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HANNOVER, LÜBECK, GENF, AMSTERDAM, MONTE-CARLO: FÜNFMAL WAGNER IM NOVEMBER

23.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

24. NOVEMBER 2013 – Erste Eindrücke von fünf Wagner-Aufführungen im November

Man muss die Feste feiern wir sie fallen, und es waren teilweise wahrlich Aufführungen mit Fest(spiel)-Charakter, die ich den letzten 11 Tagen erleben konnte: WA „Die Meistersinger von Nürnberg“ in Hannover am 9.11.; NI „Tristan und Isolde“ in Lübeck am 10.11.; NI „Die Walküre“ in Genf am 16.11.; WA „Götterdämmerung“ in Amsterdam am 17.11., und last but not least Pr. „Das Rheingold“ im Forum Grimaldi von Monte-Carlo am 19.11.2013.

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„Die Meistersinger“ in Hannover. Foto: Thomas M. Jauk

Hannover zeigte in der unkonventionellen Inszenerierung von Olivier Tambosi die Linzer Produktion  der „Meistersinger“ als etwas plakatives, aber gleichwohl sinnhaftes Mult-Kulti-Spektakel. Bei aller optischen Vordergründigkeit bestach die Aufführung durch treffsicheren Sarkasmus, Humor und vor allem Menschlichkeit, letztere insbesondere verkörpert durch den  auch immer noch stimmlich eindrucksvollen Oscar Hillebrandt als Hans Sachs. Karen Kamensek lieferte mit dem Niedersächsischen Staatsorchester Hannover und dem Chor und Extrachor der Staatsoper Hannover eine eindrucksvolle musikalische Leistung. Diese Produktion war von allen fünf die bei weitem unkonventionellste.

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Tristan und Isolde“ in Lübeck. Wioleta Hebrowska, Edith Haller. Foto: Jochen Quast

In Lübeck interpretierte der mit dem „Ring“ und „Parsifal“ dort sehr erfolgreiche Anthony Pilavachi „Tristan und Isolde“ als unerfüllte romantische Liebesbeziehung Richard Wagners (alias Tristan) zu Mathilde Wesendonck (alias Isolde) und siedelte das Stück in einem großbürgerlichen Ambiente an. Man erlebte ein äußerst spannendes psychologisches Drama, welches alle emotionalen Facetten und menschlichen Enttäuschungen der Protagonisten konsequent aufzudecken vermochte. Edith Haller sang ihre erste Isolde mit gut artikuliertem hellem Sopran, scheint aber sängerisch gleichwohl noch nicht hundertprozentig in der Partie angekommen zu sein. Peter Svensson als äußerst kurzfristiger Einspringer für Richard Decker bestach durch seinen kraftvollen Heldentenor und eine an psychologischer Intensität keine Wünsche offen lassenden Darstellung. Der frühere GMD Roman Brogli-Sacher kehrte für diesen „Tristan“ an das Theater in der Beckerstrasse zurück. Er machte mit seiner äußerst mitnehmenden und kompetenten Wagner-Interpretation deutlich, was er an diesem Hause, das untrennbar mit dem Namen Thomas Manns verbunden ist, für die Musik des Bayreuther Meisters geleistet hat. (Weitere Aufführungen am 1.12., 29.12.2013, 19.1., 23.2., 23.3., 13.4., 27.4., und 11.5.2014).

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Genf: „Die Walküre“. Michaela Kaune, Will Hartmann. Foto: Grand Théâtre/ Carole Parodi

In Genf ist Dieter Dorn mit seiner NI des „Ring des Nibelungen“ nach dem „Rheingold“ im März nun bei der „Walküre“ angekommen. Sicher war von ihm und seinem Bühnenbildner Jürgen Rose keine „moderne“ und aussagebefrachtete Inszenierung zu erwarten. Man konnte jedoch erleben, was ein Regisseur (ref. mein Interview mit Roland Aeschlimann 2008:   „Jemand, der das Handwerk gelernt hat…“) mit einer erfahrenen Theaterpranke aus dem Stück machen kann, wenn er es, durchaus mit einigen guten neuen Einfällen – ganz aus sich sprechen lässt. Auch hier wurde wie in Lübeck Wagners immense psychologische Kraft offenbar, der Dorn durch eine sehr gute Personenregie nachhaltig Ausdruck verlieh und die mit guten SängerInnen einen spannenden Abend bescherte. Petra Lang bewies mit ihrer Interpretation der Brünnhilde, die sie erstmals im Genfer „Ring“ in allen drei Musikdramen szenisch gestaltet, dass sie in der Rolle angekommen ist. Tom Fox war an diesem letzten Abend der Serie ein starker Wotan, Günther Groissböck ein hervorragender Hunding und Elena Zhidkova eine eindringliche Fricka. Michaela Kaune konnte als Sieglinde mit ihren Höhen nicht ganz überzeugen. Will Hartmann meisterte den Siegmund auf lyrische Weise, nicht immer ganz mit den wünschenswerten Volumen. Ingo Metzmacher gestaltete mit dem Orchestre de la Suisse Romande einen auch musikalisch hochwertigen und spannenden Abend. (Der Genfer „Ring“ kommt zweimal zyklisch im Mai 2014).

