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KAISERSLAUTERN/ Pfalztheater: REGINA von Albert Lortzing

13.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Tolle Opernrarität in Kaiserslautern: „Regina“ von Albert Lortzing (Vorstellung: 13. 11. 2013)

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Szenenfoto der Revolutionsoper „Regina“ – im Vordergrund Daniel Henriks als Freischärler Stephan (Foto: Hans-Jürgen Brehm-Seifert)

 Im Pfalztheater Kaiserslautern steht seit September die nur selten gespielte Oper „Regina“ von Albert Lortzing auf dem Spielplan, die im Revolutionsjahr 1848 in Wien entstand, aber erst 1899 nach einer Bearbeitung von Adolph L’Arronge in Berlin unter dem Titel „Regina oder Die Marodeure“ uraufgeführt wurde. In Österreich stand sie zuletzt 1983 in Linz auf dem Programm. Die Uraufführung der Originalfassung fand erst 1998 im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen statt.

 Albert Lortzing (1801 – 1851), der in den 1840er Jahren in Leipzig als Schauspieler, Sänger und ab 1844 auch als Dirigent sein Brot verdiente und in diesen Jahren viele Opern komponierte (darunter „Hans Sachs“, „Casanova“, „Der Wildschütz“ und „Undine“), wurde 1845 in Leipzig gekündigt. Rettung in höchster Not bedeutete damals für ihn die Berufung nach Wien, wo er Kapellmeister am Theater an der Wien wurde und 1846 die Oper „Der Waffenschmied“ komponierte. 1848 – während der Märzrevolution in Wien – entstand seine Oper „Regina“, die mit einem Arbeiterstreik beginnt und mit einem Chor-Finale endet, in dem es heißt „das Volk lässt sich nicht spotten“. In einem Brief an seinen Bruder schreibt Lortzing am 26. Dezember 1848 aus Wien: „Mit meiner neuesten Oper („Regina“) habe ich Pech. Der liberalen Tendenz wegen kann sie natürlich hier nicht zur Aufführung kommen. Selbst Breslau nahm Abstand, und in Leipzig muss ich den Direktionswechsel abwarten. Nach Frankfurt habe ich das Textbuch geschickt, aber noch keine Antwort.“  Übrigens komponierte Lortzing, der mit den Wiener revoltierenden Studenten sympathisierte, in dieser Zeit vier Männerchöre auf aktuelle Texte, die er „Wiens hochherzigen Studierenden achtungsvoll“ widmete.

 Der Inhalt der Oper „Regina“, deren Text vom Komponisten stammt, in Kurzfassung: Ein Streik der Arbeiter in der Fabrik des Unternehmers Simon kann durch das Verhandlungsgeschick des Geschäftsführers Richard unterbunden werden. Nicht zuletzt aus Dank dafür gibt Simon die Hand seiner Tochter Regina dem ihm ergebenen Richard. Die Verlobungsfeier wird durch marodierende Freischärler gestört. Der Werkmeister Stephan, der ebenfalls um Regina geworben hatte, schließt sich den Aufständischen an und entführt die Tochter des Fabrikanten. In den Revolutionskämpfen, in denen auch Simons Haus und Fabrik in Flammen aufgehen, gelingt es Regina, eine Katastrophe zu verhindern: Bevor ihr Entführer, der radikalisierte Stephan, den Pulverturm zur Explosion bringen kann, erschießt sie ihn. Der Aufbruch einer neuen Zeit in Frieden und Freiheit wird gefeiert.

 Hansgünther Heyme – er war auch für die Ausstattung zuständig – inszenierte das Werk äußerst realistisch, wobei er auf die Bühne eine Schulbank mit einem Knaben platzierte, für den die Oper als Geschichtsunterricht gezeigt wird. An der Rückwand der Bühne hängen von der Decke bis zum Boden als Dekoration drei Wandteppiche in den Farben Schwarz, Rot und Gold. Requisiten werden nur sparsam eingesetzt, die Kostüme sind zeitgemäß, wobei die Sängerin der Titelrolle den ganzen Abend in einem weißen Hochzeitskleid verbringen muss. 

Für die Lichteffekte sorgte Harald Zidek.

 Die Titelrolle war mit der Sopranistin Adelheid Fink besetzt, die vor allem in den lyrischen Passagen zu brillieren wusste, aber auch die Koloraturen sicher bewältigte. Schauspielerisch schien sie durch das unvorteilhaft wirkende Hochzeitskleid ein wenig gehemmt. Ihren Vater, den Fabrikbesitzer Simon, gab der Bass Christoph Stegemann, der sich in der Pause als indisponiert ansagen ließ und das Publikum um Nachsicht bat. Er spielte seine Rolle als gehbehinderter alter Mann sehr eindrucksvoll und hielt auch stimmlich bis zum Schluss ohne hörbare Probleme durch.

Ausgezeichnet gefallen konnte der Bariton Daniel Henriks als Werkmeister Stephan, der Regina entführt und schließlich von ihr erschossen wird. Mit seiner kraftvollen Stimme, die aber in der Erzählung seiner Lebensgeschichte auch lyrisch klingt, stellte er seine Rolle als Freischärler überzeugend dar. Richard, sein Widersacher um die Gunst von Regina, wurde von Daniel Ohlmann gespielt und mit tenoralem Schmelz gesungen. Leider klang seine Stimme in der Höhe zu gepresst. Der koreanische Tenor Daniel Kim gab Simons Bediensteten Kilian etwas ungelenk. Stimmlich hatte er im zweiten Akt, als er die Freischärler mit Wein und einem fröhlich klingenden Lied in den Schlaf singt, seine besten Momente.

Rollengerecht agierten in kleineren Rollen der Bariton Daniel Böhm als Anführer einer Freischar und der Tenor Daniel Ewald (kein Tippfehler, in Kaiserslautern scheinen fast alle Sänger den Vornamen Daniel zu besitzen!) als Freischärler. Die Altistin Geertje Nissen gab mit dunkler, nach Verzweiflung klingender Stimme Kilians Mutter Barbara, die Mezzosopranistin Ludociva Bello eine Bedienstete bei Simon.

 Eine Hauptrolle in dieser Revolutionsoper kam dem Chor des Pfalztheaters zu, der zuerst die streikenden Arbeiter, später die Freischärler und die Bauern und zum Schluss das Volk darzustellen hatte. Er bewältigte seine Aufgaben mit großer Stimmkraft und ambitioniertem Spiel (Einstudierung: Ulrich Nolte).

 Das Orchester des Pfalztheaters unter der profunden Leitung von Uwe Sandner brachte schon die stimmungsvolle Original-Ouvertüre, die nur bis Takt 133 gespielt wurde (Lortzing hatte seine Arbeit an der Ouvertüre abgebrochen, später wurde sie von Gustav Härtel ergänzt).  wunderbar zur Geltung. Die vielschichtige Partitur des Komponisten, die oft aufwühlend-dramatisch, oft innig-zart klingt, begeisterte das Publikum, das am Schluss mit nicht enden wollenden Applaus reagierte.

 Man muss den Verantwortlichen des Pfalztheaters gratulieren, dieses musikalisch so wunderbare Werk der Vergessenheit entrissen zu haben und darf gespannt sein, ob es auch in Wien, wo es komponiert wurde, einmal zur Aufführung kommen wird.

 Udo Pacolt

 

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