akzeptiert: „Ferner wünsche ich, daß, was immer meine persönlichen Angelegenheiten betrifft, wie unter anderem die Wahl meiner Umgebung, den Ort meines Aufenthaltes, alle Anordnungen im Haus p.p. mir allein zu bestimmen vorbehalten bleibt.“
Von da an war sie vor allem unterwegs, und selbst, wenn sie sich ein Refugium schuf wie die Villa in Korfu, wurde sie nie sesshaft. Auch nicht in Gödöllö, dem Schloß, das die Ungarn ihrer verehrten Königin schenkten und wo sie ganz ohne Zeremoniell leben konnte. Und nicht in der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten, die Gatte Franz Joseph ihr verehrte. Besonders glücklich war Elisabeth, die passionierte und waghalsige Reiterin (ein sündhaft teures Hobby, wie die Autorin erklärt), wenn sie in England und Irland hemmungslos als „Sports Woman“ agieren konnte (wobei, Bemerkung am Rande, sie sich mit ihrer Schwester Marie einmal in der Nähe von Althorp niederließ und mit Lord Spencer, zweifellos einem Vorfahren von Prinzessin Diana, Ausritte unternahm).
War die Kaiserin unterwegs, herrschte stets der größte Luxus – ihr Hofsalonwagen war ein Teil von mehreren Waggons (inklusive ein Toilettesalon-Abteil), die ihr zur Verfügung standen. Sie brauchte auch viel Platz, denn das Gepäck, das mit auf Reisen nahm, war gigantisch. Wenn Elisabeth nach diesen „Ausflügen“ von Zeit zu Zeit ja doch in den Wiener „Käfig“ zurück musste, beschwerte sie sich heftig… sie fühlte sich, wie Katrin Unterreiner schreibt, allein „durch die Existenz anderer Menschen in ihrer Nähe gestört, belästigt und bedrängt.“ Das Einzige, wozu sie sich gerne hergab, war ihre Rolle als Identifikationsfigur für die ungarische Nation – ein sorglich aufgebautes Image, ein Mythos, der bis heute anhält.
Nichts Neues gibt es zu den aufgezählten „Spleens“ und „Leidenschaften“ der Kaiserin, zu ihrem Kokain-Konsum (schon in der Jugend hatte man ihr Cannabis gegen Husten gegeben…) Dass sie eine liebevolle Großmutter für die Kinder ihrer Lieblingstochter Marie Valerie war, verblüffte sogar diese selbst.
Alles in allem schildert Katrin Unterreiner, dass Kaiserin Elisabeth – die vielleicht selbst glaubte, „demokratische“ Tendenzen zu haben – ein selbst bestimmtes Luxusleben führte, das ihren Gatten ein Vermögen kostete (sie war ja außer von ihren Hofdamen, nach und nach nur Ungarinnen, von einer ganzen Entourage begleitet, der sie das Leben schwer machte ) – und das man vernünftigerweise geheim hielt. Für eine egozentrische Luxus-Kaiserin hätte die Bevölkerung der Monarchie vermutlich wenig übrig gehabt, vor allem die bettelarmen Leute… Dabei war Elisabeth selbst, wie sich vor allem nach ihrem Tod herausstellte, immens reich.
Es ist gespenstisch, genau über Elisabeths letzten Tag, den 10. September 1898, zu lesen, vor allem die Worte, die sie niedergeschrieben hat: „Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine ganz kleine Öffnung des Herzens“. Und genau das geschah, als sie auf dem Weg zum Schiff, das sie über den Genfer See bringen sollte, ihrem Tod begegnete – in Gestalt jener Feile, die Luigi Lucheni ihr direkt ins Herz stieß… Sind es nicht die Schicksale jener Menschen, die mit Gewalt aus dem Leben gerissen werden, die immer besonders faszinieren?
Renate Wagner