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KARLSRUHE: „BIRGIT KEIL zum 70. – EINE GEBURTSTAGSGALA“

Karlsruhe: „BIRGIT KEIL zum 70. – EINE GEBURTSTAGSGALA“ 27.9.2014:

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Rote Rosen für Prof. Birgit Keil zum Finale ihrer Geburtstags-Gala. Copyright: Jochen Klenk

Die Ballerina – die Pädagogin – die Direktorin: eine Persönlichkeit, die gemessen an ihrem Leistungspensum im Prinzip aus drei Menschen bestehen müsste. So die Essenz der Laudatien, die anlässlich einer Gala zum 70. Geburtstag von  Birgit Keil gehalten wurden, den sie am 22. September feiern konnte. Wie Karlsruhes Hausherr Peter Spuhler anfangs bekundete, sollten im Sinne der Jubilarin gar nicht so viele Reden geschwungen werden, aber um einige Fakten würde man einfach nicht herum kommen, das Lebenswerk der 1944 im Sudetenland geborenen und bereits mit 2 Jahren nach Stuttgart gekommenen dreifachen Künstlerin einigermaßen vollständig zu würdigen. Neben u.a. Alt-Intendant Achim Thorwald, dessen Suche nach der Leiterin einer neu zu gründenden Ballett-Compagnie Karlsruhe letztlich sein Tanz-Ensemble zu verdanken hat, dem Staatssekretär des Kunstministeriums, dem Oberbürgermeister als Vertreter der Stadt und dem Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde des Badischen Staatstheaters war es ganz besonders der auf einer Leinwand zugespielte, so ganz persönliche und menschlich berührende Geburtstagsgruß von Marcia Haydée als einstiger Kollegin aus ihrer großen Zeit als Tänzerin, der Birgit Keils Maxime am deutlichsten zum Ausdruck brachte – ungeachtet ihres Alters und der nur so verfliegenden Jahre immer in die Zukunft zu sehen und unermüdlich weiterzuarbeiten. Ein Zeichen ihrer hohen Anerkennung war auch die lange Liste an Ehrengästen aus Kultur und Politik, die gekommen waren, um gemeinsam mit dem Publikum zu feiern, darunter auch Egon Madsen (einer der beiden Partner aus Crankos einstigem Star-Quartett), der es sich nicht nehmen ließ, an seinem eigenen Geburtstag mit dabei zu sein.

Birgit Keils Ruhm als erster deutscher Tänzerin von Weltrang seit Fanny Elßler (Cranko holte sie 1961 in seine neu gegründete Compagnie in Stuttgart, 1963 wurde sie zur Solistin), als Elegantissima des klassischen wie modernen Tanzes ist hinlänglich bekannt und bereits zur Zeit des Höhepunkts ihrer Bühnenkarriere in den 70er Jahren in einem noch in Schwarz-Weiß erschienenen Buch dokumentiert worden. Darum hat die Tanzjournalistin Wiebke Hüster aus aktuellem Anlass der Kindheit und vor allem den beiden nach dem Bühnenabschied 1995 in Angriff genommenen Aufgaben als Stiftungs-Mitbegründerin (unterstützt von der Kunstmäzenin Marchesa Maddalena Mina di Sospiro) und Leiterin der Akademie des Tanzes Mannheim und seit 2003/2004 als Direktorin des neu gegründeten Karlsruher Balletts gewidmet. In einem Gespräch zur Präsentation des Buches wurde vor allem auch auf die Schattenseiten, die mit dem Alltag einer hyperfleißigen Ballerina wie auch Compagnie-Leiterin verbunden sind, sowie die so ehrlichen, unbeschönigten Stellungnahmen von Birgit Keil hingewiesen. („Birgit Keil – Ballerina – Glück ist, wenn auch die Seele tanzt“, Henschel-Verlag).

Mittels „Hausverbot“ in den letzten zwei Tagen vor der Gala – die Birgit Keil in ihrem unermüdlichen Arbeitseifer als Strafe empfand – war es gelungen ein Gratulationsprogramm auf die Beine zu stellen, das ihr einstiges Repertoire mit Präsentationen durch von ihr unterstützte Stipendiaten vereinen sollte.

Die erste der inzwischen auf 255 angewachsenen Stipendiatinnen aus 22 Nationen war die heutige Stuttgarter Erste Solistin Alicia Amatriain; mit schwereloser Grazie erfüllte sie den einst für Keil konzipierten Cranko-Pas de deux „Aus Holbergs Zeit“ als eines ihrer besonderen Glanzstücke, unterstützt und ebenbürtig ergänzt von Alexander Jones, dessen zauberhaftes Flair. Stuttgarts Hauchoreograph Demis Volpi nutzte die Gelegenheit des Auftrags, einmal so richtig klassisch zu kreieren. Die originelle Umkehrung des Cranko-Pas de deux von hinten nach vorne mit den von Cranko nicht verwendeten, für Streichquintett und Klavier umgearbeiteten Sätzen zeigte, wie sicher und geschmackvoll Volpis Phantasie auch ohne in die Schräge gekippte Spitzen-Positionen ist. Abgesehen von etwas zuviel mimischer Beigabe, zeigte Amatriain auch da die Klasse ihrer Balance-Kunst und mit Schönheit und Präzision auch die einstigen Tugenden ihrer Mentorin, diesmal an der Seite des nach der Sommerpause an körperlicher Stringenz gewonnenen Kollegen Constantine Allen. Ebenfalls aus Stuttgart präsentierten Miriam Kacerova, Marijn Rademaker und Roman Novitzky die bedeutsamen „Schritte im Schnee“ aus Crankos „Brouillards“ als Inbegriff dessen, was Birgit Keils Können besonders auszeichnete: der schlichte lyrische Zauber, die klaren ausdrucksvollen Schritte und die so vielsagenden kleinen Dinge wie kurze Blicke. Zirzensische Bravourstücke des Ballett-Repertoires wären an diesem Abend fehl am Platz gewesen.