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„Götterdämmerung“ in Amsterdam: Kurt Rydl (Hagen), Catherine Foster (Brünnhilde). Foto: De Nederlandse Opera

Mit der WA der „Götterdämmerung“ in Amsterdam aus dem Jahre 1998 bewies Regisseur Pierre Audi einmal mehr, welch fantasievolles und spannungsgeladenes Wagner-Musiktheater man mit technisch neuartigen Mitteln machen kann, wenn sie sich in den Dienst der Werkaussage stellen und nie ein Eigenleben entwickeln, wie beispielsweise bei Peter Hall in London oder der mittlerweile schon leidig gewordenen machine von Robert Lepage an der Met. Mit der Einbettung des Orchesters in das Geschehen auf einer riesigen Ring-Bühne aus Holz und einer monumentalen Ausgestaltung des Bühnenraumes bis in höchste Höhen von George Tsypin, sowie den stilvoll asiatisch angehauchten Kostümen der (verstorbenen) Eiko Ishioka erreicht diese Produktion eine optische Dimension und Wirkung, die ihresgleichen auch noch nach 15 Jahren suchen. Für mich steht sie damit unter den Top 10 meiner etwa 100 seit 1967 erlebten „Ring“-Produktionen. Hinzu kam, dass die neue Bayreuther Brünnhilde, Catherine Foster, sich in Topform präsentierte – stimmlich wie darstellerisch ungemein präsent – und Stephen Gould als Siegfried sich momentan ganz offenbar auf der Höhe seiner Wagnerschen Gesangskunst befindet. Daneben war Alejandro Marco-Buhrmester ein exzellenter Gunther und auch Kurt Rydl ein immer noch imposanter Hagen. Hartmut Haenchen stellte mit dem Niederländischen Philharmonischen Orcchester einmal mehr unter Beweis, dass er zu den profiliertesten Wagner-Dirigenten unserer Tage gehört. (Weitere Aufführungen am 24., 27. und 30.11.2013).

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Monte-Carlo: „Das Rheingold“. Foto: Opéra de Monte-Carlo

In einer an Feierlichkeit kaum zu überbietenden Gala im Forum Grimaldi am Strand von Monte-Carlo fand zu Ehren seiner Durchlaucht Fürst Albert II. von Monaco am Monegassischen Nationalfeiertag die Premiere des „Rheingold“ der Opéra de Monte-Carlo statt. Fürst Albert II. erlebte sie mit seiner Frau Charlene und seiner Schwester Caroline von Hannover in der Fürstenloge. Der Generaldirektor der Opéra de Monte-Carlo, Jean-Louis Grinda, inszenierte selbst und hielt sich eng an Wagners Regieanweisungen, womit er in den von Rudy Sabougni bisweilen äußerst subtil und imaginativ wirkenden Bühnenbildern und mit den geschmacksicheren Kostümen von Jorge Jara ebenso fantasievolle wie einnehmende Momente erreichte. Die dramaturgisch effektvoll eingesetzte Lichtregie von Laurant Castaingt trug erheblich zur allgemein ansprechenden Optik bei. Sie hätte durch eine intensivere Personenregie mit mehr Leben gefüllt werden können. Egils Silins sang einen klangvollen Wotan mit leicht dunkler gewordenem Bassbariton. Andreas Conrad als Loge und William Joyner fielen weiterhin stimmlich besonders positiv auf. Und die Weimarer Sieglinde sowie Salome von Monte-Carlo und Genf, Nicola Beller Carbone, war eine Luxusbesetzung für die Freia. Gianluigi Gelmetti konnte aus dem Philharmonischen Orchester von Monte-Carlo, welches nicht über eine mit den anderen hier bestochenen Häusern vergleichbare Wagner-Erfahrung verfügt, ein beachtliches musikalisches Ergebnis erzielen. Es ist zu hoffen, dass dieser neue monegassische „Ring“ weiter geführt wird. (Letzte Aufführung am 24.11.2013).

Detaillierte Rezensionen folgen in Kürze.

Klaus Billand aus Sydney

 

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