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KARLSRUHE: DIE REGIMENTSTOCHTER

11.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Ein Klassiker in Karlsruhe: „Die Regimentstochter“ von Gaetano Donizetti (Vorstellung: 10. 11. 2013)

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Ina Schlingensiepen als Marie und Eleazar Rodriguez als Tonio begeisterten das Publikum (Foto: Falk von Traubenberg)

 Was vom Wiener Publikum bereits als Klassiker der Opernliteratur bezeichnet wird, ist in vielen deutschen Häusern noch eine Rarität: „Die Regimentstochter“ von Gaetano Donizetti. Das 1840 an der Pariser Opéra Comique uraufgeführte Werk, das zurzeit auch an der Wiener Staatsoper auf dem Programm steht, kam in diesem Jahr am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit großem Erfolg zur Aufführung. In Paris wurde es in der Uraufführungsbesetzung  44 Mal gespielt – und an der Opéra Comique kam es bis 1916 zu mehr als tausend Vorstellungen dieses Werks!

 Die im Stil der französischen komischen Oper komponierte „La fille du régiment“, die melancholische und draufgängerische Arien ebenso aufweist wie schmissige „Rataplan“-Chöre für die Soldaten, beginnt schon mit einer wirkungsvollen Lustspielouvertüre, die von der Regisseurin Aurelia Eggers dazu genutzt wurde, durch Hinzufügung von zwei stummen Rollen – Marianne mit französischer und Austria mit österreichischer Fahne – für Komik zu sorgen.  Die Inszenierung ist mit vielen humorvollen Ideen angereichert und zeigt auch mit plakativen Bildern die Abhängigkeiten der als Findelkind von den Soldaten des 21. Regiments der Napoleonischen Truppen adoptierten Marie. So hängen im ersten Akt hunderte gewaschene Unterhosen von der Decke der Bühne herab und im zweiten Akt, der im Schloss der Marquise de Berkenfield spielt und in dem sich die Regimentstochter alles andere als wohlfühlt, an die vierzig Luster (Ausstattung: Rainer Sellmaier).

 Leider übertrieb die Regisseurin im Laufe der Handlung zu stark. Mag man noch über die Waschmaschine, mit der Marie die Unterhosen der Soldaten zu waschen hat, schmunzeln, vergeht einem im zweiten Akt das Lachen, wenn die adelige Hochzeitsgesellschaft die Bühne auf allen Vieren kriechend erklimmt, als wären sie eben aus dem Grab gestiegen. Es lachte auch niemand im Publikum! Wenn der mit einer Krücke auftretende Sergeant Sulpice meint, eine Karriere in der Armee sei dem sicher, der im Kampf invalid wurde, muss man doch nicht am Schluss dem Bräutigam Tonio ins Bein schießen. Ohne verallgemeinern zu wollen, muss  gesagt werden, dass der deutsche Humor manchmal seltsame Blüten treibt…

 Als Marie konnte die Sopranistin Ina Schlingensiepen, die in Sofia studierte und kürzlich den Opern-Adelstitel Kammersängerin verliehen bekam, voll überzeugen. Sie spielte die junge Marketenderin im ersten Akt kess und mit Charme und im zweiten Akt die Tochter der adeligen Mutter mit ans Gemüt gehender Verzweiflung, die lieber neckische Schäferspielballaden als höfische Lieder singt. Stimmlich begeisterte sie nicht nur mit dem Regimentslied „Chacun le sait“, sondern auch mit ihrer Arie „Par le rang“, die sie schmerzvoll-sentimental wiedergab.

 Der mexikanische Tenor Eleazar Rodriguez war als Tonio von der Figur her ein trefflicher junger Tiroler Bauernsohn, der sich auch im derben Soldatenleben wohlzufühlen schien.

Es gelang ihm, die neun hohen C der Paradearie des Tonio „Ah! Mon amis, quel jour de fête!“ (oder waren es nur acht?) ohne Probleme zu stemmen, wenngleich er nicht die Leichtigkeit eines Juan Diego Flórez hatte, der in Wien diese Arie bekanntermaßen sogar wiederholen musste! Das Publikum jubelte dem Mexikaner, der im zweiten Akt auf einer goldenen Kanonenkugel wie einst Münchhausen ins Schloss schwebte, jedenfalls verdientermaßen zu.

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Frankreich gegen Österreich auf der Opernbühne: Anna-Magdalena Beetz als Marianne und Christina Mohari als Austria (Foto: Falk von Traubenberg)

 Der spanische Bariton Gabriel Urrutia Benet gab den Sergeant Sulpice mit dunkel gefärbter Stimme und sehr komödiantisch, wobei er in den Szenen mit der Marquise de Berkenfield für Lachsalven im Publikum sorgte. Die Marquise wurde von der Altistin Rebecca Raffell gleichfalls mit viel Situationskomik gespielt und mit einer unglaublich tiefen Stimme gesungen. Als ihr Kammerdiener Hortensius outrierte der brasilianische Bass Luiz Molz leider ein wenig zu stark.

 Mit köstlichem Humor wartete die Schauspielerin Anna-Magdalena Beetz als Gast des Badischen Staatstheaters in der Doppelrolle als Herzogin von Crakentorp und als stumme Marianne auf. Ihre Widersacherin Christina Mohari in der Rolle der Austria hatte wahrlich nichts zu lachen! Sehr stimmgewaltig präsentierte sich der Badische Staatsopernchor beim schmissig gesungenen „Rataplan“.

 Die Badische Staatskapelle wurde vom jungen Dirigenten Justus Thorau sehr forsch geleitet. Leider würgte er des Öfteren den Szenenapplaus des Publikums ab, indem er das Orchester rasch weiterspielen ließ, als hätte er nach der Vorstellung ein Rendezvous, das er nicht verpassen wollte.

 Das Publikum war von der Aufführung, die in deutscher und französischer Sprache mit deutschen Übertiteln gebracht wurde, begeistert und dankte allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus. Bravorufe gab es für Ina Schlingensiepen und Eleazar Rodriguez sowie für Gabriel Urrutia Benet und Rebecca Raffell.

 Udo Pacolt

 

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