Elena Vostrotina und Raphael Coumes-Marquet vom Semperoper-Ballett Dresden erinnerten mit einem zündend hingelegten Pas de deux „In the middle somewhat elevated“ von William Forsythe an die einst motorisch-drängende Seite der Jubilarin, die man ihrer zarten, bis heute perfekt gebliebenen Figur gar nicht zugetraut hätte. Auch nicht die als Lieblingsrolle bezeichnete „Cremerolle“

Der ehemalige Stipendiat Thiago Bordin, bis vor kurzem bei John Neumeier in Hamburg, ab sofort beim Nederlands Dans Teater engagiert, präsentierte sich gleich zweifach als Choreograph; zunächst mit einem selbst getanzten Solo „Huf Huf“, in dem er die Befreiung des Tanzes aus dem klassischen Schema veranschaulicht, und dann mit einer griffigeren Widmung „Sibelius für B.“, in dem er einen Großteil der Karlsruher Compagnie zu einer geschlossenen Symbiose aus vielfältigen Strukturen und der blechbläser-durchglänzten Musik des berühmten finnischen Komponisten zusammenschweißt.

Ein besonders mitreißendes Geburtstagsgeschenk servierte das Karlsruher Ensemble mit „Presente“ zu brasilianischer Percussion-Musik. Tänzer Reginaldo Oliveira hat es mit vielen Bauchtanz- und einigen Breakdance-Elementen entworfen und zusammen mit blumigen Kostümen zu einem unwiderstehlichen Gruß aus der Südsee werden lassen. Und da wie er viele der Karlsruher TänzerInnen aus Brasilien stammen,  entfaltete sich hier ein unverkünstelter Sog an Lebensfreude von Menschen, denen diese Musik spürbar im Blut liegt. Gekrönt wurde dieses ausgelassen bejubelte Ständchen mit dem Vorbeiflanieren der Tänzer an der in der ersten Reihe sitzenden Birgit Keil und dem Überreichen von vielfarbigen Rosen. In den bewegten Dankesworten sowie herzerwärmenden Gesten und Umarmungen ihrer Schützlinge wurde ganz besonders bewusst, wie sehr sie ihr Beruf, ja Berufung erfüllt, welches Verantwortungsbewusstsein sie gegenüber ihren „Kindern“, von denen viele ihre Enkel sein könnten, hegt und ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Nicht 100prozentig, nein mindestens 200prozentig  lebt sie auch nach ihrem Bühnendasein in ihrer Stellung als Lehrerin und Direktorin. Mit der Gründung des Karlsruher Balletts und seiner nach zehn Jahren erfolgten Erhebung in den Stand einer staatlichen Compagnie  ist ihr zudem ein Wunder gelungen: wo sich über all das Tanztheater und der moderne Tanz in teils skurrile Ausformungen verbreiten, ist es ihr gelungen, das gern als altmodisch betrachtete klassische Ballett zum Zentrum zu machen und zu beweisen, dass das Publikum, entsprechende Qualität vorausgesetzt, mehr denn je danach verlangt. So wurde mit dieser Gala nicht nur das einstige deutsche Tanzwunder, sondern auch das heutige Wunder einer Ballett-Ermöglicherin gefeiert.

Musikalisch umrahmt wurde der Abend von der Badischen Staatskapelle unter der Leitung von GMD Justin Brown und Kapellmeister Steven Moore: eröffnet mit der Ouvertüre zu „Maskerade“ von Carl Nielsen, deren flinke Streicherfiguren und lebhafte Farbtupfer setzende Holzbläser ein ideales Sinnbild der flüchtigen Kunst des Tanzes markieren. Und zum von Luftschlangen und Luftballons gerahmten Finale geführt mit John Williams kunstvoller Version von „Happy Birthday“, in das schließlich alle auf und vor der Bühne einstimmen konnten. Auch in Karlsruhe weiß man mittlerweile wie Ballettfeste zu feiern sind.

In die Reihe der Gratulanten reiht sich nachträglich auch „Der Neue Merker“ ein, viel Gesundheit, Kraft und Freude für ihren weiteren Einsatz, der mit der frisch verkündeten Verlängerung ihres Karlsruher Vertrages um vier Jahre schon einmal gesichert ist.

 Udo Klebes

 

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