ITALIEN / Festival della valle d’Itria:
OWEN WINGRAVE von Benjamin Britten,
27.Juli 2025. Premiere
Diese vorletzte Oper Brittens (1969-70): wird beim renommierten Festival in Martina Franca auch als italienische Erstaufführung herausgebracht. Zum zweiten Mal stellt sie für Britten auch eine Zusammenarbeit mit der Librettistin Mifanwy Piper dar, die für ihn bereits die Vorlage zum 1954 komponierten und erfolgreicheren THE TURN OF THE SCREW geliefert hatte. In der Zeit weltweiter Aufrüstung und der Eskalation des Vietnamkrieges wollte der bekennende Pazifist Britten, der mit dem WAR-Reqiem bereits eine eindeutige Stellungnahme gegeben hatte, mit Owen Wingrave einmal ein Werk liefern, das sich direkt auf sein Vaterland England und dessen kriegerische Tradition bezieht.
Die Titelfigur wird wie alle seine männlichen Vorfahren der aristokratischen Familie zur militärischen Ausbildung herangezogen. Doch entwickelt Owen Wingrave dabei seine pazifistische Gesinnung und gerät in Konflikt mit seinem Vorgesetzten auf der Militärakademie, Sir Spencer Coyle. Im Haus der Wingraves wird daraufhin ein Treffen aller Familienmitglieder angesetzt, bei dem der Aufsässige in seine Schranken gewiesen werden soll.. Selbst seine Verlobte sowie das Ehepaar Coyle und eine Tante verschwören sich gegen ihn. Zur Strafe für seine Weigerung soll er für eine Nacht in ein Zimmer des Anwesens eingeschlossen werden, wo ehemals ein Vorfahre seinen renitenten Sohn erschlagen haben soll, und in dem seitdem Geister spuken. Diese Nacht überlebt Owen nicht, sondern wird leblos nächsten Tags aufgefunden.
Die Musik ist ähnlich wie bei den Vorgängerwerken über weite Strecken sehr düster gehalten, und unter Aussparung vielseitiger Melodik gelingt es Britten, eine solche auch absurde Atmosphäre herzustellen, in der Owen in eine derartige brutal-desaströse Beklemmungsphase getrieben wird. Dabei spielen unruhige Schlagwerkattacken und untergründige elektronische Klangfarben eine starke Rolle. Gespielt wird der Zweiakter vom Orchestra dell’Academia della Scala unter der Leitung des jungen und sehr lobenswerten Dirigenten Daniel Cohen.
Aus einem Ensemble von hohem Niveau ragt der schweizerische Sänger Äeneas Humm als Titelfigur mit einem über weite Strecken ausgezeichneten Bariton gegen seine Familienmitglieder hervor.
Die Szene spielt sich in der Regie von Andrea De Rosa in einem Raum zwischen zwei Freitreppen ab, die sich im Verlauf sukzessive gegeneinander verschieben. Der Raum ist aber nicht etwa mit Ahnenbildern der Familie vollgehängt, sondern mit personalen Zielscheiben, die bereits in der Pause von einem Statistenjungen angeschossen werden. Die finale Auseinandersetzung mit dem Kriegsdienstverweigerer zeichnet sich durch markante Personenführung aus, hier überlebt der Protagonist aber, und ein Kinderchor, ähnlich wie beim War Requiem gibt seinen „Segen“ dazu.
Friedeon Rosen